Oktober / November

HAMBURGER WIRTSCHAFT 38 HISTORISCHES ERBE FOTOS STEFAN BUNGERT 2 , MICHAEL ZAPF Lebendiges Mittelalter Das Bewahren alter Geschichte dient nicht nur der Erinnerung, sondern auch die Wirt- schaft profitiert. Ein archäologischer Spaziergang durch die Frühzeit der Hansestadt. L eichen im Keller zu haben, zeugt selten von gu- ter Gesinnung. Es sei denn, die Leichen sind älter als der Keller selbst und wurden ord- nungsgemäß gemeldet. Wie vor acht Jahren, als bei Arbeiten unter der Handelskammer einige Skelette zutage traten. „Vermutlich waren es Nonnen, die im Kloster an gleicher Stelle begrabenwurden“, erinnert sich Dagmar Groothuis, damals Leiterin der Com- merzbibliothek und zuständig für das aufgegrabene Büchermagazin. Gern hätte sie den Fund dauerhaft am Adolphsplatz ausgestellt, „aber für einen Glas- boden ist es dort zu feucht“. So geschah, was in Ham- burg gang und gäbe ist, sobald Geschichte auf Gegen- wart trifft: „Registrieren, zuschütten, liegenlassen.“ Die Archäologie hat es eben schwer an einem Ort, der seit Hansezeiten alles Alte ungerührt durch Neues ersetzt. Schon Kunsthallen-Direktor Alfred Lichtwark (1852–1914) prägte den Begriff der „Freien und Abrissstadt“. Und auch 100 Jahre später, klagt Hamburgs oberster Archäologe Rainer-Maria Weiss beimOrtsbesuch, werde noch immer „alles demErd- boden gleichgemacht, was der Wirtschaft im Wege steht“. „Aber vorher“, fügt er hinzu, „dürfen wir noch die archäologische ,Kontamination‘ beseitigen.“ Relikte aus Hamburgs Frühzeit sind entspre- chend rar gesät: Der einzige Mittelalterfund, der un- mittelbar am Ort erhalten wurde, war lange Zeit der 1962 entdeckte Sockel des Bischofsturms aus dem 12. Jahrhundert amSpeersort. WenigeMeter weiter, auf demheutigen Domplatz, stand im8. Jahrhundert die Sensationsfund: Unter der Handelskammer wurden 2012 Überreste des Maria-Mag- dalenen-Klosters aus demHochmittelalter entdeckt – und die Skelette mehrerer Nonnen Vermessungsarbeiten: Zum Schutz der Ausgrabungen amHopfenmarkt dient ein provisorisches Zelt

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