APRIL/MAI 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 46 Wer Hansestadt sagt, der meint auch Handelsstadt. Ein Blick auf 1000 Jahre Hamburger Geschichte, in denen es oft Unglücke waren, die für Fortschritt sorgten. W enn Dr. Sven Tode die Geschichte Ham- burgs Revue passieren lässt, scheint das Glück der Hansestadt seit alters her am Unglück zu hängen. „Für die Menschen sind Kata- strophen natürlich immer schrecklich“, meint der habilitierte Historiker. „Für den Fortschritt aller- dings hatten sie oft auch ihr Gutes.“ Und dann zählt er sie auf, all jene desaströsen Ereignisse, die Ham- burgs Bevölkerung zwar kurzfristig viel Leid zuge- fügt haben, aber langfristig das Alsterdorf aus dem achten Jahrhundert in die Elbmetropole des dritten Jahrtausends verwandelt haben. Es war ein langer, harter, oft qualvollerWeg. Der Große Brand von 1842 und die Sturmflut von 1962, die Pest anno 1350 und der Feuersturm im Jahr 1943, mittelalterliche Piraten und Napoleons Franzosen – auf demWeg zu Nordeuropas Handelszentrum erlitt Hamburg eine Reihe von Schicksalsschlägen, doch in den Trümmern wuchs nicht selten die Saat der Weiterentwicklung. Zeitgemäße Infrastruktur vor allem. Ein modernes Abwassersystem im Zuge der Cholera-Epidemie hier, freies Feld für Containerter- minals dort, dazwischen Verkehrswege, Kontorhäu- ser, die Speicherstadt. Viel Platz also zum Landen, Lagern undHandeln. Hamburg, das zeigt dessen Entwicklung vom Provinznest im Schatten Lübecks zur Weltstadt im Licht der Globalisierung, mag oft Glück im Unglück gehabt haben; letztlich verdankt es sein Wachstum jedoch keinem Dauerzustand umwälzender Risiken, sondern mehr noch seinem Status als sicherer Ha- fen. Mit gutem Grund: Weil Straßen lange Zeit ge- fährlicher waren als Flüsse, hat Hamburg „schon im Mittelalter verlässliche Warenströme von Ost nach West und umgekehrt“ garantiert, so Sven Tode. Seit dem verheerenden Angriff der Wikinger 845 bot die wehrhafte „Hammaburg“ ohne Zinnen dank wasserseits gezähmter Strömungen und land- seits solider Verteidigungsanlagen demnach fast 1000 Jahre lang besseren Schutz vor Gezeiten und Angreifern als vergleichbare Siedlungen in Küsten- nähe. Der Sozialdemokrat in Sven Tode hebt aller- dings noch etwas anderes hervor, das an Alster und Elbe für Frieden undWohlstand sorgte: „Pragmatis- Dr. phil. habil. Sven Tode ist Gründer und Geschäftsfüh- rer des Instituts für Firmen- undWirt- schaftsgeschichte. Zudem hat er eine Vertretungsprofes- sur für Neuere und Neueste Europäi- sche Geschichte an der Europa-Univer- sität Flensburg inne, ist Vorsitzender des Wissenschaftsaus- schusses der Bür- gerschaft sowie des Beirates der Lan- deszentrale für politische Bildung. Dr. phil. RalfWiech- mann ist seit 1994 wissenschaftlicher Abteilungsleiter für Mittelalter/Frühe Neuzeit und Numis- matik amMuseum für Hamburgische Geschichte, dessen stellvertretender Direktor er 2007 wurde. Buntes Schiffstreiben auf der Elbe: Im 17. Jahrhundert nahm der Hamburger Handel einen regen Aufschwung, wie dieses Gemälde von ca. 1680 zeigt „Hamburgs Feld ist dieWelt!“ ZEIT REISE

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