HAMBURGER WIRTSCHAFT 08 / 16
IM FOKUS
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FINANZPLATZ HAMBURG
ILLUSTRATION: FREDERIK JURK /SEPIA
Gemeinsam in die
digitale Zukunft
Miteinander statt entweder – oder: Wie FinTechs und etablierte
Finanzinstitute den digitalen Wandel erfolgreich gestalten können, zeigt der
Finanzplatz Hamburg e. V. in einem Thesenpapier auf.
W
ie an anderen Finanzplätzen
auch sind die Unternehmen der
Branche in Hamburg nicht nur
durch die Niedrigzinspolitik und immer
neue regulatorische Vorgaben gefordert,
sondern mindestens genauso durch die
Digitalisierung. Klar ist: Der digitale Wan-
del steht zwar noch am Anfang, ist aber
unaufhaltsam. Alles, was digitalisiert wer-
den kann, wird auch digitalisiert werden.
Das Tempo ist hoch; die mittel- bis lang-
fristigen Auswirkungen sind unklar.
Trotz der Begeisterung für neue tech-
nische Möglichkeiten und mit Blick auf
den Drang einiger Unternehmen, mög-
lichst schnell „dabei sein“ zu wollen, soll-
ten sie das Entscheidende jedoch nicht
aus den Augen verlieren: Nach wie vor
sind es Menschen, die Finanzdienstleis-
tungen nachfragen.
Ob sie nun neuartig sind, Prozesse
vereinfachen und schneller machen oder
Kosten senken: Digitale Angebote müs-
sen immer einen Nutzen für Kunden und
Mitarbeiter haben. Die neuen Lösungen
müssten zudem „zu Ende gedacht wer-
den“, heißt es in einem Thesenpapier des
Finanzplatz Hamburg e. V.
Der Verein befasst sich seit 2014 in-
tensiv mit dem digitalen Wandel und sei-
nen Auswirkungen auf die Finanzwirt-
schaft. Dabei gab es auch einen engen
Austausch mit Vertretern anderer Bran-
chen, insbesondere aus der IT- und Me
dienwirtschaft.
In dem Papier wird des Weiteren da
rauf hingewiesen, dass sich digitale Lö-
sungen häufig noch auf kundenfreund
liche Front-Ends beschränken, vor allem
bei Angeboten für Endkunden. Wichtiger
seien allerdings die dahinterstehenden
Prozesse. Doch um diese erfolgreich än-
dern zu können, sind oftmals organisa
torische Veränderungen in den Unterneh-
men nötig. Denn das tradierte Denken in
Geschäftsbereichen und Zuständigkeiten
wirkt sich eher hemmend auf Innovatio-
nen aus und kann zu Reibungsverlusten
sowie suboptimalen Resultaten führen.
Ein zentraler Erfolgsfaktor liegt in
der intelligenten Verzahnung von Online-
und Offlineangeboten, um auch den digi-
tal geprägten, anspruchsvollen Kunden zu
erreichen. Im Gegensatz zu älteren Kun-
den ist er Institutionen gegenüber kaum
loyal. Stattdessen zeichnet er sich – unter
anderem durch das Informationsangebot
im Internet – durch ein hohes Maß an Un-
abhängigkeit aus.
Gleichwohl, so die These des Vereins,
kann eine Chance für Kunden und Mit
arbeiter von Finanzunternehmen in der
Renaissance der Beratung liegen. Schließ-
lich ist trotz der Digitalisierung bei vielen
Themen auch künftig die Expertise und
Beratung eines „echten“ Menschen erfor-
derlich oder gewünscht.
Der Finanzplatz Hamburg e. V. erwar-
tet außerdem, dass sich die FinTechs und
etablierte Finanzinstitute durch Koopera-
tionen annähern werden – getreu der De-
vise „Miteinander statt entweder – oder“.
Denn beide Seiten haben ihre Stärken in
unterschiedlichen Bereichen und könn-
ten so voneinander profitieren.
Während FinTechs oft besser in der
Gestaltung kundenorientierter Prozesse
und Schnittstellen, der Auswertung von
Daten und der gezielten Kundenanspra-
che sind, haben etablierte Finanzinstitute
Vorteile im Umgang mit regulatorischen
Vorgaben, im Datenschutz sowie in der
Vielfalt ihrer Leistungen. Zudem haben
sie einen großen Kundenstamm.
Jörn Le Cerf
joern.lecerf@hk24.deTelefon 36138-360
Der im Zusammenhang mit dem digi-
talen Wandel viel zitierten Redewendung
„Banking is necessary, banks are not“ wi-
derspricht der Verein. „Die Digitalisierung
macht Finanzintermediäre nicht überflüs-
sig. Es werden sich zwar die Formen der
Kommunikation und die technische Ab-
wicklung ändern, aber ein funktionsfähi-
ges Finanzsystem kann nicht Program-
mierern und Algorithmen überlassen
werden“, sagt Harald Vogelsang, Vorsit-
zender des Finanzplatz Hamburg e. V. „Es
braucht weiterhin ordnende Akteure, die
Risiken übernehmen und Verantwortung
tragen.“
Doch trotz der drängenden Heraus-
forderungen der Digitalisierung dürften
die Akteure der Finanzwirtschaft eines
nicht vergessen: Die Akzeptanz der Bran-
che basiert auf dem Vertrauen der Kun-
den. Dieses Vertrauen hat in den letzten
Jahren allerdings Schaden genommen
und muss nun zurückgewonnen werden.
Die Finanzdienstleister müssten deshalb
mehr denn je den Kunden in den Mittel-
punkt stellen, heißt es im Thesenpapier
des Finanzplatz Hamburg e. V.
Informationen
In einem Thesenpapier hat der Finanzplatz
Hamburg e.V. Denkanstöße zur Digitalisierung
in der Finanzwirtschaft gegeben. Die Thesen
sind hervorgegangen aus einer Konferenz,
bei der Unternehmen aus der Finanzbranche
gemeinsam mit Vertretern der IT- und Medien-
branche, aus dem Handel sowie aus Verbän-
den und Institutionen darüber diskutiert haben,
wie die Finanzbranche künftig aussehen wird.
Weitere Informationen dazu sind abrufbar unter
www.finanzplatz-hamburg.comWIR
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