AUGUST/SEPTEMBER 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 38 FOTOS: ANDREAS SIBLER, MANFRED FREYE (BEIDE OTTO) „spielt sie eine Hauptrolle.“ Besser noch: ihr Wan- del. Denn die Grundlage moderner Unternehmens- kultur seien „Mindset und Miteinander, gegenseiti- ger Respekt, Empathie, Vertrauen“. Fast alles davon wirke sich positiv auf Betriebsabläufe aus – angefan- gen beimRecruitment. Echte Partizipation wird wichtiger Während einst viele um die raren Arbeitsplätze kämpften, konkurrieren inzwischen oft eher die Unternehmen um gut ausgebildete Angestellte. Zeitgenössische Führungskultur setzt daher schon im Einstellungsgespräch an, stellt qualifizierten Fachkräften folglich nicht nur ein gutes Gehalt, et- was Sinn, idealerweise gar berufliche Erfüllung in Aussicht. Es geht um wahrhaftige Partizipation – und das gilt längst nicht mehr nur für die „Start- ups“ in digitalenWachstumsmärktenmit ihren Bio- nade-Bars und Kicker-Tischen. Einfluss und Teilhabe, lebenslanges Lernen und gegenseitiges Vertrauen, fluide Organisation statt starrer Strukturen, also Bestätigung, Wert- schätzung, Anerkennung in Teilzeit, Gleitzeit und Freizeit werden bis tief in Handel und Handwerk hi- nein immer wichtiger. Das gilt etwa auch für die Iwan Budnikowsky GmbH & Co. KG. Vor 109 Jahren als Bandagen-Ge- schäft in Harburg eröffnet, bastelt die expandie- rende Drogeriekette seit Langem an der Corporate Identity eines Arbeitgebers von 3200 Menschen, die ein bisschen mehr sein sollen als Lohnempfänger. „ImRecruitment geht es zwar zunächst ums Gewin- nen guter Kräfte, weniger darum, sie zu halten“, räumt Budni-Personalleiter Garvin Vollmer ein. „Trotzdem glauben wir, dass erst Gemeinschaft für echteMitarbeiterbindung sorgt.“ Die Voll- und Teilzeitbeschäftigten in den 180 Filialen sollen sich also als Teil einer großen Familie fühlen – nicht nur wegen ihrer Gestaltungsmöglich- keiten, sondern mehr noch aufgrund kostenloser Anreize wie Betriebsfesten oder Regional- und Fili- alleitertreffen. Dazu gehört allerdings eine Kommunikations- struktur, die unmittelbar zur größten Herausforde- rung unserer bewegten Tage abseits vomKlimawan- del überleitet: Covid-19, der Pandemie, die für den vielleicht größten Digitalisierungsschub seit Erfin- dung des Internets sorgte. Grundversorger wie Budni schicken zwar na- turgemäß weniger Angestellte in Heimarbeit als an- dere Dienstleister. Doch viele von Vollmers Verwal- tungsangestellten haben sich im Lockdown daran gewöhnt, und es wurde technisch massiv aufgerüs- tet. Deshalb „wollen wir aber auch weiter Homeof- fice anbieten, um den Mitarbeitern ein Höchstmaß an Flexibilität zu bieten“, so der Personalleiter. Mehr Empathie ist gefragt Eine solche Praxis funktioniert selbstverständlich nicht von allein. „Da viele nonverbale Informatio- nen verloren gehen, wenn man sich nicht persön- lich trifft“, warnt Annette Dietz, „brauchen digitale Teams eine andere Art der Führung.“ Weniger Druck, mehr Empathie zum Beispiel. Denn mitun- ter sei der abrupte Wechsel ins Homeoffice eine Veränderung, die besonders bei digital weniger Er- fahrenen zu „Ängsten, Überforderung und Blocka- den führt“. Die Beraterin für Fachkräftesicherung am Deutschen Institut fürWirtschaft in Köln empfiehlt deshalb, auf jeden Fall genug Zeit und Mittel in das zu stecken, was sie „Vertrauenskultur“ nennt: den persönlichen Draht zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Katy Roewer, Otto­ Bereichsvorstand Human Resources Fünf Tage pro Woche werden künftig wohl nur noch wenige im Büro arbeiten. KATY ROEWER

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