September 2018

HAMBURGER WIRTSCHAFT 09 / 18  STANDORT 38 Die Verlegung der Stolpersteine vor der Handelskammer (Adolphsplatz 1) beginnt am Montag, 24. September, um 11 Uhr. Es wer- den zahlreiche Ehrengäste anwesend sein. Veranstaltung FOTOS: PRIVAT (2 / LEO WOLFSOHN: MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON NORMA VAN DER WALDE), FIRMENARCHIV AURUBIS AG, LOGE ABSALOM ZU DEN DREI NESSELN Kathrin Enzel kathrin.enzel@hk24.de Telefon 36138-517 IVAN PHILIP Jg. 1875 Flucht 1939 England tot 10.1.1944 FRANZ MAX RAPPOLT Jg. 1870 deportiert 1942 Theresienstadt ermordet 25.11.1943 PAUL SALOMON Jg. 1865 gedemütigt / entrechtet Flucht in den Tod 22.9.1941 MAX STEIN Jg. 1870 eingewiesen 22.12.1936 Krankenanstalt Harburg „verlegt“ 24.12.1936 Heilanstalt Lüneburg tot 17.4.1937 DR. HEINRICH WOHLWILL Jg. 1874 deportiert 1942 Theresienstadt ermordet 31.1.1943 CÄSAR WOLF Jg. 1874 gedemütigt / entrechtet Flucht in den Tod 13.5.1933 LEO WOLFSOHN Jg. 1868 deportiert 1942 Theresienstadt ermordet 16.9.1942 nehmer und Gewerbetreibender vorantrieb. Die Betroffenen flüchteten ins Ausland oder wurden deportiert und in den Konzentrati- onslagern umgebracht. Das Plenarmitglied Franz Max Rappolt beispielsweise, Inhaber eines großen Be- kleidungsunternehmens, musste in den Jahren zwischen 1933 und 1936 durch die NS-Propaganda gegen jüdische Unterneh- men Verluste im Geschäft hinnehmen. Diese Entwicklung verstärkte sich noch, als der NS-Staat ab 1936 die entscheidenden juristischen Grundlagen schuf, um als „jü- disch“ eingestufte Unternehmen behindern und schließen zu können. 1938 wurden er und sein Teilhaber schließlich gezwungen, das immer noch ertragreiche Unternehmen an „arische“ Käufer zu verkaufen. Durch „Judenvermögensabgaben“ und weitere Repressalien zunehmend finanziell unter Druck gesetzt, musste Rappolt Immo- bilien und Vermögensgegenstände verkau- fen, in den kommenden Jahren in immer kleinereWohnungen, amEnde ein Zimmer ziehen. Versuche, ein Visum für die Auswan- derung zu erhalten, scheiterten. Am15. Juli 1942 wurde Franz Rappolt ins KZ Theresi- enstadt deportiert und dort am 25. Novem- ber 1943 getötet. Dass nun für ihn und die zwölf weiteren genannten Personen Stolpersteine gelegt werden können, ist der Arbeit der Stolper- stein-Kommission zu verdanken, die das Plenum der Handelskammer am 12. Mai 2016 ins Leben rief. Es folgte damit einem Vorschlag des Arbeitskreises für Gesell- schaftliche Verantwortung, der sich in sei- nem Auftrag seit Oktober 2015 intensiv mit der Frage befasst hatte, wie einGedenken an die verfolgten Mitglieder der Handelskam- mer würdig gestaltet werden könnte. Um zu historisch fundierten Entschei- dungen über die zu ehrenden Personen zu gelangen, wurden nicht nur Mitglieder des Ehrenamtes (Annett Nack-Warenycia, Ko- rinna Steffens und Moritz Trebeljahr) und des Hauptamtes (Dirck Süß und Kathrin Enzel) der Handelskammer in die Kommis- sion berufen, sondern auch externer Sach- verstand (Rita Bake, Peter Hess und Beate Meyer) eingebunden. Intensive biografische Recherchen zu den während des Dritten Reiches ausgeschlossenen Mitgliedern der Kammergremien bildeten eine wichtige Grundlage für die Entscheidungsfindung. Die Ergebnisse dieser Recherchen werden in einer Dokumentation zusam- mengefasst, die im Frühjahr 2019 erschei- nen soll. In dieser werden dann nicht nur 13 Kurzbiografien der Personen zu lesen sein, für die ein Stolperstein gelegt wird. Es werden auch 25 weitere Vertreter des Ehren- und Hauptamtes der Handelskam- mer vorgestellt, die Verfolgung ausgesetzt waren, aber das Dritte Reich überlebten. So soll es jedem möglich sein, sich über die Einzelschicksale der verfolgten Kam- mermitglieder und -mitarbeiter zu infor- mieren. Doch mit der Verlegung der Stolper- steine und dem Erscheinen der Dokumen- tation ist die Beschäftigung der Handels- kammer mit dem Dritten Reich noch nicht beendet. „Die Stolpersteine als öffentlich sichtbares Gedenken an die Opfer der NS- Gewaltherrschaft aus unseren Reihen sind ein wichtiger Schritt unserer Handelskam- mer, sich der eigenen Geschichte imDritten Reich zu stellen“, sagt Präses Tobias Berg- mann. „Uns ist aber auch bewusst, dass wir hier nicht haltmachen dürfen, sondern uns weiter mit der eigenen Vergangenheit und unserer Rolle während des NS-Unrechtsre- gimes befassenmüssen.“ Annett Nack-Warenycia, die Vorsit- zende der Stolperstein-Kommission, erklärt, was damit gemeint ist: „Die Stol- perstein-Kommission hat die Opfer ins Zentrum gestellt. Es ist uns aber auch be- wusst, dass unter den Mitgliedern und Mitarbeitern der Handelskammer durch- aus Personen waren, die zu den Profi- teuren und Systemgewinnern der Nazi- Gewaltherrschaft zu zählen sind. Wir werden daher dem Plenum vorschlagen, eine Folgekommission ins Leben zu rufen, die sich mit den Biografien dieser Perso- nen befassen soll. Unsere Arbeit geht also weiter.“

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