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HAMBURGER WIRTSCHAFT 08 / 16 

IM FOKUS

57

FINANZPLATZ HAMBURG

ILLUSTRATION: FREDERIK JURK /SEPIA

Gemeinsam in die

digitale Zukunft

Miteinander statt entweder – oder: Wie FinTechs und etablierte

Finanzinstitute den digitalen Wandel erfolgreich gestalten können, zeigt der

Finanzplatz Hamburg e. V. in einem Thesenpapier auf.

W

ie an anderen Finanzplätzen

auch sind die Unternehmen der

Branche in Hamburg nicht nur

durch die Niedrigzinspolitik und immer

neue regulatorische Vorgaben gefordert,

sondern mindestens genauso durch die

Digitalisierung. Klar ist: Der digitale Wan-

del steht zwar noch am Anfang, ist aber

unaufhaltsam. Alles, was digitalisiert wer-

den kann, wird auch digitalisiert werden.

Das Tempo ist hoch; die mittel- bis lang-

fristigen Auswirkungen sind unklar.

Trotz der Begeisterung für neue tech-

nische Möglichkeiten und mit Blick auf

den Drang einiger Unternehmen, mög-

lichst schnell „dabei sein“ zu wollen, soll-

ten sie das Entscheidende jedoch nicht

aus den Augen verlieren: Nach wie vor

sind es Menschen, die Finanzdienstleis-

tungen nachfragen.

Ob sie nun neuartig sind, Prozesse

vereinfachen und schneller machen oder

Kosten senken: Digitale Angebote müs-

sen immer einen Nutzen für Kunden und

Mitarbeiter haben. Die neuen Lösungen

müssten zudem „zu Ende gedacht wer-

den“, heißt es in einem Thesenpapier des

Finanzplatz Hamburg e. V.

Der Verein befasst sich seit 2014 in-

tensiv mit dem digitalen Wandel und sei-

nen Auswirkungen auf die Finanzwirt-

schaft. Dabei gab es auch einen engen

Austausch mit Vertretern anderer Bran-

chen, insbesondere aus der IT- und Me­

dienwirtschaft.

In dem Papier wird des Weiteren da­

rauf hingewiesen, dass sich digitale Lö-

sungen häufig noch auf kundenfreund­

liche Front-Ends beschränken, vor allem

bei Angeboten für Endkunden. Wichtiger

seien allerdings die dahinterstehenden

Prozesse. Doch um diese erfolgreich än-

dern zu können, sind oftmals organisa­

torische Veränderungen in den Unterneh-

men nötig. Denn das tradierte Denken in

Geschäftsbereichen und Zuständigkeiten

wirkt sich eher hemmend auf Innovatio-

nen aus und kann zu Reibungsverlusten

sowie suboptimalen Resultaten führen.

Ein zentraler Erfolgsfaktor liegt in

der intelligenten Verzahnung von Online-

und Offlineangeboten, um auch den digi-

tal geprägten, anspruchsvollen Kunden zu

erreichen. Im Gegensatz zu älteren Kun-

den ist er Institutionen gegenüber kaum

loyal. Stattdessen zeichnet er sich – unter

anderem durch das Informationsangebot

im Internet – durch ein hohes Maß an Un-

abhängigkeit aus.

Gleichwohl, so die These des Vereins,

kann eine Chance für Kunden und Mit­

arbeiter von Finanzunternehmen in der

Renaissance der Beratung liegen. Schließ-

lich ist trotz der Digitalisierung bei vielen

Themen auch künftig die Expertise und

Beratung eines „echten“ Menschen erfor-

derlich oder gewünscht.

Der Finanzplatz Hamburg e. V. erwar-

tet außerdem, dass sich die FinTechs und

etablierte Finanzinstitute durch Koopera-

tionen annähern werden – getreu der De-

vise „Miteinander statt entweder – oder“.

Denn beide Seiten haben ihre Stärken in

unterschiedlichen Bereichen und könn-

ten so voneinander profitieren.

Während FinTechs oft besser in der

Gestaltung kundenorientierter Prozesse

und Schnittstellen, der Auswertung von

Daten und der gezielten Kundenanspra-

che sind, haben etablierte Finanzinstitute

Vorteile im Umgang mit regulatorischen

Vorgaben, im Datenschutz sowie in der

Vielfalt ihrer Leistungen. Zudem haben

sie einen großen Kundenstamm.

Jörn Le Cerf

joern.lecerf@hk24.de

Telefon 36138-360

Der im Zusammenhang mit dem digi-

talen Wandel viel zitierten Redewendung

„Banking is necessary, banks are not“ wi-

derspricht der Verein. „Die Digitalisierung

macht Finanzintermediäre nicht überflüs-

sig. Es werden sich zwar die Formen der

Kommunikation und die technische Ab-

wicklung ändern, aber ein funktionsfähi-

ges Finanzsystem kann nicht Program-

mierern und Algorithmen überlassen

werden“, sagt Harald Vogelsang, Vorsit-

zender des Finanzplatz Hamburg e. V. „Es

braucht weiterhin ordnende Akteure, die

Risiken übernehmen und Verantwortung

tragen.“

Doch trotz der drängenden Heraus-

forderungen der Digitalisierung dürften

die Akteure der Finanzwirtschaft eines

nicht vergessen: Die Akzeptanz der Bran-

che basiert auf dem Vertrauen der Kun-

den. Dieses Vertrauen hat in den letzten

Jahren allerdings Schaden genommen

und muss nun zurückgewonnen werden.

Die Finanzdienstleister müssten deshalb

mehr denn je den Kunden in den Mittel-

punkt stellen, heißt es im Thesenpapier

des Finanzplatz Hamburg e. V.

Informationen

In einem Thesenpapier hat der Finanzplatz

Hamburg e.V. Denkanstöße zur Digitalisierung

in der Finanzwirtschaft gegeben. Die Thesen

sind hervorgegangen aus einer Konferenz,

bei der Unternehmen aus der Finanzbranche

gemeinsam mit Vertretern der IT- und Medien-

branche, aus dem Handel sowie aus Verbän-

den und Institutionen darüber diskutiert haben,

wie die Finanzbranche künftig aussehen wird.

Weitere Informationen dazu sind abrufbar unter

www.finanzplatz-hamburg.com

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