FOTOS: ANNEGRET HULTSCH; ILLUSTRATION: BIANCA CLASSEN
bei der Verbraucherzentrale Hamburg,
sieht Duftmarketing dennoch kritisch.
Sie fordert eine Kennzeichnungspflicht
für Einrichtungen, die beduftet werden.
Das würde jedoch einen erheblichen bü
rokratischen Aufwand bedeuten. „Aller
giker sind die eigentlich Geschädigten,
denn die Düfte sind in der Luft analytisch
kaum nachweisbar und Kontrollbehör
den wie die Lebensmittelüberwachung
können nur schwer dagegen vorgehen“,
sagt Schwartau. Beschwerden und Kun
denbitten lägen ihr schon einige vor.
Unternehmen schrecken solche For
derungen noch nicht ab. Ob im Einzel
handel, der Gastronomie, Hotellerie oder
bei Fitness- und Wellnesseinrichtungen:
„Es gibt eine stetig steigende Nachfrage,
den Geruchssinn aktiv für Marketingzwe
cke zu nutzen“, erzählt die Trendforsche
rin Susanne Maisch. Aber öffentlich da
rüber reden, das möchte kaum einer.
Martin Petersen beschreibt die aktu
elle Situation wie folgt: „Der Duftmarkt
ist kaum erschlossen. Kaufmännisch ge
sehen steht der Kuchen frisch gebacken
und angeschnitten auf dem Tisch. Jetzt
muss noch geklärt werden, wer ein Stück
abhaben möchte“, sagt er und präsentiert
seinen Lieblingsduft. „Patchouli Twist“
heißt er und erinnert an einen erholsa
men Waldspaziergang.
Bleibt nur noch eines zu klären: Tref
fen wir tatsächlich Kaufentscheidungen,
weil unsere Sinne mithilfe von Düften
manipuliert werden? Marketingdozentin
Marie-Kristin Franke sieht es so: „Die
Frage ist doch, was für ein Typ Mensch
man ist. Gibt man jedes Mal seiner Stim
mung nach oder ist man standfest?“
Wirklich steuern kann man eine sol
che Entscheidung aber erst ab einem be
stimmten Alter. Denn: „Der Neocortex, wo
unsere Ratio sitzt, ist erst mit Mitte 20
voll ausgebildet“, so Franke. Dann kann
man Impulse bewusst kontrollieren und
ist kognitiv dazu in der Lage, beispiels
weise Werbung kritisch zu begegnen.
Solange der Neocortex noch nicht
voll ausgebildet ist, fällt also die Diffe
renzierung zwischen Werbung und „ech
ter“ Information schwer. Vielleicht ist
auch das der Grund dafür, dass eine be
kannte amerikanische Modemarke bei
Teenagern so beliebt ist. Abercrombie &
Fitch war Vorreiter in Sachen Duftmarke
ting, wollte darüber allerdings nicht mit
der HW sprechen.
In den Filialen der weltweiten Mode
kette wird der hauseigene Duft deutlich
über der Wahrnehmungsschwelle einge
setzt, was viele Personen mit ausgepräg
tem Neocortex abschreckt. Erwachsene
sind also ganz klar nicht die Zielgruppe
von Abercrombie & Fitch. Marketingtech
nisch betrachtet ist das eine Glanzleis
tung. Aufgrund des Alters der Zielgruppe
ist es dennoch fragwürdig.
Dem ein oder anderen Teenager, der
den Duft in der Fußgängerzone wahr
nimmt, scheint es nämlich ähnlich zu
gehen wie Patrick Süskinds Romanfigur:
„Grenouille folgte dem Duft, mit bänglich
pochendem Herzen, denn er ahnte, dass
nicht er dem Duft folgte, sondern dass
der Duft ihn gefangen genommen hatte
und nun unwiderstehlich zu sich zog.“
Erst mit Mitte 20 kann man
Werbung als solche entlarven
Diana Mühlberg
diana.muehlberg@hk24.deTelefon 36138-306
HAMBURGER WIRTSCHAF
T 07 / 16
TITEL
16
Bei Miss PeppeR an der Fuhlsbüttler
Straße, wo Rebecca Gieck arbeitet, wird
der Gast im Sommer von Kaffeeduft und
im Winter von Zimt und Vanille begrüßt