IMMOBILIENSTANDORT HAMBURG
H
amburg steht vor einer Herausfor
derung: Fast 62 000 Geflüchtete
sind 2015 in der Stadt angekom
men. Etwa jeder Dritte von ihnen musste
untergebracht werden. Seit Jahresbeginn
kommen zwar aufgrund der Entwicklun
gen entlang der Balkanroute weit weniger
Flüchtlinge an. Im ersten Quartal brauch
ten dennoch rund 4700 Neuankömmlinge
eine Bleibe. Und angesichts der weltpoli
tischen Lage hat sich die Situation noch
längst nicht entschärft.
Daher halten die Behörden weiter an
ihrem Plan fest, bis zum Jahresende rund
40000 Unterkunftsplätze in der Stadt neu
zu schaffen. Die Obdach- und Wohnungs
losigkeit zu verhindern, hat zu Recht Pri
orität. Eine besondere Herausforderung
ist dabei allerdings – angesichts des be
grenzten Platzes in einem Stadtstaat – die
wachsende Flächennot. Hinzu kommt
ein zum Teil angespannter Wohnungs
markt, in dem es kaum Leerstand gibt.
Deshalb wundert es nicht, dass der
Senat weiterhin auf verschiedene Unter
künfte und Standortgrößen setzt. Ein An
satz ist das Sonderbauprogramm, durch
das möglichst viele Menschen schnell
regulären Wohnraum finden sollen. Bis
Ende 2017 sollen so 4800 Wohnungen
für rund 24000 Geflüchtete entstehen.
„Mit Blick auf den angespannten
Wohnungsmarkt ist es derzeit kaummög-
lich, Flüchtlingsfamilien in bestehenden
Nachbarschaften unterzubringen“, so Dr.
Thomas Krebs, Sprecher der Geschäfts
führung der SAGA GWG. „Daher ist Ham
burg zum einen gefordert, zeitnah im
Rahmen des Senatsprogramms ‚Flücht
lingswohnen‘ sehr zügig Wohnraum für
Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen,
zum anderen den Wohnungsbau in den
nächsten Jahren massiv auszuweiten.“
Weiterhin betont Krebs: „Wohnungs
angebote müssen immer durch ein pro
fessionelles Quartiers- und Integrations
management begleitet werden.“ Denn die
Geflüchteten sollen nicht nur ein Dach
über dem Kopf haben. Zum Wohnen ge
hört eben auch das unmittelbare Umfeld.
Für eine erfolgreiche Integration ist da
her eine soziale Infrastruktur mit Kitas,
Schulen, Arztpraxen, Spielplätzen, Sport
einrichtungen et cetera nötig.
ILLUSTRATION: CARINA CRENSHAW
Anlage- und GewerbeimmobilienAuch der Ruf nach Durchmischung
der neuen Standorte wird immer wieder
laut. „Die Genehmigung der Bebauung
kann leider zunächst ausschließlich für
Flüchtlinge und Asylanten erfolgen. Das
aktuelle Planungsrecht verhindert also
im Moment eine Durchmischung. Au
ßerdem ist völlig unklar, wie es um die
Nachnutzung steht“, sagt Stefan Wulff,
Geschäftsführer der Otto Wulff Immo
bilien GmbH. Wie auch Krebs ist er Mit
glied im Ausschuss für Stadt- und Regio
nalentwicklung sowie im Plenum der
Handelskammer.
Derweil mehrt sich in der Bevölke
rung der Widerstand gegen die Pläne
des Senats. Laut dem HamburgTrend
von infratest dimap aus dem April se
hen 45 Prozent der Hamburger die bis
herige Unterbringung der Geflüchteten
kritisch. Um die Bürger, gerade in be
troffenen Nachbarschaften, früher ein
zubinden und Widerstände abzubauen,
setzt der Senat auf neue Strukturen.
So hat der Erste Bürgermeister Olaf
Scholz Mitte Mai eine neue Form der
Bürgerbeteiligung gestartet: Im Projekt
„FindingPlaces“ sollen die Hamburger
direkt an der Suche nach Flächen betei
ligt werden. Außerdem steht der Senat
in Kontakt mit den vielen Initiativen, in
denen sich Ehrenamtliche für Flücht
linge einsetzen. Bei der „Wohnbrücke
Hamburg“ helfen sie zum Beispiel bei
der Wohnungssuche.
Fest steht: Die Integration durch
Wohnen – und in der Folge durch Arbeit
– ist eine gesamtgesellschaftliche Auf
gabe. Jeder kann seinen Beitrag dazu
leisten. Aber insbesondere die Vertreter
der Immobilienwirtschaft und die Poli
tik müssen an einem Strang ziehen.
FindingPlaces
Durch ein interaktives Stadtmodell wird im Pro-
jekt „FindingPlaces“ Transparenz bei der Suche
und Prüfung von Flächen für Flüchtlingsunter
künfte geschaffen. Infos zu dem Projekt, dass
die HafenCity Universität Hamburg im Auftrag
und in Kooperation mit der Stadt entwickelt hat,
finden Sie unter
www.findingplaces.hamburg
Anne Busch
anne.busch@hk24.deTelefon 36138-541