Februar/März 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 56 HINWEISGEBER SCHUTZ FOTO: YANNIK WILLING Compliance-Verstöße unbedingt vermeiden Hat Ihre Firma mehr als 50 Ange- stellte oder mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsatz? Dann betrifft Sie die neue EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern. Z iel der EU-Richtlinie ist es, die Meldung von Missständen in Betrieben zu fördern. Zudem sollenHinweisgeber (englisch:Whistleblower) vor negativen Konsequenzen geschützt werden. Der Anwendungsbereich umfasst Missstände mit Bezug zum Unionsrecht wie Geldwäsche, Steuerbetrug, Vergabe öffentlicher Aufträge, Produktsicherheit, Umweltschutz, Gesundheit sowie Verbraucher- und Datenschutz. Dabei steht es den Mitgliedsstaaten frei, den Anwendungsbereich zu erweitern. Die Umsetzung in deutsches Recht ist noch nicht erfolgt, könnte aber strenger ausfallen, als es die Richtlinie vorgibt. Die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweis­ gebern gilt für Unternehmen mit mehr als 50 Mit­ arbeitern oder mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsatz bis Ende 2021 und schreibt ihnen besondere Pflichten vor. Für Firmen bis 250 Mit­ arbeiter ist aber eine zweijährige Übergangsfrist vorgesehen. Die betroffenen Betriebe sollten die für sie geltenden Pflichten bereits jetzt kennen und erforderliche Maßnahmen prüfen. Für potenzielle Hinweisgeber muss ein System zur telefonischen, schriftlichen, elektronischen oder persönlichen Abgabe von Hinweisen auf Rechtsverletzungen ein- gerichtet werden. Dabei muss unabhängig von der Art des Meldekanals die Vertraulichkeit des Hin- weisgebers geschützt werden. Innerhalb des Unter- nehmens soll eine Person zumErhalt und zur Nach- verfolgung der Meldungen bestimmt werden. Die Aufnahme und Bearbeitung von Hinweisen kann an einen externen Ombudsmann ausgelagert werden. Dem Hinweisgeber muss der Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Innerhalb von drei Monaten muss er über ergriffene Maßnahmen, Stand der Ermittlungen und ein Ergebnis informiert werden. Das Unterneh- men ist verpflichtet, Mitarbeiter, Zulieferer, Dienst- leister und Geschäftspartner über das Hinweis­ gebersystem und über die Möglichkeit des alterna­ tiven Meldeweges an eine zuständige Behörde zu informieren. Sollten Betriebe das Melden von Missständen vereiteln oder es versuchen, werden sie sanktioniert. Dies gilt auch, wenn die Identität des Hinweisgebers nicht vertraulich behandelt oder der Hinweisgeber diskreditiert wird. Aber niemand sollte sich abschrecken lassen: Hinweisgebersysteme fördern keineswegs Denun- ziation, sondern sind ein wichtiger und effizienter Baustein in der Compliance-Architektur, vor allem für Mittelständler. Die Vorteile einer Hinweisgeber- stelle sind vielfältig. Sie ermöglicht die frühzeitige Aufdeckung und Vermeidung von Compliance-Verstößen und Wirtschaftskriminalität und redu- ziert so die Haftungsrisiken für Betrieb und Geschäftsführung. Sie dient der Kanalisierung von Hinweisen und Kommunikation und damit der aktiven Steuerung der unternehmenseigenen Auf- klärung. Schließlich ist sie ein Kontrollmechanis- mus für die bestehende Compliance-Struktur und führt zur Verbesserung der Unternehmenskultur. Zwar haben die Mitgliedsstaaten bis Ende 2021 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Allerdings benötigt die Organisation und Imple- mentierung eines Hinweisgebersystems einen ge- wissen zeitlichen Vorlauf, sodass Unternehmen die Frist nicht ausreizen sollten. Der Hamburger Jurist Dr. Malte Passarge (47) ist Geschäftsführer von PRO HONORE e. V., der ältesten privaten Institution Deutschlands, die sich für den laute­ renWettbewerb und die Bekämp­ fung vonWirt­ schaftskriminalität einsetzt und Hin­ weisgeberstelle für viele Hamburger Unternehmen ist. Weitere Informa­ tionen unter www.pro-honore. de/hinweisgeber system MALTE PASSARGE redaktion@hamburger-wirtschaft.de HW-Gastautor Malte Passarge ist Partner bei der Hamburger Kanzlei Huth Dietrich Hahn

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