AUGUST/SEPTEMBER 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 22 FOTOS: PRIVAT, BLOCK GRUPPE PRO & KONTRA Sind Buchungsportale für Hotels hilfreich? Die aktuelle Studie des Dachverban- des HOTREC über den europäischen Hotelvertriebs- markt aus dem Jahr 2020 zeigt, dass zwischen 2013 und 2019 der Marktanteil der Online-Buchungs- portale (OTAs) kontinuierlich von 19,7 auf 29,9 Pro- zent gestiegen ist. Zugleich belegt die zweijährliche Studie, dass der Anteil der Direkt- buchungen in ganz Europa von 57,6 (2013) auf 45,5 Prozent (2019) zurückgegangen ist. In Deutschland wurden 2013 noch 63,7 Prozent aller Übernachtungen direkt imHotel gebucht (online und offline), im Jahr 2019 lag der Anteil nur noch bei 58,5 Prozent. OTAs hingegen konnten ihren Anteil von 20,9 (2013) auf 29,6 Prozent (2019) ausbauen. An der Spitze stehen Booking Holding Inc., Expedia Group und HRS Group mit einemMarktanteil von zusammen 92 Prozent. Wir haben viele Vorteile Isak Beshai (44), General Manager Apartment-Hotel Hamburg Mitte Online Travel Agencies (OTAs) sind für die Branche ein wichtiger Vertriebspartner. Vor allem für Privathotels, deren Marketingbudget meist weniger üppig ausfällt. Denn Plattformen wie Booking.com, HRS oder Expedia investieren hohe Summen ins Marketing, vondemwir, dieHotels, amEnde profitie- ren. Weil Buchungsportale international tätig sind, ist ihre Reichweite enorm. Über sie können wir zu- demunterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Früher haben Reiseveranstalter wie Thomas Cook, TUI oder alltours bei uns ganzeKontingente bis kurz vor dem jeweiligen Anreisedatum geblockt. In diesem Zeitraum hatten wir auf die Zimmer keinen Zugriff. Mit den OTAs und der Digitalisierung hat sich das geändert. Über ein Channel-Management- System können wir Zimmer freischalten oder sper- ren. Ein Revenue-Management-System macht es möglich, Preise selbst festzulegen und diese sogar bis zudreimal täglich zu ändern.Mit denReiseveranstal- ternhattenwir Verträge, andiewir gebundenwaren. Last-Minute-Angebote lassen sich online besser und vor allem kurzfristig verkaufen. Die Digitalisie- rung hat den Vorteil, dass wir jederzeit blitzschnell reagieren können. Natürlich zahlen wir Provisionen – in der Regel 15 bis 20 Prozent –, die allerdings erst beimVerkauf eines Zimmers fällig werden und nicht schonvorher. Etwa 25bis 30Prozent habenaber auch die Reiseveranstalter auf die Preise aufgeschlagen. Viele Online-Agenturen ermöglichen einen Querverkauf, sodass wir weitere Produkte wie Stadt- touren, Hafenrundfahrten und Hamburg CARD an- bieten können. Eine Kooperation mit Buchungspor- talen bringt also viele Vorteile. Besonders während der Corona-Zeit konnten Privathotels dank ihrer starken Online-Präsenz und neu gewonnener Busi- nesskunden eine noch einigermaßen stabile Auslas- tung erreichen. Allerdings sollte ein Hotel niemals seine Unabhängigkeit verlieren und eine gesunde Mischung aus Direkt- undOnline-Verkauf anstreben. Rabattewaren ein Irrweg Christina Block (48), Gesellschafterin Block Gruppe Die Hotellandschaft in Deutschland ist stark frag- mentiert und gekennzeichnet durch ein Überange- bot. Gerade für kleinere Hotels wird es immer schwieriger, potenzielle Gäste direkt zu erreichen. Aber anstatt in denDirektvertrieb zu investierenund die eigene Marke zu positionieren, haben sich Buchungsportale zwischen die Hotels und den Gast gedrängt und sich innerhalb kürzester Zeit als Vertriebskanal etabliert. Dass wir Hoteliers uns von den rabattierten Offerten der Buchungsportale haben verleiten lassen, ist ein Irrweg. Einen reduzierten Zimmer- preis wieder nach oben zu bekommen, ist schwer. Die Qualität der Dienstleistung und die Darstellung des Angebots bleiben bei den Buchungsportalen auf der Strecke. Der Verkauf derHotelzimmer erfolgt auf den Portalen ausschließlich über den Preis. Dabei stehen die Kosten für die erbrachte Leistung nicht im Verhältnis, denn teils verlangen die Buchungsportale bis zu 20 Prozent Provision auf den Zimmerpreis – was wiederum zulasten der Wirtschaftlichkeit geht. Ihre Daseinsberechtigung hätten die Portale ledig- lich als Adressbuch und Informationskanal, wenn der Gast nach dem Hotelangebot in der jeweiligen Stadt sucht. Der Ansprechpartner des Gastes muss dasHotel selbst sein. Es ist schließlich auch das Hotel vor Ort, das sich um die individuellen Wünsche des Gastes kümmert. Wenn der Gast vom Hotelzimmer aus etwas bestellt, dann ruft er beim Roomservice des Hotels an und nicht beimBuchungsportal. Hotels sindmehr als das Bett für die Nacht, sie bieten ein Gesamterlebnis, das aus vielen kleinen Details besteht. Diese besondere Vielfalt können Buchungsportale nicht abbilden, sondernnur dasHotel selbst. Hoteliersmüssenmehr Selbstbewusstsein beweisen, um Zimmerpreise durchzusetzen, die den Wert ihres Hotels ehrlich darstellen. Das bedeutet, dasswirHoteliers um jeden Gast, aber nicht um jedenPreis, kämpfenmüssen.

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