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hamburger

wirtschaft

02/2016

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Ti t e l

D

ass Hamburg eine weltoffene Stadt ist, kann

auch aufgrund zahlreicher Einwanderungs­

wellen in der Vergangenheit kaum geleugnet

werden. Viele Zugewanderte haben sich für die

Hansestadt als Wahlheimat entschieden, sind

geblieben und haben sich eine Existenz aufge­

baut. Aktuell leben hier über eine halbe Milli­

on Menschen mit Migrationshintergrund. Das

entspricht einem Bevölkerungsanteil von circa

30 Prozent, was signifikant über dem Bundes­

durchschnitt von knapp 20 Prozent liegt.

Auch in der Unternehmenslandschaft spie­

gelt sich das wider: Die

Handelskammer hat

gut 20000 Mitglieds­

unternehmen – dabei

handelt es sich um

Kleingewerbetreibende

sowie Gesellschaften bürgerlichen Rechts –,

deren Geschäftsführer im Besitz eines auslän­

dischen Passes sind. Die meisten dieser Unter­

nehmer, nämlich rund 5800, haben polnische

Pässe. An zweiter Stelle folgt die Türkei mit

rund 2100 Unternehmen und an dritter Stelle

liegt Bulgarien mit etwa 1800 Firmen.

„Hamburg ist multikulturell und daher für

Personen mit Migrationshintergrund ein at­

traktiver Gründungsstandort“, sagt Massud

Rahimi, der bereits mehrere Unternehmen in

der Hansestadt gegründet hat. Der gebürtige

Afghane ist seit 1991 in Deutschland und hat

sich 2012 den Traum von der Selbstständigkeit

erfüllt: Seine Mosaic Outlet GmbH vertreibt

unterschiedlichste Fliesen und Mosaike.

Auch Federico Breitung schätzt die Offen­

heit der Hansestadt. „Hamburg ist ein sehr

guter Standort für migrantische Unternehmen,

da hier sehr viele Menschen mit Migrations­

hintergrund leben und die Stadt mit ihrem

Hafen für Im- und Exportgeschäfte sehr geeig­

net ist.“ Der gebürtige Argentinier kann dieses

Jahr bereits das zehnjährige Bestehen seiner

Firma Surimex feiern, einem Groß- und Einzel­

handel für Lebensmittel aus Lateinamerika.

Schaut man sich die Bezirke an, in denen

sich migrantische Unternehmer niedergelas­

sen haben, so stellt man eine starke Konzen­

tration fest. Die mit Abstand meisten – rund

6 200 – migrantischen Unternehmen haben

sich im Bezirk Mitte angesiedelt. Danach fol­

gen Wandsbek mit 3 300 und Hamburg-Nord

mit rund 2400 migrantischen Unternehmen.

Auch auf Stadtteilebene ist eine starke Kon­

zentration zu beobachten. Hier sind Hammer­

brook (etwa 1 200), Billstedt (1100) und Wil­

helmsburg (1000) die Top drei unter den 104

Hamburger Stadtteilen.

Bezieht man sich auf die weiter gefasste

Definition für das Merkmal „Migrationshinter­

grund“ des Statistischen Bundesamts, dann

dürften die genannten Zahlen noch deutlich

höher ausfallen. Das Bundesamt stuft nämlich

als Migranten auch eingebürgerte Personen

und all diejenigen ein, die selbst in Deutsch­

land geboren sind, bei denen aber mindestens

ein Elternteil migrantisch ist.

Doch was genau macht diese sogenannten

migrantischen Unternehmen nun aus? Die

Frage, wie ein migrantisches Unternehmen

zu definieren ist, ist alles andere als leicht zu

beantworten. Fakt ist, dass das Bild des mi­

grantischen Klischee-Selbstständigen nicht

(mehr) zutreffend ist.

So kann beispielswei-

se festgestellt werden,

dass mittlerweile ein

nennenswerter Anteil

der migrantischen Un­

ternehmen seine Umsätze mit wissensinten­

siven Dienstleistungen erwirtschaftet, wie eine

Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung

wissenschaftlich belegt hat.

Das Statistische Bundesamt liefert mit sei­

ner Definition für das Merkmal „Migrations­

hintergrund“ zwar einen ersten Ansatz. Der ist

aber für Beratungszwecke häufig wenig prak­

tikabel. Denn es kommt durchaus vor, dass sich

Unternehmer selbst nicht als „migrantisch“ be­

trachten, obwohl mindestens ein Elternteil im

Ausland geboren ist – so, wie es die Definition

unter anderem vorsieht.

Mohammad Sobeir Malikzada zum Beispiel

lebt bereits seit 22 Jahren in Deutschland und

sieht sich selbst deshalb nicht als typischen

migrantischen Unternehmer an. Und dennoch

profitiert er im beruflichen Alltag von seinem

kulturellen Hintergrund. „Da 50 Prozent mei­

ner Kunden Ausländer sind, setze ich meine

sprachlichen und kulturellen Kenntnisse regel­

mäßig ein“, erzählt der gebürtige Afghane.

Über sein Unternehmen Soma Carpets vertreibt

er unter anderem Teppiche, PVC, Laminat und

Kunstrasen.

Beim Umgang mit dem Thema ist es daher

pragmatischer, genauer hinzuschauen und

typische Schwächen migrantischer Unterneh­

men zu identifizieren. Dazu gehören insbeson­

dere Sprachbarrieren, mangelnde Kenntnisse

über das deutsche Behörden- und Rechtssys­

tem oder aber Probleme im kaufmännischen

Bereich. „In der Anfangsphase meiner Selbst­

ständigkeit stellten mangelnde Kenntnisse der

deutschen Sprache und des Behördensystems

große Herausforderungen dar“, gibt auch der

Argentinier Federico Breitung zu. Auch bran­

chenspezifisches Wissen, wie zum Beispiel die

Verpackungsrichtlinien, war für ihn anfangs

eine große Hürde.

Fotos: Stefan Malzkorn

Jede sechste Gründung hierzulande

ist auf einen Menschen mit

Migrationshintergrund zurückzuführen

Schätzt Hamburg als multikulturelle Stadt: Der gebürtige Afghane Massud Rahimi hat den

Fliesenfachhandel Mosaic Outlet gegründet