
Herr Dr. Passarge, was ist das Besondere an der Arbeit von PRO HONORE?
Als Rechtsanwalt gehöre ich zum Urgestein im Bereich Compliance, ich bin auf diesem Gebiet seit dem Jahr 2005 tätig. Daher hat es mich ganz besonders gefreut, als ich gebeten wurde, die Geschäftsführung von PRO HONORE e. V. zu übernehmen.
Der Verein blickt auf eine lange Compliance-Geschichte zurück. Denn schon im Jahr 1925 haben Hamburger Kaufleute, Juristen und auch die Politik erkannt, dass die Einhaltung von Gesetzen und ein redlicher Umgang für die Unternehmerschaft von ganz besonderer Bedeutung ist.
Zur Person Malte Passarge studierte Rechtswissenschaften in Passau, Münster und Greifswald und promovierte 2002 zum Dr. jur. Er ist seit 2011 Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und seit 2020 Partner der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN. Zudem ist er Chefredakteur des „Compliance-Beraters“, Referent und Autor zahlreicher wirtschaftsrechtlicher Publikationen in den Bereichen Compliance, Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht. Malte Passarge berät größere mittelständische und inhabergeführte Unternehmen in allen Fragen des Gesellschaftsrechts und des allgemeinen Wirtschaftsrechts sowie bei der Einführung von Compliance-Management-Programmen.
Damals nannte man dies „Bekämpfung des Schmiergeldunwesens und Schutz des lauteren Wettbewerbs“, heute nennt man es Compliance. Auch damals hat man schon erkannt, dass mehr Gesetze nicht immer der beste Weg sind, sondern Eigeneinitiative sehr viel wichtiger ist. Daher wurde PRO HONORE 1925 als Initiative für die Hamburger Wirtschaft gegründet.
PRO HONORE e. V. steht für verantwortungsbewusstes Unternehmertum und setzt sich gezielt für die Interessen von Unternehmen ein, die nachhaltiges und ehrbares Wirtschaften in den Mittelpunkt stellen. Unsere Mitglieder schätzen besonders den vertrauensvollen Austausch auf Augenhöhe und die praxisnahen Informationen. Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – mit dem Ziel, klare und praktikable Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen.
Weshalb ist Compliance für die Wirtschaft so wichtig?
Gesetzestreue und Compliance sind das Fundament einer funktionierenden Marktwirtschaft. Unternehmen, die sich an rechtliche Vorgaben halten, schaffen Vertrauen bei Kunden, Geschäftspartnern, Behörden und nicht zuletzt bei ihren Mitarbeitern.
Erfreulicherweise hat sich das Verständnis der Wirtschaft für Compliance in den vergangenen Jahren stark gewandelt. War Compliance früher teilweise als lästige Pflicht und Umsatzbremse verschrien, haben Unternehmen mittlerweile verstanden, dass Compliance wie eine Versicherung schützt.
Unternehmen haben mittlerweile verstanden, dass Compliance wie eine Versicherung schützt.
Denn Compliance-Verstöße haben schwerwiegende Folgen. Neben Strafverfahren und Bußgeldern ist die Aufarbeitung von Compliance-Verstößen zeit- und kostenintensiv. Besonders schwerwiegend ist aber der Reputationsverlust.
Einen angekratzten Ruf wieder aufzupolieren, ist besonders aufwendig und teuer – und eigentlich nicht notwendig. Denn die Praxis zeigt, dass sich Compliance-Verstöße auf lange Sicht nicht lohnen. Daher stehen wir als PRO HONORE e. V. für eine Unternehmerschaft, die auf Integrität und Fairness setzt.
Hat PRO HONORE denn konkrete Projekte für die nähere Zukunft?
Unser Fokus liegt weiterhin auf der Stärkung von praxisorientierten, mittelständischen Compliance-Strukturen sowie der Förderung eines fairen Wettbewerbs. In Zukunft werden wir verstärkt untersuchen, welche tatsächlichen rechtlichen Anforderungen und Bedürfnisse sich aus der Unternehmenspraxis ergeben. Dazu läuft gerade unsere Studie zur Praxiseignung des Hinweisgeberschutzgesetzes. Im Laufe des Jahres werden wir eine weitere Untersuchung zur Praxiseignung der bestehenden Compliance-Gesetze starten.
Hohen Stellenwert für unsere Mitgliedsunternehmen hat unsere Arbeit als Hinweisgeberstelle. Insoweit ist es für unser Selbstverständnis besonders wichtig, gerade nicht auf technische Lösungen zu setzen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz ist für seine Zwecke leider kaum brauchbar.
Uns ist es wichtig, mit dem Hinweisgeber möglichst ein persönliches Gespräch zu führen. Denn nur so können wir etwas über die persönlichen Beweggründe erfahren und die gemeldeten Hinweise so umfassend wie möglich erfassen.
Für das Unternehmen ist es besonders wichtig, dass gemeldete Missstände so schnell wie möglich erkannt und abgestellt werden können. Bei einer technischen oder anonymen Aufnahme von Hinweisen besteht die Gefahr, dass der Hinweisgeber sich nicht ernst genommen fühlt und sich an Behörden oder die Öffentlichkeit wendet.
Tatsächlich zeigt die Praxis, dass der Hinweisgeber keineswegs ein Denunziant ist, der dem Unternehmen schaden will, sondern ein ehrliches Interesse an der Beseitigung von Missständen hat. Daher ist es für alle Beteiligten wichtig, eine vertrauenswürdige und persönliche Anlaufstelle zu schaffen, um die Hemmschwellen zur Abgabe von Hinweisen niedrig zu halten.
Gibt es auch Maßnahmen, die die Politik dringend angehen sollte?
Ja, unbedingt! Ich halte Compliance und vor allem den Schutz von Hinweisgebern für besonders wichtig. Herausforderungen für Unternehmen ergeben sich aus der gesetzgeberischen Unwucht. Während die neueren Gesetze für unbedeutende Bereiche zahllose und kleinteilige Maßnahmen, Dokumentations- und Berichtspflichten vorgeben, werden wichtige Themen nicht geregelt. So besteht beispielsweise ein dringender Bedarf an einer Regelung für interne Ermittlungen, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.
Studie Wie wirkt sich das Hinweisgeberschutzgesetz vom Sommer 2023 auf mittlere Hamburger Unternehmen aus? Das möchte PRO HONORE mithilfe einer anonymen Umfrage ermitteln. Sie sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
Gegenwärtig werden Unternehmen mit politischen und ideologischen Zielen überlastet, die in der Wirtschaft keinen Platz haben und in der Umsetzung selten erfolgreich sind. Dabei geht es allzu oft weniger um Inhalte, sondern nur darum, ein System zu erfüllen. Dies verhindert die organische Entwicklung effektiver und effizienter Lösungen.
Erfolgreiche Compliance zeichnet sich nicht durch ein Höchstmaß an bürokratischen Strukturen, Dokumentationspflichten und Tipp-the-Box-Ansätze aus, sondern durch die ethisch eigenverantwortliche Einhaltung von Regeln.
Beispielsweise ist das jüngst in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz leider für seine Zwecke kaum brauchbar. Es greift in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit ein und schafft kleinteilige Regulierungsvorgaben, die entgegen dem Zweck Hinweisgeber nicht nur nicht schützen, sondern ihnen im Ergebnis sogar Schaden können.
Besonders irritierend ist dabei der Umstand, dass Politik und Verwaltung Hinweisgeber aus eigenen Reihen weitgehend schutzlos stellen. Es wäre ein Leichtes für Politik und Verwaltung, beim Thema Compliance Vorbild zu sein.
Compliance darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss als Bestandteil der unternehmerischen Wertschöpfungskette verstanden werden.
Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, wie die jüngsten Compliance-Fälle zeigen – etwa in der EU, aber auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und vielen anderen Fällen von Compliance-Verstößen in Politik und Verwaltung.
Für die Zukunft ist es daher wichtig, dass die Politik klare und praxisnahe Rahmenbedingungen schafft, und dabei nicht nur Großkonzerne, sondern auch den Mittelstand im Blick hat. Wie Compliance-Strukturen im Einzelnen in den Unternehmen umgesetzt werden, müssen Unternehmen selbstständig entscheiden.
Compliance darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss als Bestandteil der unternehmerischen Wertschöpfungskette verstanden werden. Die Schaffung einer effektiven Regelung zur Strafbarkeit von Mandatsträger-Bestechung ist dringend erforderlich, um demokratische Prozesse zu schützen.
Dies muss alle Formen der Vorteilsgewährung und Bestechung umfassen, auch im Nachgang der parlamentarischen Tätigkeit. Damit verbunden ist die Pflicht, Interessenkonflikte in Legislative, Exekutive und Justiz offenzulegen.
Unsere Forderung an die Politik ist daher: Schaffen Sie praxisnahe, verlässliche und international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, die es Unternehmen ermöglichen, gesetzeskonform und zugleich wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Dabei müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mittelstand einerseits und internationalen Konzernen andererseits Berücksichtigung finden.
Einen ausführlichen Artikel über PRO HONORE und die Geschichte des Vereins finden Sie hier.
