Hamburger Familiensiegel: Schon 500 Betriebe auditiert

Das Familiensiegel ehrt seit 2007 Unternehmen, die sich in besonderem Maße für familienfreundliche Arbeitsbedingungen einsetzen. Als 500. Betrieb wurde jetzt D.H.W. Schultz & Sohn auditiert.
Karin Gerdes
Isabel Matthiessen (2. v. re.), Geschäftsführerin von D.H.W. Schultz & Sohn, und ihr Team (v. li.) wurden mit dem Familiensiegel ausgezeichnet: Niklas Weller (Meister Haustechnik), Caro Wenzel (Abteilung Feuerschutz), Sven Hanecke (Abteilung Blitzschutz), und Robert Maaß,  (Produktionsleiter Feuerschutz)

Von Marina Friedt, 11. April 2023 (HW 2/2023)

Es war im August 1770, als Europas erster Blitzableiter auf St. Jacobi montiert wurde – und die Nachfolger des damit betrauten, 1866 von Diederich Hieronimus Wilhelm Schultz und seinem Sohn erworbenen Betriebes sind bis heute stolz darauf. Inzwischen bezeugen zahlreiche kupferne Kirchendächer in Hamburg und Umgebung die Kunst von D.H.W. Schultz & Sohn. Doch die Mitarbeitenden des Unternehmens erklimmen nicht nur die Spitzen von Gebäuden: Auch mit ihrem familienfreundlichen Betriebsklima steht die 1726 gegründete Traditionsfirma auf der Höhe der Zeit. Vor Kurzem bestand sie erfolgreich das 500. ­Audit zum „Hamburger Familiensiegel“ – einer seit 2007 von der „Hamburger Allianz für Familien“ verliehenen Auszeichnung für Unternehmen, die sich besonders für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf engagieren (siehe Kasten).

Gutes Miteinander

Hamburger Familiensiegel

Die seit 2007 verliehene Auszeichnung ehrt kleine und mittlere Unternehmen, die sich besonders für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben einsetzen. Dazu gehören zum Beispiel die Möglichkeit, unkompliziert im Homeoffice, in Teil- oder Gleitzeit zu arbeiten, flexible Lösungen für Notsituationen wie erkrankte Kinder, die Berücksichtigung familiärer Interessen bei der Urlaubsplanung oder die Mitnahme von Kindern zur Arbeitsstelle in Ausnahmesituationen.

Dieses Engagement verkörpert Geschäftsführerin Isabel Matthiessen, die seit Januar 2020 neue Impulse bei D.H.W. setzt. Die gelernte Industriekauffrau und BWL-Absolventin musste manche Tür in dem männerlastigen Betrieb selbst aufstoßen – auf 43 Männer kommen hier sieben Frauen. Doch mit ihrer herzlichen Offenheit und der von ihr geprägten Unternehmenskultur erzielte die gebürtige Lübeckerin schnell Erfolge – und wendete auch die Corona-Krise zur Chance: Den ersten an Corona erkrankten Mitarbeiter schickte sie direkt ins Homeoffice und nutzte dann den ersten Lockdown, um die Nutzung digitaler Möglichkeiten weiter auszubauen. „Früher verbrauchte eine Projektplanung eine Europalette Papier, das fällt in der digitalen Umsetzung weg“, sagt Matthiessen.

Familienfreundlichkeit und Zusammenhalt im Betrieb sind für die 46-Jährige selbstverständlich. „Wir sind ein Familienunternehmen. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen der beruflichen und der privaten Familie, es geht ineinander über. Wir versuchen, unser Leben gemeinsam bestmöglich zu gestalten.“ Ein Vater, der sich zeitweise um die Familie kümmern muss, wurde deshalb ohne lange Diskussion für solche Tage freigestellt – und ein Mitarbeiter über 60, der nicht mehr aufs Dach klettern kann, in Halbzeit mit dem Fuhrpark betraut. Darüber hinaus beschäftigt D.H.W. vier Menschen mit Behinderung und bildet einen syrischen Flüchtling aus. Einmal in der Woche wird zusammen zu Mittag gegessen (vegan, halal und koscher) und einmal im Monat gemeinsam Zumba getanzt.

Standortvorteil Familienfreundlichkeit

Die gute, vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre, die in den nach Öl und Maschinenfett riechenden Produktionshallen in Stellingen herrscht, sprach sich schnell herum. In den vergangenen Monaten konnte Matthiessen ohne weitere Suche vier Mitarbeitende einstellen – trotz des generellen Fachkräftemangels. Das zeigt deutlich, dass ein familienfreundliches Betriebsklima auch wirtschaftliche Vorteile bringt, von der höheren Motivation der Mitarbeitenden bis zum Ruf des Betriebes. „Menschen für das eigene Unternehmen zu gewinnen und sie vor allem zu binden, das geht nur mit attraktiven Arbeitsbedingungen“, sagt Handelskammer-Präses Prof. Norbert Aust. „Dazu gehört, dass nicht nur Beruf, sondern auch Karriere und Familie zusammen funktionieren. Die Träger des Familiensiegels sind dafür absolute Vorbilder.“

Initiative für Familien

Die „Hamburger Allianz für Familien“ ist eine Initiative von Senat, Handels- und Handwerkskammer, die die Attraktivität Hamburgs für Familien steigern und dabei alle gesellschaftlichen Verantwortungsträger einbeziehen will. Hierzu dienen eine Reihe geförderter Projekte, neben dem Hamburger Familiensiegel etwa eine Hotline und eine Erstberatung für Betriebe.

Über leere Auftragsbücher kann sich D.H.W. jedenfalls nicht beklagen. „Wir sind in Hamburg und Umgebung mit unseren vier Abteilungen Dach, Blitzschutz, Feuerschutz und Haustechnik unschlagbar“, schwärmt Matthiessen. Im vergangenen Jahr kam zu den bisherigen Gewerken noch eine Zimmerei hinzu – und der 50-köpfige Betrieb bildet in allen davon aus. D.H.W. ist in Hamburg der einzige Betrieb für Löschwasseranlagen, baut zahlreiche Schulen und nahm kürzlich die erste industrielle Wärmepumpe in einer Schule im Niekampsweg in Betrieb. In den nächsten drei Jahren wird sie für ein Investitionsvolumen von sechs Millionen Euro in der Speicherstadt Block V für die HHLA sanieren.

Gute Voraussetzungen also, um in drei Jahren das 300. Betriebsjubiläum zu feiern – und das familienfreundliche Arbeitsklima hat sicherlich einen Anteil am Erfolg. Unternehmen, die sich in diesem Sinne engagieren, können sich hier für das „Hamburger Familiensiegel“ bewerben. Alle Preisträger werden Ende des Jahres feierlich bei einem Senatsempfang im Hamburger Rathaus geehrt.

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