Oktober 2018

HAMBURGER WIRTSCHAFT 10 / 18  EDITORIAL 3 Der heutige Wohlstand von Hamburg gründet auf Vielfalt, auf Tole- ranz, auf Weltoffenheit – doch der Nationalismus, der seit vielen Monaten und gerade in den letzten Wochen unbelehrbar und zu- nehmend extrem zu Tage tritt, gefährdet das. Er schadet unserem Wirtschaftsstandort. Er mindert unsere Chancen im internationalen Wettbewerb um Firmensitze und Ta- lente. Er droht, die Entwicklung unserer Unternehmen zu bremsen. Er richtet sich gegen Menschen, die wir als Kollegen schätzen und als Konkurrenten respektieren; Menschen, die unseren Standort stark machen. Einige Zahlen erscheinen mir besonders gut geeignet, das zu unterstreichen. Mehr als 24000 der rund 90000 Mitglieder unserer Handels- kammer, die nach letzter Zählung als Kleingewerbetreibende oder in Personengesellschaften aktiv sind, haben einen ausländischen Pass. Gleiches gilt für viele Inhaber, Manager und Mitarbeiter der im Handelsregister eingetragenen Mitgliedsunternehmen. Sie zah- len Steuern, sie schaffen Jobs, manche entwickeln neue Angebote und Produkte; vielleicht gehören Sie als Leserin oder Leser dieser Zeilen dazu. Migrantische Unternehmerinnen und Unternehmer fördern wir gezielt, Fragen zur Existenzgründung etwa beantwortet unser Team auch auf Arabisch, Türkisch oder Farsi. Menschen aus 185 Na- tionen leben und arbeiten in Hamburg, rund 650000 Einwohner haben einen Migrationshintergrund – praktisch jeder Dritte. Trotz- dem fehlen schon heute 55000 Fachkräfte in unseren Unterneh- men; bald werden es gut 70000 sein. Rund 60% der Befragten unse- res Konjunkturbarometers sehen hier eines der größten Risiken für ihre wirtschaftliche Entwicklung, und die Deutschen werden älter – und weniger. Ohne konsequente Integration und ohne weitere Zu- wanderung ist die Lücke nicht zu schließen. Zugleich hat die Hamburger Industrie 51,2 Prozent ihres Um- satzes 2017 mit Waren aus eigener Erzeugung im Ausland erwirt- schaftet, das sind 21,1 Milliarden Euro, fast viermal so viel wie 1995. Brexit, Strafzölle, Handelskriege – das bedeutet nichts Gutes für ei- nen Standort, der so erfolgreich und ertragreich mit der ganzen Welt vernetzt ist. Wir können uns Nationalismus nicht leisten. Und wir wollen ihn nicht haben. In seinen extremen Formen endet er immer in der Katastrophe. Darüber gehen wir bei passender Gelegenheit gerne in Diskurs – auch und gerade mit denjenigen, die nationalistische Ge- danken derzeit noch vertreten oder ihnen nahestehen. Aber um es klar und deutlich zu sagen: Wir wollen das weltof- fene Hamburg. Vielfältig. Dynamisch. Der Zukunft zugewandt. Stark durch Vielfalt „Der Wohlstand von Hamburg gründet auf Weltoffenheit. Der zunehmende Nationalismus gefährdet das.“ Die HW gibt es auch als App für Tablet-PCs und Smartphones. Die Onlineausgabe finden Sie unter www.hamburger-wirtschaft.de , das Internetangebot der Handelskammer unter www.hk24.de . Wenn Sie mehr als ein Exemplar der gedruckten HW erhal- ten und das ändern möchten, schreiben Sie bitte einfach eine E-Mail an redaktion@hamburger-wirtschaft.de TOBIAS BERGMANN Präses der Handelskammer Hamburg ILLUSTRATION: FILIP FRÖHLICH Ihr Tobias Bergmann Präses der Handelskammer Hamburg

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