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FOTOS: STEFAN MALZKORN

E

lla Deck wirbelt den Tüll auf. Schicht

um Schicht, bis ein Meer aus wei-

ßem Stoff die junge, schwarzhaarige

Frau umhüllt. Fertig. Das war die vierte

und letzte Anprobe. Viel Spitze und ein

Rock wie bei einem Prinzessinnenkleid

zeichnen die Robe aus. Und die Braut? Ein

Strahlen breitet sich in ihrem Gesicht aus,

als sie in den Spiegel blickt. Ja, so will sie

vor den Traualtar treten.

Gänsehautmomente wie diesen erlebt

Deck jeden Tag, auch wenn sie für sie we-

niger überraschend kommen als für die

Bräute. „Wenn eine Frau den Laden betritt,

habe ich sie im Kopf schon eingekleidet“,

erzählt die Designerin. Mit ihren Kundin-

nen zeichnet sie Entwürfe fürs Kleid und

sucht die Stoffe aus. Und nach vielen Ar-

beitsstunden und Anproben hält die Braut

ihr Traumkleid in den Händen.

Um den schönsten Tag im Leben

dreht sich alles am Lehmweg. Es ist eine

Straße, in der sich Kleine-Mädchen-Träu-

me erfüllen. Denn Ella Deck ist nicht die

einzige, die dort Brautmode verkauft. Zwi-

schen Hoheluftchaussee und Eppendorfer

Landstraße ist auf 800 Metern die – wenn

man so will – Hochzeitsstraße Hamburgs

entstanden. Hier reihen sich fünf Braut-

modengeschäfte, zwei Tortenbäcker und

eine Keksmanufaktur sowie unzählige Fri-

seure und Kosmetikstudios aneinander.

Zwischenzeitlich war sogar ein Juwelier,

spezialisiert auf Trauringe, in der Straße

ansässig. Aber wie kam es dazu?

Begonnen hat alles vor 26 Jahren mit

Monika Litschewski. Nachdem sie zwei

Jahrzehnte lang Stewardess bei der Luft-

hansa war, wollte sie nicht mehr aus dem

Koffer leben und eröffnete 1990 das Ge-

schäft feminin am Lehmweg 52. Wenige

Meter weiter, im Haus mit der Nummer

49, gehört ihr mittlerweile zudem Men’s

HAMBURGER WIRTSCHAFT 08 / 16 

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Die Straße ins Glück

Vor der Hochzeit kommt der Stress. Unter anderem Brautkleid und Anzug müssen her.

Und welche Torte schmeckt wohl am besten? Eine Shoppingtour über den Lehmweg erleichtert

Heiratswilligen die Vorbereitung auf den schönsten Tag im Leben.

Fashion, wo sie Smokings, Hochzeitsan-

züge und Fracks verkauft und verleiht.

Bei feminin konzentrierte sie sich zu-

nächst auf Abendkleider und alternative

Brautkleider. Doch die Nachfrage nach

klassischen weißen Roben war groß und

so stellte Litschewski ihr Sortiment schon

bald um. Ihre Spezialität sind heute die

ganz großen Marken. Pronovias zum Bei-

spiel. Oder Rembo Styling. Auch Kleider

von Linea Raffaelli hat sie im Angebot.

Der Lehmweg liegt Monika Litschew-

ski am Herzen – und das hat nicht nur be-

rufliche Gründe: Seit 26 Jahren wohnt sie

nämlich auch über ihrem Laden. „Mehr

Eppendorf geht nicht“, sagt sie, „obwohl

wir hier in Hoheluft-Ost sind.“ Doch ge-

nau das Eppendorfer Flair sei Teil des Er-

folgs der Straße, glaubt sie.

„Der Charme der Altbauten, die vie-

len kleinen Räume, in denen man für sich

ist: Das ist einfach etwas anderes, als in

einem riesigen Salon vor allen anderen

Kunden auf dem Präsentierteller zu ste-

hen“, sagt Litschewski. Schließlich ist der

Kauf des Brautkleids immer ein intimer,

emotionaler Moment. „Es kann schon mal

dramatisch werden, wenn beim Abholen

des Kleides doch fünf Kilo mehr auf den

Hüften sind oder die Frau schwanger wird

und das Traumkleid nicht mehr passt“,

erzählt sie.

Besonders eine Sache wird sie nicht

so schnell vergessen: „Eine Frau wollte

kein Brautkleid für eine Hochzeit, son-

dern für eine Beerdigung.“ Ihr Verlobter

war verstorben. „Sie wollte im Brautkleid

an seinem Grab stehen. Darauf ist man

nicht vorbereitet“, so die Händlerin. Dass

über die Jahre immer mehr Fachgeschäfte

ihrem Beispiel folgten und sich am Lehm-

weg ansiedelten, findet sie gut: „Konkur-

renz belebt ja das Geschäft.“

Ella Deck betreibt seit 2002 ein Geschäft

am Lehmweg 54. Sie entwirft Braut- und

Abendkleider sowie Businessmode