Der KI-Boom: Das Potenzial von ChatGPT & Co.

Im November 2022 wurde ChatGPT eingeführt. Seither hat der Chatbot einen regelrechten Boom ausgelöst. Wird Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeit revolutionieren? Und was bringen KI-Tools Unternehmen schon heute?
Illustration: Midjourney (KI-Prompt: Peter Jebsen)
So stellt sich das KI-Kunstprogramm „Midjourney“ Hamburg im Jahr 2040 vor. Zwischen Textbefehl und Bildgenerierung vergingen 45 Sekunden.

Von Sandra Goetz, 5. Juni 2023 (HW 3/2023)

„Wie weit ist Hamburg mit der Digitalisierung?“ Auf diese schlichte Frage antwortet ChatGPT in Sekundenschnelle mit einer sauber geordneten Liste wichtiger Themen wie „Digitale Infrastruktur“, „Start-up-Szene“ oder „Bildung und Forschung“ – und druckreif formulierten Einführungstexten zum Thema. Allein dieses Beispiel illustriert, wie Chatbots – also KI-Anwendungen, die mit uns per Web-Browser in natürlicher Sprache kommunizieren –, die Informationssuche, das Texteschreiben und unsere Arbeitsformen in naher Zukunft verändern könnten. ChatGPT „stellt eine Zäsur für die Digitallandschaft dar“, sagt Niklas Lewanczik, Redaktionsleiter des Hamburger Fachmagazins OnlineMarketing.de – und spricht vom Eintritt „in ein Zeitalter, das verschiedenste Arbeitsprozesse, Alltagshandlungen und Kommunikationswege neu strukturiert“, etwa in der Marketingbranche.

 

ChatGPT: Ein mächtiges Tool

Mitte Mai 2023 verzeichnete ChatGPT weltweit bereits mehr als 100 Millionen Nutzerinnen und Nutzer – Tendenz rasant steigend. Eine Statista-Befragung mit 1200 Teilnehmenden erbrachte, dass 19 Prozent von ihnen den Chatbot bereits nutzen. Und das ist auch kein Wunder, denn ChatGPT beantwortet bei Weitem nicht nur Fragen. „Das Tool kann schon heute viele Arbeiten deutlich erleichtern“, erklärt Social-Media- und Marketing-Spezialist Thomas Roß. „Man darf sich nie auf die Ergebnisse verlassen, muss sie sehr genau überprüfen und nacharbeiten. Aber es liefert eine sehr gute, strukturierte Basis, um mit eigenem Denken und Know-how schneller zu besseren Ergebnissen zu kommen.“ 

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Küstenliebe Fotografie
Anke Nehrenberg, Geschäftsführerin der IT-Beratungsfirma kommitment und Vorsitzende des Handelskammer-Ausschusses für Informationstechnologie

 „Mit ChatGPT lassen sich etwa Marktforschungen und -analysen durchführen“, führt der Inhaber der Beratungsfirma TR3M aus. „Man kann damit geeignete Kommunikationskanäle identifizieren, Ideen für Social-Media-Posts finden oder E-Mails vorformulieren. Das Tool kann auch Daten schnell auswerten, etwa zur Reichweite der eigenen Online-Präsenz, Optimierungsvorschläge machen, Multiplikatoren identifizieren und vieles mehr. Ich nutze es zum Beispiel auch, um Vorentwürfe für personalisierte Angebote an Kunden zu erstellen – und spare so viel Zeit.“

Auch jenseits des Marketings gibt es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für ChatGPT. Es erstellt etwa Programmcodes, schreibt Liebesbriefe – und ist auch bei Azubis und Studierenden zunehmend beliebt. „Schulen und Hochschulen sehen sich derzeit mit einer rasanten Entwicklung der Technologie konfrontiert, die Hausaufgaben schreibt, Studien zusammenfasst oder Präsentationen baut“, sagt Ulrike Dobelstein-Lüthe, Leitung Weiterbildung der Hamburg Media School (HMS). Da eine Überprüfung des Ursprungs von Hausarbeiten bisher schwerfällt, bekommen mündliche Prüfungen „plötzlich einen signifikanten Vorteil gegenüber Texten“, erklärt die Journalistin. Und sie ist sich sicher, dass sich die Medienwelt anpassen muss. Das Media Innovation Program der HMS – eine Weiterbildung für Journalist:innen und Content-Kreator:innen – hat sein Programm daher bereits stärker auf KI und Technologiethemen ausgerichtet.

 

Herausforderungen und Chancen

Auch die Bilderstellung per KI macht rasante Fortschritte. Schon im Juli 2022 erschien etwa die erste Probierversion („Beta“) von „Midjourney“, im selben Monat veröffentlichte ChatGPT-Entwickler OpenAI „Dall-E“: zwei leistungsfähige , inzwischen kräftig weiterentwickelte KI-Tools, die Bilder – wie oben das Titelbild – nach Textvorgaben erstellen.

Der Erfolg von ChatGPT hat zudem den Wettbewerb im KI-Bereich beflügelt: Die Suchmaschine Bing von Microsoft – dem größten Investor von OpenAI – nutzt bereits ChatGPT-4 und soll zur KI-Suchmaschine ausgebaut werden; Google hat ein eigenes, aber noch nicht in Deutschland verfügbares KI-Tool namens „Bard“, und zahlreiche Firmen entwickeln spezielle Plug-ins für ChatGPT.

Doch der Chatbot ist für die Wirtschaft generell eine Herausforderung: „Für Unternehmen, die keine KI nutzen, kann sich das Risiko ergeben, die eigene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber solchen Unternehmen zu verlieren, die das tun. Wie hoch dieses Risiko ist, hängt von der Branche ab“, sagt Olaf Erichsen, CEO der Heldenkombinat Technologies und Mitglied in den IT-Ausschüssen des DIHK und der Handelskammer.

Nur präzise und detailliert formulierte Anfragen bringen bei ChatGPT auch gute Ergebnisse.

Thomas Roß

Und Anke Nehrenberg, Geschäftsführerin der IT-Beratungsfirma kommitment und Vorsitzende des Handelskammer-Ausschusses für Informationstechnologie, erklärt: „Im Ausschuss sind wir uns bisher einig, dass der Einsatz von generativen KI-Anwendungen wie ChatGPT selbst keinen Wettbewerbsvorteil bringt, es aber ein Wettbewerbsnachteil ist, sich nicht damit auseinanderzusetzen – vor allem durch Verstehen durch Ausprobieren. Nicht ChatGPT revolutioniert die Arbeitswelt, sondern die Art und Weise, wie wir generative KI-Anwendungen entwickeln und einsetzen.“

Dieser Einsatz stellt eigene Herausforderungen: „Nur präzise und detailliert formulierte Anfragen bringen bei ChatGPT auch gute Ergebnisse“, sagt Thomas Roß. Fachkompetenz und genaue Kenntnis des Themas seien also nach wie vor gefordert – und das Tool könne Kreativität und eigene Innovationsideen nicht ersetzen. „Sprachmodelle wie ChatGPT brauchen eine kreative Anwendung zur nützlichen Bedienung“, ist auch Florian Woeste, CEO von AdaLab, überzeugt. „Am besten holt man sich hierfür Experten ins Haus.“ Diese könnten die KI durch kreative Eingaben an die Bedürfnisse von Unternehmen anpassen und andere Mitarbeiter bei der effektiven Nutzung der Tools unterstützen.

„Spekulationen über neue Berufsbilder wie etwa ,Prompt Engineering‘, die speziell mit ChatGPT verbunden sind, halte ich für zu kurz gegriffen und der derzeitigen frühen Phase der Verbreitung der Nutzung geschuldet“, meint dagegen Anke Nehrenberg. „ChatGPT beginnt gerade erst, in unsere Arbeitswelt Einzug zu halten. Auf lange Sicht werden es eine Commodity und ein integraler Bestandteil anderer Anwendungen werden, die wir einfach so nutzen – ohne zu wissen, dass ChatGPT oder Ähnliches darin steckt. Es wird eher ein ,Um-zu-Werkzeug‘ sein.“ Die Zukunft bleibt also spannend – doch um sie zu gestalten, müssen wir uns intensiv mit dem Potenzial der neuen KI-Tools auseinandersetzen.

KI-Tools und Infos

ChatGPT Die neueste Version ChatGPT-4 ist im Bezahlabo (etwa 22 Euro/Monat) verfügbar – und demnächst auch eine Reihe von Plug-ins, die OpenAI derzeit sukzessive einführt. Für die kostenlose Version 3.5 können Sie sich hier anmelden.

Midjourney Das KI-Bilderstellungstool „Midjourney“ ist im Abonnement ab 8 Euro monatlich verfügbar. Voraussetzung ist ein Konto beim Online-Dienst Discord.

Perplexity Die Suchmaschine „Perplexity“ beantwortet Fragen mit Künstlicher Intelligenz.

MIP Die Hamburg Media School bietet mit dem Media Innovation Program (MIP) eine sechsmonatige kostenlose Weiterbildung für Medienschaffende und Content-Kreator:innen, die innovative Medienprojekte umsetzen möchten. Der Fokus liegt auf Bewegtbild-Content und KI-Technologien. Bewerbungen sind bis zum 15. August 2023 möglich.

Podcast Der Podcast „Digital Bash“ von OnlineMarketing.de liefert regelmäßig Einblicke ins KI-gestützte digitale Marketing.

Einen Überblick über weitere nützliche KI-Tools zur Texterstellung finden Sie zum Beispiel hier.

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