Dezember 2020 / Januar 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 32 PERSÖNLICH HANS H. HAMER Technologie wird der mit Abstand wichtigste Schlüsselfaktor für die Mobilität von morgen sein. Autos gelten ja bereits als das Smartphone auf Rä- dern. Autonomes Fahren, Car-to-Car-Kommunika- tion und Informationsaustausch zwischen Fahrzeu- gen und Infrastruktur wie Ampeln, all das wird ein entscheidender Faktor sein. Um die Hamburger Klimaziele zu erreichen, gibt es Forderungen nach einer drastischen Reduzie­ rung des Individualverkehrs. Wie sehen Sie das? Umdie Ziele zu erreichen, ist es zuerst einmal wich- tig, branchen- und industrieübergreifend zu agie- ren. Man muss die verschiedenen Maßnahmen auf ihren Wirkungsgrad hin beurteilen, um dann ge- zielt zu steuern und sich nicht einen Baustein her- auszusuchen. Das Thema muss ganzheitlich be- trachtet werden. Der Begriff Individualverkehr sollte zudem präzisiert werden: Was ist denn genau damit gemeint? Klassische Verbrennungsmotoren, Hybridantriebe und/oder auch emissionsfreie E- Mobilität und Wasserstoffantriebe? Letztere drän- gen verstärkt in den Markt und bieten eine saubere, nachhaltige und alternative Möglichkeit der Fortbe- wegung. Der Senat ist gefordert, das Erreichen defi- nierter Klimaziele sicherzustellen, aber nicht nur durch Normen und Regelungen, sondern auch durch das Schaffen von Anreizsystemen und durch die aktive Gestaltung des öffentlichen Raumes. Die Gestaltung des öffentlichen Raumes ist na­ türlich konfliktträchtig. So gilt die Erreichbar­ keit mit dem eigenen Pkw für den Handel weiter als existienziell, während Studien immer wieder erweisen, dass autofreie Bereiche den Handel eher fördern. Wie stehen Sie dazu? Fußgängerzonen in Innenstadtlage sind eine Berei- cherung für die Bewohner und den Handel und stei- gern die Lebensqualität, das kennen wir ja auch aus anderen europäischen Städten wie London, Paris, Stockholm, Kopenhagen. Projekte wie der autofreie Jungfernstieg sind essenziell undhelfen, die Lebens- qualität in der Stadt zu steigern. Aber gleichzeitig muss auch eine Lösung für die davon betroffenen Geschäfte gefunden werden, zum Beispiel für die Anlieferung von Waren. Es muss immer auch den Bedürfnissen des Handels Rechnung getragen wer- den. Die Kunden müssen Fußgängerzonen und die Geschäfte gut erreichen können, zumBeispiel durch Parkhäuser, aber eben auch Shuttle-Dienste und den ÖPNV. Dabei dürfenwir auch dieMenschen aus dem Umland nicht vergessen, die zum Einkaufen in die Innenstadt kommen und von denen der Handel pro- fitiert. Auch über Lösungen für diese Zielgruppe müsste noch einmal nachgedacht werden. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo steigt immer radikaler in den Umbau des Verkehrssys­ tems ihrer Stadt ein – und ist dafür jüngst sogar wiedergewählt worden. Sind die Menschen be­ reit für eine tiefgreifende Mobilitätswende? Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass Paris eine besondere Stellung einnimmt. Die Stadt steht doch seit Jahren vor dem Verkehrskollaps. Generell glaube ich, egal ob Paris oder Hamburg: Die Men- schen sind bereit für Veränderungen in ihrem Mo- bilitätsverhalten, aber es muss für sie sinnvoll und nachvollziehbar sein und idealerweise auch einen Mehrwert bieten. Das kann zum Beispiel eine er- höhte Lebensqualität sein. Wer auf dem Land oder im Umland mit schlechter Verkehrsinfrastruktur wohnt, aber zum Arbeiten in die Stadt muss, der wird nur schwer auf sein Auto verzichten können. Hier muss das Ziel sein, sich möglichst schadstoff-

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