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HAMBURGER WIRTSCHAFT 08 / 16
MÄRKTE
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Unterschätzter Gigant
Zwischen Indien und China wächst eine neue Wirtschaftsmacht: Die Länder der südostasiatischen
Staatengemeinschaft ASEAN sind seit dem Jahreswechsel in einem Wirtschaftsraum vereinigt.
D
ie Bedeutung der zehn ASEAN-
Länder für den Welthandel wird
häufig unterschätzt. Dabei beträgt
der Anteil von Indonesien, Singapur, Viet-
nam, Myanmar, Thailand, Kambodscha,
den Philippinen, Brunei, Laos und Malay-
sia am Welthandel knapp sechs Prozent.
Das ist zwar deutlich weniger als China
(zehn Prozent), aber weit mehr als Indien
(zwei Prozent). Mit 620 Millionen Einwoh
nern ist die Region zudem der drittgrößte
Konsumentenmarkt der Welt.
Wirtschaftlich, politisch und sozio-
kulturell sind die ASEAN-Staaten extrem
heterogen. Das Pro-Kopf-Einkommen im
autokratisch regierten, aber hoch entwi-
ckelten Singapur ist beispielsweise 61-
Mal höher als das in Myanmar. In den
postkommunistischen Ländern Vietnam,
Kambodscha und Laos wird die Wirt-
schaft nach wie vor weitgehend staatlich
gelenkt; das Wachstum dort ist getrieben
von arbeitsintensiver Produktion. Indone
sien, Thailand und Malaysia dagegen sind
investitionsgetriebene Volkswirtschaften
mit einem höheren Wertschöpfungsan-
teil und einer diversifizierten Industrie.
Sonnenaufgang über einer Tempelanlage
in der Königsstadt Bagan in Myanmar
Stadt. Rund 700 Hamburger Firmen sind
momentan in der Region tätig.
Eine herausragende Rolle spielt da-
bei Singapur. Der Inselstaat ist für den
Hamburger Hafen der zweitwichtigste
Partner im seeseitigen Containerverkehr.
Viele internationale Firmen haben hier
ihren regionalen Hauptsitz. Dazu gehört
die auf hochsensible Klimatechnik spe
zialisierte Hamburger Stulz GmbH, die
seit fünf Jahren eine Vertriebsgesellschaft
vor Ort hat.
„Für uns als Global Player ist es
wichtig, in den ASEAN-Ländern präsent
zu sein“, sagt Vice President Kurt Jürgen
Plötner. „Daher sind wir auch in allen
Ländern außer Brunei aktiv – in Singapur
und Indonesien mit eigenen Niederlas-
sungen, in den anderen Ländern mit ex-
klusiven Vertriebspartnern.“
Aktuell wächst das Geschäft vor al-
lem durch Kunden aus der Industrie und
der Finanzbranche. Denn größere Banken
und Betriebe, die technologisch höher-
wertige Produkte fertigen, brauchen Rech
nerräume, die gekühlt werden müssen.
Bei Stulz erwartet man zudem, vom Bau
Diese Heterogenität birgt Vor- und
Nachteile. Einerseits sind die unterschied-
lichen wirtschaftlichen Entwicklungsstu-
fen gute Voraussetzungen für grenzüber-
schreitende Wertschöpfungsketten. Die
geografische Lage erlaubt außerdem den
Export von Waren über die Logistik-Dreh-
scheibe Singapur in andere Länder im
asiatisch-pazifischen Raum.
Andererseits kann die Heterogenität
zum Stolperstein werden, wie beim Frei-
handelsabkommen mit der EU. Die un
terschiedlichen Interessen und Voraus-
setzungen der ASEAN-Staaten waren mit
den Zielen der EU nicht in Einklang zu
bringen, was zum Abbruch der Verhand-
lungen führte. Bilaterale Abkommen mit
einzelnen Ländern sollen einstweilen die
Lücke schließen. Mit Singapur und Viet-
nam sind sie bereits abgeschlossen.
Durch die zunehmende wirtschaftli-
che Integration gewinnen die Märkte Süd-
ostasiens auch für Hamburger Firmen an
Attraktivität. 2015 waren die ASEAN-Län-
der mit einem kumulierten Handelsvolu-
men von knapp vier Milliarden Euro der
siebtwichtigste Außenhandelspartner der