Oktober/November 2021

KAMMER GESCHICHTE einer Verfassungsreform1712 allerdings garantiert er der künftigenKammer die unbefristete Existenz. Es ist ein Wendepunkt, der schon vier Jahre später einen richtungsweisenden Handelsvertrag mit Frankreich nach sich zieht und viel mit seiner Zeit an diesem Ort zu tun hat. „Weil die politische und ökonomische Führungsschicht in der frühen Neuzeit weitgehend deckungsgleich war“, be- schreibt Kathrin Enzel die Konsolidierung der Com- merzdeputation Anfang des 18. Jahrhunderts, „war Handel in Hamburg frühzeitig Politik und Politik Handel.“ Doch was heute nach Interessenskollision röche, ebnet damals den Weg vom Merkantilismus zur globalen Marktwirtschaft mit liberalem Grün- dergeist und pragmatischerWeltoffenheit. Seit 1735 können Hamburger Geschäftsleute mit Auslandskontakten in der Commerzbibliothek, heute die älteste Wirtschaftsbibliothek der Welt, ihre Reisen vorbereiten. Von Anfang an ist sie mit Atlanten, Hafenplänen, Seekarten und Reisebe- schreibungen ausgestattet. Als das erste Hamburger Handelsschiff 1783 die USA erreicht, folgt ein Wirtschaftsboom, der erst 23 Jahre später infolge der französischen Okkupation abrupt endet. Statt Waren und Güter verwaltet die Handelskammer nur noch Mangel und Elend. Umso mehr ist es ihr zu verdanken, wie rasant es nach Ab- zug der Grande Armée für die Freie Stadt im Deut- schen Bund aufwärts geht. Mit Geschick beseitigt sie Handelshemmnisse, ebnet Niederlassungen in aller Welt denWeg und fördert denAufschwung daheim. Nachdem die Elbmetropole bereits im Besitz von Girobank und Börse war, verhilft ihr die Han- delskammer, wie das Haus von 1867 heißen wird, zumFreihafen und lässt regelmäßig die Elbe ausbag- gern. Sie fördert Buchdruck, Bildung, Bürgersinn und macht Hamburg zur nordeuropäischen Herz- kammer der Aufklärung. Jahrhunderte vor demSie- geszug der zivilgesellschaftlichenDemokratie gedei- hen hier nicht nur Kunst und Kultur, sondern auch Religions-, Rede- und Gewerbefreiheit bis hin zum Kampf der Handelskammer gegen die Sklaverei. Dank bilateraler Handels- oder Zollabkommen sind Hamburgs Kaufleute Mitte des 19. Jahrhun- derts, als die Neue Börse samt Handelskammer am Adolphsplatz entsteht, daheim und weltweit erfolg- reich. In dieser noblen Lage ist das Gebäude für alle sichtbar. Wenngleich auch im negativen Sinne, denn als Bismarcks Kaiserreich 1871 sein Stück vom Kuchen des Kolonialismus will, spielen viele Händ- ler unrühmliche Rollen. Eine Haltung, die sich im Nationalsozialismus fortsetzt. Gleich der erste Nachkriegs-Präses, Albert Schä- fer, knüpft Auslandskontakte mit Vertretungen von Stockholmüber Rombis hin nach Zürich. AmHandel soll die Hansestadt auch dieses Mal genesen. Schließ- lich sei sie „wegen des wirtschaftlichen Fortschritts jahrhundertelang gut durch Krisen und Kriege ge- kommen“, so Enzel. Trotz Dependancen bis nach Russland und China aber versteht sich die Kammer auch als Dienstleister der eigenen Mitglieder. Gut 170000 sind es 2021, ob Konzern oder Start-up, Kette oderLaden. 170000Bausteine einer traditionellenwie progressiven, mal streitbaren, mal besonnenen, meist hochmobilen InstitutionnamensHandelskammer. JAN FREITAG redaktion@hamburger-wirtschaft.de Design - Bau - Service Gewerbeimmobilien System mit GOLDBECK Niederlassung Hamburg Fuhlsbüttler Straße 29a, 22305 Hamburg Tel. +49 40 713761-0, hamburg@goldbeck.de building excellence goldbeck.de

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