JUNI/JULI 2021

WWW.HK24.DE 21 ZUKUNFTS STRATEGIEN FOTOS: STEFAN BUNGERT → RALF DÜMMEL (54) begann 1988 im Familienunter- nehmen DS Pro- dukte in Stapelfeld als Verkaufs- assistent des Geschäftsführers und Gründers Dieter Schwarz. Seit 1996 ist er geschäftsführen- der Gesellschafter, außerdem Investor in der VOX-Grün- dershow „Die Höhle der Löwen“. MALTE HEYNE (41) studierte in Bamberg und Bremen Volkswirt- schaft. 2007 startete er als Referent bei der Handelskammer Hamburg, war ab 2014 sechseinhalb Jahre Geschäfts- führer der IHK Nord und ist seit August 2020 Hauptgeschäfts- führer der Handelskammer. Dümmel: Der stationäre Handel wird sich bis dahin ganz viel einfallen lassenmüssen. Er muss innovativer werden und uns einen Grund geben, ihn aufzusuchen. Beispiel Reisebüros: Meine Eltern gehen immer noch dorthin, weil sie beraten werden; meine Söhne wissen gar nicht, dass es Reisebüros gibt. Die gehen online und schauen nach den Bewertungen. Da müssen die Anbieter kreativ sein: In Zukunft geht man vielleicht amReisebüro vorbei und siehst auf einemBildschirm, dass die Lieblingskünstler:in demnächst auf Ibiza auf- tritt unddassFlügedorthinumzehnProzent reduziert sind. Das Konzertticket kann man bei der Gelegenheit gleichmitbestellen. Hier ist Einfallsreichtumgefragt! Heyne: Das glaube ich auch. Ich bin davon überzeugt, dass derHandel auch 2040 einwesentlicher Faktor für die Lebensqualität am Standort sein wird. Aber das komplette Warenwirtschaftssystem wird sich anpas- sen. Auf Lieferungen per Drohne zumBeispiel werden wir nicht bis 2040 warten müssen, das wird wahr- scheinlich schon in fünf JahrenStandard sein. Von meinem ersten Chef in der Handelskammer habe ich mal diesen alten Schnack gehört: „Einzelhändler handeln einzeln.“ Das muss überwunden werden; die müssen wirklich zusammenarbeiten, auch wenn sie vielleichtWettbewerber sind. Denkbar ist, dass ichmir beim Besuch verschiedener Läden alle Produkte aus- suchen kann, die dann eingesammelt und etwa von ei- ner Drohne oder einem Lastenfahrrad per „Same Day Delivery“ nach Hause geliefert werden. Oder bei klei- neren Einkäufen werden mir die Produkte kurz vorm Heimweg an die U-Bahn-Station gebracht. Darin liegt eine große Chance, dafür braucht es aber auch einen gewissenKulturwandel imEinzelhandel. Dümmel: Der stationäre Handel muss mit seinen Vorteilen punkten. Es wird immer noch Menschen wie mich geben, die nicht so viel auf den Bildschirm gucken wollen. Ich möchte mit Menschen reden; ich mag das Persönliche, die Beratung. Und das muss der Handel ebenweiterhin gut nutzen. Bei der Digitalisie- rung darf dieMenschlichkeit nicht verloren gehen. Heyne: Nebender Beratung sind ja auchErfahrenund Schmecken wichtige Aspekte, die nur der stationäre Handel bieten kann, gerade im Food-Bereich – etwa per Wein-, Whisky- oder Kaffee-Tastings. Das kann man auchmit kleinenVeranstaltungen verbinden. Die Vernetzung der Händler hat durch Corona stark an Fahrt aufgenommen. Gibt es durch die Pandemie andere Lernerfahrungen, die imHandel auch in normalen Zeiten fortbestehen werden? Heyne: Eine Offenheit für neue Technologien, die sich aber noch erhöhen muss. Beispiel 3-D-Druck. Wenn sich diese Technologie so rasant entwickelt, haben wir in 10, 15 Jahren alle einen kleinen 3-D-Dru- cker zu Hause, mit dem gewisse Produkte sofort ge- Der alte Schnack ‚Einzelhändler handeln einzeln’ muss überwunden werden. Zusammenarbeit ist gefragt! MALTE HEYNE printet werden können – etwa der Sportschuh, der zu Hause individuell hergestellt wird, nach meinen Maßstäben, mit meiner Farbe, in meiner Größe, mit meinen Spezialeinlagen. Vielleicht muss der Handel in diesem Bereich mit Daten handeln und gar nicht mehrmit den konkreten Produkten. In diese Richtung geht auch das Thema „Customized Product“, bei dem Produkte ganz auf das individuelle Kundenbedürfnis zugeschnittenwerden. Das kannein Wein sein, bei dem dir der Händler deine persönliche Cuvée zusammenmixt. Ich bin im Beispielfall zwar noch ein bisschen skeptisch; aber ich bin sicher, dass sich indiesenFelderneine ganzeMenge tunwird. Da wir gerade von spannenden Produktideen sprechen: Welche Trends sehen Sie imMoment? Dümmel: DiezweiHighlights sind imMomentdefinitiv gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit. Beides sind Riesentrends. Daran arbeiten auch Start-ups: Wie kann ich vorhandene Themen nachhaltiger gestalten? Das kommt nicht nur uns, sondern auch unseren Nachkommenzugute. Ichstelleda auchbei denPitches in„DieHöhlederLöwen“ eine starkeTendenz fest. Ihre Firma DS Produkte soll selbst durchschnitt- lich ein neues Produkt pro Werktag entwi- Kleine Lockerungsübung der Gesprächspartner im Showroom von DS Produkte: „Beer Pong“ ohne Bier

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