„Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der gesellschaftliche Zweck, daher fußen unsere Entscheidungen immer auf zwei Kernsäulen: Wirtschaftlichkeit und gesellschaftliche Wirkung“, erklärt Svenja Weber, Geschäftsführerin des Dialoghauses Hamburg. Das Unternehmen setzt sich mit pädagogischen Formaten dafür ein, Inklusion erlebbar zu machen und Empathie stärker im sozialen Miteinander zu verankern – unter anderem mit der im Frühjahr 2000 in der Speicherstadt eröffneten Ausstellung „Dialog im Dunkeln“, die Gästen ohne Sehbehinderung die Erfahrungswelt von blinden Menschen nahebringt.
Gemeinwohlbörse Unternehmen, die sich sozial engagieren wollen, brauchen häufig geeignete Kooperationspartner. Um die Suche nach Trägern von Gemeinwohlprojekten zu erleichtern, startete die Handelskammer im Jahr 2015 das Onlineportal „Gemeinwohlbörse Hamburg“.
Im Jahr 2018 wurde die Gemeinnützigkeit in der Rechtsform verankert: Das Dialoghaus Hamburg wurde zur gemeinnützigen GmbH, kurz gGmbH. Diese Sonderform der GmbH kommt häufig zum Einsatz, wenn die Aufgaben in der ehrenamtlichen Arbeit so komplex geworden sind, dass sie nicht mehr über reine Vereinstätigkeit zu leisten sind und eine wirtschaftsorientiertere Organisation mehr Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Beim Dialoghaus Hamburg wiederum erfolgte der Schritt, um den Non-Profit-Gedanken noch mehr in den Fokus zu rücken.
„Wir dürfen Gewinne machen, aber diese müssen der Gemeinnützigkeit unterstellt und reinvestiert werden. Das heißt: Unsere Gesellschafter ziehen für sich keine Erträge aus dem Unternehmen“, erläutert Svenja Weber die gesetzlichen Vorgaben. Auch Spenden und Fördergelder, die neben den Eintrittsgeldern und Einnahmen aus Business-Workshops zur Finanzierungsstruktur gehören, darf das Dialoghaus Hamburg als gGmbH annehmen. Fördergelder als Teil des Erlösmodells bezeichnet Weber allerdings als „mit Aufwand verbundenes Geschenk“, da sie stets mit einem hohen administrativen Einsatz einhergehen.
Sozialunternehmen fördern
Um die Strukturen, Sichtbarkeit und Finanzierung von Unternehmen zu verbessern, deren Geschäftstätigkeit auf soziale oder gemeinnützige Ziele ausgerichtet ist („Sozialunternehmen“), entwickelte die Behörde für Wirtschaft und Innovation in Hamburg eine Social-Entrepreneurship-Strategie, die im Januar 2023 vom Senat beschlossen wurde. An dem Prozess waren Fachleute aus Fachbehörden, Wissenschaft, Wohlfahrt und Zivilgesellschaft sowie mehr als 350 Akteure aus Hamburger Sozialunternehmen beteiligt. Svenja Weber erhofft sich von dieser Allianz, dass sich die Transparenz am Markt erhöht – in Bezug auf die Rollenverteilung der Handelnden, aber auch des Ressourceneinsatzes. Denn nur so ließe sich eine Nachhaltigkeit herstellen, die bestehendes und zukünftiges Social Entrepreneurship (SE) kräftigt.
Das Strategiepapier formuliert für Hamburg das Ziel, ein „vorbildliches Ökosystem“ für SE aufzubauen – schließlich könne „die SE-Community eine Welle auslösen, die die ganze Stadtgesellschaft positiv beeinflusst“. Dafür definiert es vier Handlungsfelder – vom Schaffen geeigneter Strukturen bis zu Wirkungspartnerschaften – und empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, zum Beispiel die Öffnung bestehender Finanzinstrumente, den Ausbau der öffentlichen Förderung für Sozialunternehmen sowie ihre stärkere Berücksichtigung bei der Vergabe städtischer Liegenschaften.
Sozial engagierte Stadt
Als „Leuchttürme“ nennt das Papier neben dem Dialoghaus Hamburg die Trinkwasser-Initiative Viva con Agua und den Getränkehersteller Lemonaid, die jeweils in Entwicklungszusammenarbeit investieren. Zu den Projekten mit Strahlkraft zählt auch das Start-up WILDPLASTIC, das seit 2019 Kunststoffe außerhalb des Recyclingkreislaufs sammelt und zu Müllbeuteln verarbeitet. Und die wellcome gGmbH, 2002 von Pädagogin Rose Volz-Schmidt gegründet, die Eltern entlastet, berät und vernetzt sowie nach der Geburt ihres Kindes unterstützt.
Zu solchen Sozialunternehmen, die teils seit Jahrzehnten Pionierarbeit leisten, kommen immer neue engagierte Firmen hinzu. Seit knapp zwei Jahren ist zum Beispiel Xaver Zeller für die socialbee gGmbH in Hamburg im Einsatz. Die 2015 in München gegründete Non-Profit-Firma will geflüchtete und migrierte Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren und hat sich inzwischen deutschlandweit mit Fokus auf Berlin, Stuttgart und Hamburg ausgeweitet. Mehr als 1000 Menschen hat es bereits an über 260 kooperierende Unternehmen vermittelt.
gGmbH Die Rechtsform der gGmbH wurde 2013 in Deutschland eingeführt. Diese GmbHs sind von Körperschafts- und Gewerbesteuer, Erbschaftssteuer und Solidaritätszuschlag befreit, zum Teil auch von der Umsatzsteuer – oder diese ist auf sieben Prozent reduziert. Ihre Gewinne dürfen ausschließlich für ihren gemeinnützigen Zweck verwendet und in der Regel nicht ausgeschüttet werden. Nicht alle sogenannten Sozialunternehmen sind jedoch als gGmbH organisiert. In Deutschland existiert bisher keine klar abgegrenzte Definition. Ausschlaggebend sei, dass das primäre Ziel „in der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen“ liege, heißt es beim Social Entrepreneur Netzwerk Deutschland.
Dabei werden sie, betont Xeller, mehrere Monate lang von einem Expertenteam vor und während des Berufseinstiegs betreut und qualifiziert, um ein gutes „Onboarding“ und möglichst langfristige Anstellungen zu gewährleisten. Die Rechtsform der gGmbH hat socialbee ganz bewusst gewählt: „Mit mehr als 50 Mitarbeitenden haben wir eine Größe erlangt, bei der ein tragendes Unternehmenskonstrukt wichtig ist, um nachhaltig wirken zu können.“ Nur auf Förder- oder staatliche Mittel angewiesen zu sein, mache den Betrieb zu sehr abhängig von politischen Entwicklungen. Zusätzlich wird socialbee von mehreren Stiftungen unterstützt: Mit rund 1500 dieser Organisationen ist Hamburg nach wie vor Stiftungshauptstadt in Deutschland, allein im Jahr 2022 kamen 32 neue hinzu.
„Hamburg hat eine starke mäzenatische Tradition“, sagt Morten Jendryschik, Projektleiter des Stiftungsbüros Hamburg, das die Präsenz und Vernetzung hiesiger Stiftungen erhöht. Für diese sei der gesamte Bereich des Social Entrepreneurship von großer Bedeutung. „Denn vom Selbstverständnis her waren ja die meisten Stifter:innen selbst Unternehmer:innen mit Gemeinsinn“, erklärt Jendryschik. Die neue Strategie der Stadt zeige, wie nötig es sei, Kontexte und Systeme zu schaffen, um die Beteiligten zu fördern und zu vernetzen. Als positives Beispiel nennt er den Start-Hub der Körber-Stiftung, der junge Menschen auf dem Sprung ins Erwerbsleben dabei unterstützt, Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu entwickeln und umzusetzen – und womöglich selbst ein soziales Unternehmen zu gründen.