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HAMBURGER WIRTSCHAFT 07 / 16 

IM FOKUS

57

ERNEUERBARE ENERGIEN

tung. Sie variiert von Erzeugungsart zu

Erzeugungsart, teilweise auch von Region

zu Region, und ist in der Regel auf 20

Jahre angelegt. Betrachtet man das Ver-

hältnis von erzeugter Strommenge zur

Fördersumme, so führt die Gewinnung

von Windenergie an Land klar. Es folgen

die Offshore-Windenergie, Biomasse und

Solarenergie.

Finanziert wird diese Förderung vom

Stromverbraucher – und zwar über die

EEG-Umlage. Dabei gibt es diverse Aus-

nahmen und Vergünstigungen, vor allem

für Industriebetriebe, die viel Strom ver-

brauchen. Das Umlagevolumen hat mitt-

lerweile rund 23 Milliarden Euro pro Jahr

erreicht; die Umlage pro Kilowattstunde

beträgt 6,35 Cent.

Mit der Produktion von Strom ist es

aber nicht getan, besonders weil Wind-

und Sonnenenergie eben nicht gleichmä-

ßig und planbar zur Verfügung stehen.

Folglich müssten die Verbraucher ihr Ver-

halten theoretisch stärker als bisher an

der vorhandenen Strommenge ausrich-

ten. Oder aber man nutzt Speicher be­

ziehungsweise Ausgleichskraftwerke. Bei-

des ist jedoch teuer; bei der Speicherung

besteht technisch zudem Nachholbedarf.

Die Einspeisung von Strom ins Netz

sowie seine Verteilung haben sich eben-

falls grundlegend geändert. Erzeugt wird

Strom meist nicht mehr dort, wo auch

die großen Verbraucher sind, wodurch

Transportmöglichkeiten gebraucht wer-

den. Eingespeist wird er zunehmend auf

der Niederspannungs- (früher Verteilnetz)

und nicht mehr der Hochspannungsebe-

ne (früher Übertragungsnetz). Des Wei­

teren gewinnen die Eigenerzeugung und

der Eigenverbrauch an Bedeutung.

Die Energiewende ist politisch initi-

iert und muss daher politisch gesteuert

werden. Laufende Anpassungen fast aller

Gesetze und Verordnungen sind notwen-

dig. Viele dieser Änderungen gleichen

Operationen am offenen Herzen, denn

bisherige Prognosen erwiesen sich oft-

mals als ungenau.

Aktuell das wichtigste Vorhaben ist

die Novellierung des EEG. Im Fokus steht

dabei die Einführung von Ausschreibun-

gen, um für mehr Wettbewerb und damit

niedrigere Preise zu sorgen. Die Handels-

D

ie Energiewende hat viele Anhän-

ger, da ihre Vision der sprichwört-

lichen „eierlegenden Wollmilch-

sau“ ähnelt: Strom, Wärme und Kraftstoff

werden aus unendlich verfügbaren Quel-

len gewonnen. Und das auch noch kos­

tenfrei. Sonne, Wind und Co. schreiben

schließlich keine Rechnungen. Außerdem

wird versprochen: Überwiegend dezentral

in vielen kleinen Einheiten und damit un-

abhängig von großen Konzernen erzeugt,

liegt die Energiegewinnung in der Hand

der Bürger.

Doch die Realität zeigt: Der Weg da-

hin ist lang und teuer; die nötigen Verän-

derungen, insbesondere an der Infrastruk­

tur, sind technisch anspruchsvoll und

umstritten. Harte Auseinandersetzungen

zwischen den verschiedenen Lobbyver-

bänden der Energiewirtschaft erschweren

die weitere Entwicklung und machen die

deutsche Energiepolitik so zu einer Poli-

tik großer Kompromisse.

Zu den Fakten: 2015 lieferten regene-

rative Quellen rund 14 Prozent der bun-

desweit benötigten Energie. Wichtigster

Energielieferant war Biomasse (57 Pro-

zent). Wind (23 Prozent) und Sonne (10

Prozent) folgten mit weiten Abständen.

Beim Blick auf weitere Zahlen drängt

sich eine Frage unweigerlich auf: Handelt

es sich bei uns wirklich um eine Energie-

wende oder wäre die Bezeichnung Strom-

wende nicht besser? Denn während der

regenerative Anteil beim Strom knapp 33

Prozent beträgt, sind es bei der Wärme­

versorgung nur gut 13 und im Verkehr

rund 5 Prozent.

Die in Hamburg als Stadtstaat er-

zeugte Menge regenerativer Energie ist

vernachlässigbar. Als Sitz vieler wichtiger

Firmen, vor allem aus dem Bereich Wind-

energie, spielt die Branche der Erneuer­

baren Energien bei der Wertschöpfung

und den Beschäftigungszahlen dennoch

eine große Rolle.

Bisher lebt die Branche allerdings in

erster Linie von Zuschüssen des Staats.

Es gibt das Erneuerbare-Energien-Gesetz

(EEG) für den Strom und das Erneuerbare-

Energien-Wärme-Gesetz (EEWG) für die

Wärme. Das EEG schreibt den Einspeise-

vorrang für Strom aus regenerativen Quel-

len vor und garantiert dafür eine Vergü-

Stellungnahmen

Die Stellungnahmen des DIHK und der IHK

Nord zur Energiewende und der EEG-Novelle

finden Sie unter

bit.ly/1TVY5LL

und unter

www.ihk-nord.de

, Dokument-Nr. 3351456

Tobias Knahl

tobias.knahl@hk24.de

Telefon 36138-267

kammer Hamburg hat sich gemeinsam

mit den anderen deutschen IHKs in einer

Stellungnahme des Deutschen Industrie-

und Handelskammertags (DIHK) in das

Verfahren eingebracht. Über die IHK Nord

wurde zusätzlich auf einige für den Nor-

den besonders wichtige Punkte hinge­

wiesen.

Grundsätzlich kritisiert wurde dabei,

dass aufgrund der häufigen Gesetzes­

änderungen die Planungssicherheit für

Unternehmen fehlt. Die Einführung von

Ausschreibungen wird zwar begrüßt, je-

doch für noch mehr Wettbewerb und

Marktheranführung plädiert, wofür eine

klare Perspektive fehlt.

Ein kritischer Punkt für die nord­

deutschen Kammern ist, dass im Norden

der Ausbau der Windenergie an Land ein-

geschränkt werden soll, um Netzengpäs-

sen vorzubeugen, statt den Netzausbau

zu forcieren. Denn hier ist die Erzeugung

besonders günstig und daher volkswirt-

schaftlich effizient. Die Zusammenfüh-

rung der Regelungen für Offshore-Wind-

energie in einem eigenen Gesetz wird

hingegen begrüßt.