AUGUST/SEPTEMBER 2021

WWW.HK24.DE 31 es ja so wichtig, dass das Gebäude Anziehungskraft hat. Und Dinge anbietet, auf die man ganz einfach Lust hat oder die es zu Hause nicht gibt. In unserem HafenCity-Gebäude, dem „NewWork Harbour“, wie wir ihn nennen, befindet sich zum Beispiel eine Kiezkneipe. Oder ein Zimmer weit oben, in dem man mit Blick auf die Elbe Schallplatten auflegen undMusik hören kann. Es gibt sogar einen Raum, in dem nicht gearbeitet werden darf, um Ruhe und Kontemplation zu finden. Sie haben die CEO-Rolle Ende Mai 2020 aus dem Homeoffice heraus übernommen. Fühlte sich das nach surrealemManagement an? Manchmal fühlte sich der Lockdown tatsächlich surreal an, denn ich bin ein bekennender Fan physi- scher Meetings. Dann fließt eine ganz andere Ener- gie, als es über kleine Bildschirmkacheln möglich ist. Ich hatte das große Glück, dass ich bereits im Ja- nuar angefangen und eine Kennenlerntour hinter mir hatte. Das hat auf jeden Fall geholfen. Fanden Sie es persönlich schwierig, Entschei- dungen für 1900 Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter aus demHomeoffice heraus zu treffen? Zu entscheiden, war kein Problem. Die Herausforde- rung liegt bei denThemenKommunikation und Füh- rung. Dafür muss man Nähe aufbauen. Gerade dann, wenn man die Person noch nicht gut kennt. Viele Dinge, die sich Führungskräfte über die Jahre als Stil angeeignet haben, funktionieren „remote“ anders. Man muss mehr erklären, noch mehr kommunizie- ren, die Leute auch emotional erreichen, und das via Bildschirm. Unternehmenskultur imHomeOffice zu leben, ist eine riesige Herausforderung. Wie halten Sie Menschen zusammen, die alle für sich – teils ver- einsamt, teils privat überlastet – zuHause sitzen? Ein Drittel der Unternehmen, so eine aktuelle Umfrage, möchte nach dem Ende der Pandemie kein Homeoffice mehr anbieten. Wer das plant, begeht einen großen Fehler. Die Ar- beitnehmer werden sich das Homeoffice nicht mehr wegnehmen lassen. Sie können als Firma na- türlich so entscheiden – nur laufen Ihnen dann die Talente weg. Für die meisten Leute ist eine Mi- schung aus Homeoffice und Büro das, was sie wol- len. Das sehen wir auf unseren Plattformen, wir hö- ren es von unseren Usern und Mitgliedern. Beide Arbeitsformenweisen Vorteile auf. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Themen im Personalmanagement der nächsten Jahre? Der Fachkräftemangel ist das größte Thema: Die Demografie lügt nicht. Firmen werden sich hände- → ringend um Talente bemühen. Und weil „Remote Work“ immer normaler wird, konkurrieren nicht nur deutsche Firmen um diese Talente, sondern sie können von überall auf der Welt aus rekrutiert wer- den. Der Wettbewerbsdruck bei der Suche nach Ar- beitskräften steigt dadurch zusätzlich enorm. Das andere wichtige Thema ist Digitalisierung. Eine ak- tuelle Studie sagt, dass sich knapp die Hälfte der Jobs in den nächsten zehn Jahren dramatisch ver- ändernwerden. Es entstehen neue Berufsbilder, die einen enormen Aus- und Weiterbildungsbedarf zur Folge haben. Denmüssenwir unternehmerisch und gesellschaftlich stemmen. Viele Forscher glauben, dass durch Digitalisie- rung und Künstliche Intelligenz viele Berufe ganz wegfallen. Auch im Bereich der Wissens- arbeit. Wie sehen Sie das? Ich sehe das anders und glaube, dass eher der ner- vige Teil des Jobs, den beispielsweise Juristen, Ärzte, Journalisten oder Manager heute noch selbst erledigen müssen, durch KI übernommen wird. Man wird weniger Zeit für Recherche benötigen und kommt schneller zum relevanten Kern der Ar- beit, bei dem es um Einschätzen, Bewerten → PETRA VON STROMBECK Die Betriebswirtin Petra von Strom- beck, 52, war unter anderem bei Danone, dem Sky-Vorgänger Premiere, Tchibo und als Vorstands- mitglied von Tipp24 tätig. Nach sieben Jahren als Vorstandschefin bei Lotto24 über- nahm sie Ende Mai 2020 die Leitung der NewWork SE. Sie ist Mutter von zwei Kindern. PERSÖNLICH PETRA VON STROMBECK

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