HAMBURGER WIRTSCHAFT 08/ 16
IM FOKUS
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FINANZPLATZ HAMBURG
Die Kreditversorgung der Hamburger Wirtschaft ist so gut wie lange nicht.
Dennoch werden alternative Finanzierungsinstrumente beliebter.
W
ir schreiben das Jahr
2009: Auf den Zu-
sammenbruch der
US-Bank Lehman Brothers im
September 2008 folgt ein dra-
matischer Einbruch des Brut-
toinlandsprodukts. Für die
international stark vernetzte
Hamburger Wirtschaft wie-
gen die Folgen der Finanzkri-
se schwer. Die Sorge vor einer
Kreditklemme wächst.
Um sich ein Bild von
der Situation in der Stadt
zu machen und eventuelle
Handlungsbedarfe abzuleiten,
befragt die Handelskammer für
ein Kreditbarometer erstmals Hambur-
ger Firmen. Das Ergebnis deutet auf einen
erschwerten Zugang zu Betriebsmittel-
und Investitionskrediten sowie auf stren-
gere Finanzierungskonditionen hin.
Dennoch hat sich die Kreditversor-
gung als erstaunlich robust erwiesen. Sta-
bilisierend wirkte vor allem das Drei-Säu-
len-System der deutschen Kreditwirtschaft
– bestehend aus Sparkassen und öffent-
lich-rechtlichen Banken, den Genossen-
schaftsbanken sowie privaten Instituten.
Sieben Jahre nach dem Höhepunkt
der Krise ist die hiesige Wirtschaft in ei-
ner außerordentlich guten Verfassung;
die Beschäftigungszahlen sind auf ein Re-
kordniveau gestiegen. Geblieben ist eine
umfassende Regulierung der Banken und
Sparkassen – Stichwort Basel II und III –,
durch die Risiken begrenzt werden sollen.
Gleichzeitig erschweren sie aber die Kre-
ditvergabe an Gründer und junge Unter-
nehmen, da hier das Risiko eines Kredit-
ausfalls relativ hoch ist.
Indizien dafür liefert das aktuelle
Kreditbarometer. Zwar erreichen die Um-
frageergebnisse Spitzenwerte bei der Zu-
friedenheit mit der Fremdkapitalversor-
Internet
Das Kreditbarometer ist unter
www.hk24.de, Dokument-Nr. 54933abrufbar. Weitere Infor
mationen zum Thema Crowdfunding finden Sie
unter
www.crowdfunding-hamburg.deAndreas Müller
andreas.mueller@hk24.deTelefon 36138-503
ILLUSTRATION: FREDERIK JURK /SEPIA
gung in Hamburg. Doch ein relativ hoher
Anteil der Gründer sowie speziell der Un-
ternehmen in der IT- und Medienbranche
beantragt erst gar keinen Kredit. Zudem
sind kleinere Firmen deutlich weniger eu-
phorisch bei der Bewertung ihres Kredit-
zugangs als größere Betriebe.
Die Entwicklungen seit der Krise dürf-
ten auch einen Anteil am aktuellen Erfolg
alternativer Finanzierungsinstrumente wie
zum Beispiel dem Finetrading haben. Der
Finetrader fungiert als Zwischenhändler,
indem er Bestellungen binnen Skontofrist
bezahlt. Der Lieferant profitiert von einem
sofortigen Liquiditätseingang, der Kunde
von einer Verlängerung des Zahlungsziels
um bis zu 120 Tage.
Patrick Hartmann von der WCF Fine
trading GmbH sieht sich mit seinem An-
gebot allerdings nicht als Konkur-
renz zu Banken und Sparkassen.
„Wir bieten Finetrading als Ergän-
zung zur Kreditfinanzierung, etwa
um Saisonspitzen oder Sonderauf-
träge flexibel abzufedern und die fi-
nanzielle Belastung über einen länge-
ren Zeitraum zu strecken“, sagt er.
Eine weitere alternative Finanzie-
rungsform ist das Crowdinves-
ting. Dabei investieren viele
Anleger teils relativ kleine
Beträge in ein Projekt oder ein
Start-up. Das eingesammelte
Geld zählt bilanziell zum Eigen-
kapital. Und eine bessere Eigen
kapitalausstattung trägt wiederum
dazu bei, leichter an Fremdkapital zu
kommen. Insofern kann diese Form der
Schwarmfinanzierung eine sinnvolle Fi-
nanzierungsergänzung sein.
„Die privaten Banken stehen dieser
neuen Finanzierungsform aufgeschlossen
gegenüber“, betont Heiko Braband, Ge-
schäftsführer des Bankenverband Ham-
burg e. V. „Insbesondere bei Frühphasen-
finanzierungen für Start-ups kann es eine
gute Ergänzung sein.“ Gleichzeitig weist
er darauf hin, dass die überwiegend priva-
ten Geldgeber, die über Crowdinvesting-
Portale investieren, ein nicht unerhebli-
ches Risiko bis hin zum Totalverlust des
eingesetzten Kapitals übernehmen. „Auch
hier gilt die Regel, dass höhere Renditen
mit einem höheren Risiko einhergehen“,
gibt Braband zu bedenken.
Anders finanzieren