Hamburg und der Krieg

Viel Unsicherheit, aber auch zahlreiche Hilfsangebote: Was Russlands Krieg in der Ukraine für die Hamburger Wirtschaft bedeutet.
Harburg Marketing e.V.
Riesenerfolg der Spendenaktion für die Ukraine: In der Harburg Info stapelten sich Anfang März die Hilfsgüter.

Von Eric Leimann, 6. April 2022 (HW 2/2022)

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat selbst jene überrascht, die schon länger Wirtschaftsbeziehungen mit dem Land unterhalten. „Bei unserer letzten regulären Sitzung Mitte Februar“, so Merle Andraschko, „hat noch kein Mitglied des Arbeitskreises Osteuropa mit einer solchen Entwicklung gerechnet.“ Andraschko ist als Osteuropa-Referentin der Handelskammer für den Außenhandel mit der Region inklusive Russlands zuständig. Eine „Inklusivität“, die derzeit im Eiltempo abnimmt, denn seit Kriegsbeginn am 24. Februar wird Russland zunehmend vom internationalen Handel ausgeschlossen.

Bis zum 15. März beschloss die Europäische Union allein fünf Sanktionspakete, dazwischen gab es zahlreiche „Updates“. Die Sanktionen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Verbot des Handels mit bestimmten Gütern – und Verbot von Wirtschaftsbeziehungen mit bestimmten Personen, die meist dem Kreml nahestehen. Schon angesichts der humanitären Situation in der Ukraine sind weitere Maßnahmen zu erwarten. Der aktuelle Stand ist auf der Webseite der Kammer nachzulesen (siehe Kasten), Ansprechpartner ist Arne Olbrisch, der bereits zahlreiche „vertiefte Anfragen“ erfolgreich beantwortet hat.

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Arne Olbrisch ist bei der Handelskammer Leiter des Teams „Zoll und Außenwirtschaftsrecht“.

„Wir recherchieren jeden Morgen im Amtsblatt der EU, ob es hinsichtlich der Embargoregelungen etwas Neues gibt“, sagt Olbrisch. „Für die Beratungspraxis ist nicht so relevant, was in den Nachrichtensendungen und Talkshows diskutiert wird, sondern was die EU tatsächlich beschlossen hat und was die Unternehmen ab sofort zwingend beachten müssen. Wir müssen die Änderungen zunächst verstehen und die Informationen dann so für unsere Hamburger Unternehmen aufbereiten, dass alle wissen, was zu tun ist.“

Denn der Krieg hat natürlich auch massive Folgen für die Wirtschaft insgesamt – angefangen mit den derzeitigen Treibstoffpreisen. 85 Prozent der 510 Hamburger Unternehmen, die an einer Blitzumfrage der Handelskammer zwischen dem 16. und dem 18. März teilgenommen haben, gaben an, von den hohen Preisen betroffen zu sein – und 27 Prozent bezeichneten sie gar als existenzbedrohend. Vor allem die Logistik-Branche befindet sich im Krisenmodus. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten fordern eine Senkung der Mehrwertsteuer, 40 Prozent eine Erhöhung der Pendlerpauschale und 38 Prozent einen Tankrabatt.

Eine kurzzeitige Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe wurde Ende März von der Regierungskoalition beschlossen, doch das reicht nicht aus: „Die IHK Nord drängt darauf, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren. Dazu brauchen wir eine sofortige Änderung des Planrechts, um LNG-Terminals im Norden schnellstmöglich zu errichten und weitere Standorte auszumachen“, so IHK-Nord-Vorsitzender Prof. Norbert Aust. Gefordert ist auch der weitere Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energie.

Krise im Osthandel

Doch es geht nicht nur um Energie. Die Hamburger Unternehmen im HK-Arbeitskreis Osteuropa, die mit der Krisenregion zu tun haben, berichten von großen Sorgen um im Krieg festsitzende Mitarbeiter und ihre Familien. Hinzu kommen Probleme aufgrund schneller und damit oft chaotischer Verlagerungen von Handelsströmen wegen abgebrochener Lieferketten: Zu den Kriegsfolgen gehören gesperrte Lufträume und Schifffahrtswege, blockierte Container und feststeckende Lkw. Die Krise betrifft zudem weitere Güter, die bislang in erheblichem Maß aus Russland oder der Ukraine nach Hamburg geliefert wurden, etwa Metalle (Eisen, Aluminium, Stahl, Nickel) und Industriebauteile wie Kabelbäume, die oft aus der Ukraine kommen. Sorgen macht sich auch die Ernährungs- und Futtermittelwirtschaft. Denn der Krieg sorgt für einen enormen Preisdruck bei Getreide, Ölen und Düngemitteln, und die zu erwartenden Ernteausfälle in der Ukraine werden die Lage weiter verschärfen.

Die Lage betrifft eine nicht geringe Anzahl von Unternehmen ganz direkt: Ende 2021 gaben 861 Hamburger Firmen bei der Handelskammer an, Geschäftsbeziehungen mit Russland zu unterhalten. Immerhin 263 handelten mit der Ukraine. Russland belegte damals Platz elf in der Liste der wichtigsten Hamburger Handelspartner, die Ukraine Platz 38. Etwas mehr als 50 Prozent der Importe aus Russland betrafen Mineralöl- und Kokerei-Erzeugnisse. 61 Hamburger Unternehmen gaben an, eine Auslandsvertretung in Russland zu unterhalten, 70 hatten eine Niederlassung und acht eine Produktionsstätte vor Ort. Diese lange gewachsenen Beziehungen müssen nun mit einer dramatischen Krise zurechtkommen, deren Ende nicht abzusehen ist.

Engagement in der Ukraine-Hilfe

Die aktuelle Situation in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe, die schnelle Unterstützung erfordert. Die Hamburger Wirtschaft und zahlreiche private Organisationen engagieren sich deshalb intensiv in der Ukraine-Hilfe, für die Handelskammer koordiniert Katharina Thomsen die Maßnahmen. Dabei gilt es nicht nur, die Logistik rund um Geld- und Sachspenden zu organisieren (siehe Kasten), sondern auch um Jobs für nach Hamburg Geflüchtete. Auf einem „Marktplatz der Begegnung“ konnten Arbeitssuchende und Unternehmen sich kennenlernen und miteinander über niedrigschwellige Einstellungsmöglichkeiten reden.

Konkrete Hilfe im Kriegsgebiet wird zudem von zahlreichen lokalen Initiativen geleistet. So haben südlich der Elbe Harburg Marketing, Harburg Info in der Hölertwiete und der „Harburg Pop Up Store“ im Phoenix-Center Spenden für die Betroffenen des Krieges in der Ukraine gesammelt. Die Hilfsgüter wurden von Harburg aus direkt an die ukrainische Grenze gefahren und dort von Freunden des Harburg Marketing e. V. an Betroffene verteilt. In Zeiten der Krise sorgen Initiativen wie diese für schnelle und direkte Hilfe und machen Mut, dass ein menschlich-friedliches Miteinander in Europa bald wieder die Oberhand gewinnt.

Beratungsangebote

Eine Taskforce der Handelskammer berät zu aktuellen Entwicklungen und Folgen des Krieges für die Hamburger Wirtschaft. Die Kammer sucht den Austausch mit der Politik und koordiniert humanitäre Hilfsangebote. Zentrales Angebot ist der Krisen-Kontakt über krise@hk24.de oder telefonisch unter 36138-5000.

Allgemeine Infos

Allgemeine Informationen der Handelskammer zur Entwicklung im Ukraine-Krieg finden Sie hier. Mehr über aktuelle Sanktionen erfahren Sie hier.

Ukraine-Hilfen durch Unternehmen

Zahlreiche Hamburger Unternehmen unterstützen die Ukraine. Alle Maßnahmen finden Sie unter #WirtschaftHilft der Ukraine.

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