Corona-Rückforderungen nicht immer rechtmäßig

Viele Unternehmen haben Aufforderungen erhalten, Corona-Soforthilfen zurückzuzahlen – manchmal jedoch zu Unrecht, wie aktuelle Urteile zeigen.
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Es lohnt sich, Bescheide für Corona-Rückforderungen in jedem Fall genau zu prüfen.

Von Judith Becker, 25. September 2023 (HW 5/2023)

Mit den Corona-Soforthilfen legte die Bundesregierung im Frühjahr 2020 ein umfangreiches Programm zur Unterstützung von Unternehmen und Selbstständigen während der Corona-Pandemie auf, das im Verlauf der Pandemie immer wieder angepasst wurde. Inzwischen erhält die Handelskammer immer wieder Anfragen zu Rückforderungen und ihrer Rechtmäßigkeit. Dabei gilt grundsätzlich: Alle Bescheide sind individuell zu betrachten, es kommt stets auf den Einzelfall an. Es lohnt sich jedoch, sie genau zu prüfen – und erste Gerichte haben einzelne Rückforderungsbescheide („Schlussbescheide“) aufgehoben.

So hat das OVG Münster im März 2023 die Aufhebung mehrerer Bescheide durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Ergebnis bestätigt – insbesondere weil das Land Nordrhein-Westfalen bei der Rückforderung „die bindenden Vorgaben des Bewilligungsbescheids nicht beachtet“ habe, „wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbesondere Finanzierungsengpässe zu überbrücken“. Jeder Leistungsempfänger habe darauf vertrauen dürfen, dass er die Soforthilfe vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe nutzen durfte.

Wenn Sie Fragen zum Thema haben, können Sie sich an die Rechts-Hotline der Handelskammer wenden (montags, mittwochs und donnerstags von 9 bis 12 Uhr, Telefon 36138-365).

Insofern bestand zumindest bis zum 1. April 2020 ein Vertrauensschutz, dass bewilligte Mittel auch zur Finanzierung des Existenzminimums eingesetzt werden durften. Erst im weiteren Verlauf sei klargestellt worden, dass der Lebensunterhalt nicht durch Soforthilfen, sondern durch Grundsicherungsleistungen nach SGB II abzusichern sind. Rechtswidrig seien die Schlussbescheide auch deshalb, so das OVG, weil die vom Land geforderten Rückmeldeverfahren in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage hatten – und ohne Rechtsgrundlage automatisiert erstellt wurden.

Auch das Verwaltungsgericht Hamburg erklärte in seinem Urteil vom 28. April 2023 einen Rückforderungsbescheid für widerrechtlich. So stellte es unter anderem fest, dass beim Unternehmen, das die Hilfen erhielt, entgegen dem Schlussbescheid sehr wohl ein Liquiditätsengpass bestanden hätte. Dabei betonte das Gericht, dass es „nach Erlass des Bewilligungsbescheids auf die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont“ ankomme. Für das Unternehmen war zum Beispiel im Bewilligungsbescheid nicht erkennbar, dass „steuerrechtlich veranlasste Buchungspositionen als Einnahme zu berücksichtigen sind“ und dass für die Berechnung der liquiden Mittel „allein Fixkosten zu berücksichtigen sind“.

Rechtsanwalt Bernt J. Broede von der Kanzlei Broede Krutzki & Partner kommentiert: „Das Urteil zeigt, dass man sich von der gerichtlichen Überprüfung von Rückforderungsbescheiden der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) nicht abhalten lassen sollte und man in der Regel darauf vertrauen darf, dass man die Gelder behalten darf, solange man diese nicht zweckwidrig verwendet hat. Auch die von der IFB stetig ins Feld geführte eigene Verwaltungspraxis vermag diesen Grundsatz nicht zu erschüttern, da es im Rahmen der Rückforderung der Soforthilfe wegen Zweckverfehlung auf die Verwaltungspraxis der IFB nicht zwingend ankommt.“ Es lohnt sich also, Rückforderungen nicht einfach hinzunehmen und die Bescheide nicht rechtskräftig werden zu lassen.


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