Dezember 2021/Januar 2022

Kunstmann an eine Hochsaison, der Corona 2020 zwar das „B2B“ genannte Geschäft mit professionel- ler Kundschaft verhagelte. Die gestiegene Privat- nachfrage allerdings verwandelte dasMinus bei ihm in satte 20 Prozent Plus. So einen Sprung hatte das Kind eines italienischen Eisverkäufers, der die deutschen Winter schon im Jahr 1978 mit dem Ver- kauf von Weihnachtsbäumen überbrückte, in 16 Jahren Selbstständigkeit noch nicht erlebt. Weil Märkte, Feiern, Shops, der Dom wohl so festlich dekorieren wie 2019, rechnet der Groß- händler aus Barmbek mit maximal zehn Prozent weniger Absatz als im rekordverdächtigen Vorjahr. Und dank desmeteorologisch stressfreien Sommers ist neben dem Preisniveau auch der Nachschub ge­ sichert – wenngleich nur selten aus örtlicher Pro- duktion. Wie für Metropolen üblich, fehlt Hamburg schlicht der Platz zum Anbau. Dass seine Tannen „allesamt Platt schnacken“, wie Gianni Kunstmann stellvertretend für viele Verkäufer betont, liegt da- her amSpeckgürtel. Mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein befinden sich gleich zwei der drei bundesweit größ- ten Weihnachtsbaumgebiete nahe der Stadtgrenze. Auch Dänemark ist als wichtigster Exporteur nicht weit. Rund 50 Plantagen mit mehr als 3000 Hektar Fläche zählt Verbandschef Bernd Oelkers allein zwischen Stade und Geesthacht, die ihreMeterware überwiegend direkt in Hamburg vermarkten. Aber heimische Hölzer? „Die gibt’s höchstens mal in den Stadtforsten.“ ZumBeispiel imKlövensteen. Auf zwei Flächen im Bezirk Altona lässt Nils Fischer Bäume schlagen. „Jeweils 300“, schätzt der Revierförster, „ein absolutes Nischengeschäft.“ Das es zudem nur gibt, weil seine Azubis dort entspre- chende Anbaumethoden erlernen. Immerhin: „Alles FSC-zertifiziert, also absolut nachhaltig“, er- klärt der Lehrherr. Bei zu vielen Weihnachtsbäu- men sei das anders, klagt die „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“: „Der überwiegende Teil stammt aus Plantagen mit starkem Pestizideinsatz, um un- erwünschte Gräser und Insekten kurzzuhalten.“ Auch Bernd Oelkers handhabt das nach eige- nem Bekunden anders: Pestizide kämen bei ihm schon lange nicht mehr zum Einsatz. Bei Fungi­ Die Aufzucht vonWeihnachtsbäumen dauert in der Regel etwa acht bis zwölf Jahre ziden oder Insektiziden liege der Einsatz etwa drei Viertel unter demjenigen herkömmlicher Kultur- pflanzen. „Unser Produkt ist heutzutage nahezu rückstandsfrei“, beteuert er. Und obendrein ein Klimagasspeicher. In acht bis zwölf Jahren Auf- zucht würden die Bäume schließlich so viel Kohlen- stoff binden wie andere Waldgewächse und nach Gebrauch zu Spänen verarbeitet. Ein Großteil der durchschnittlich 1000 Tonnen abgeschmückter Bäume, die Hamburgs Stadtrei­ nigung Anfang Januar abholt, wird zu Mulch oder Wärme verarbeitet. Beides ist von Nutzen: Ersteres zur Auflockerung organischer Abfälle, Zweiteres in Form von Biogas – hinzu kommen gesiebte Nadeln als Dünger für Blaubeerfelder. Besser als Plastik- bäume aus China, befinden selbst Umweltverbände, sind natürliche Lokalprodukte somit allemal. Und für die Stadt ein echterWirtschaftsfaktor. JAN FREITAG redaktion@hamburger-wirtschaft.de Anbau Laut Umweltorgani- sation RobinWood stammen die meisten der rund 28Millionen Weihnachtsbäume in Deutschland aus Monokulturen und etwa 15 Prozent aus Waldbetrieben. Weitere zehn Prozent exportieren Länder wie Dänemark und Polen. Weniger als ein Prozent werden kontrolliert ökolo- gisch erzeugt und sind für das FSC- Zertifikat des Forest Stewardship Council geeignet. Entsorgung Bis Mitte Januar holt die Stadtreinigung Weihnachtsbäume ab, unterstützt von Feuerwehr und Sperrmüll. 2021 waren es 1400 Tonnen, gut 400 Tonnenmehr als 2020. Das meiste wird zu Strukturma- terial geschreddert oder verbrannt. WEIHNACHTS BÄUME

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