Doppelt führt besser

Jobsharing auch in Führungspositionen? Die HW zeigt, wie das funktioniert und warum nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Unternehmen von Tandems profitieren.
Ulrich Perrey
„Team Heideck“ in der Handelskammer: Michaela Beck (li.) und Anna Maria Heidenreich

Von Verena Carl, 5. August 2022 (HW 4/2022)

Dieselbe E-Mail-Adresse, gleiche Werte, geteilte Verantwortung: Wer sich bei der Handelskammer zu den Themen „Fachkräfte“ und „Lebenswerte Metropole“ informieren möchte, dem könnte leicht entgehen, dass er es dort nicht mit einer, sondern mit gleich zwei Chefinnen zu tun hat. Das ist volle Absicht, erklärt Michaela Beck. „Wenn Kunden, Mitarbeitende oder Dienstleister sagen: Wir wissen gar nicht, mit welcher von euch wir gesprochen haben, dann ist das genau die Rückmeldung, die wir uns wünschen.“ Seit Anfang 2021 bilden die Politologin Beck und die Verwaltungswissenschaftlerin Anna Maria Heidenreich das „Team Heideck“, und haben dabei nicht nur ihre Nachnamen verschmolzen, sondern bringen auch doppelte Kompetenz, Fachwissen und Berufserfahrung mit.

Wir betrachten es als sportliche Challenge, einander immer wieder zu überzeugen.

„Team Heideck“

Ihre gemeinsame Stunde schlug Anfang 2021, als die Handelskammer im Rahmen einer Neuaufstellung alle Führungspositionen auf Bereichsleiterebene neu ausschrieb. Da beschlossen die beiden langjährigen Handelskammer-Kolleginnen: Wir bewerben uns im Doppelpack auf die Leitung eines 25-köpfigen Teams. Nicht nur, weil beide aus familiären Gründen („Wir haben zusammen zwei Männer und fünf Kinder“) nicht in Vollzeit arbeiten wollten. Auch, um zu zeigen: Führungsverantwortung und Teilzeit sind kein Widerspruch. „Wir haben uns vorher intensiv ausgetauscht: Wo liegen unsere gemeinsamen Werte, wo liegen individuelle Stärken? Wo ergänzen wir uns, wo sind wir füreinander gute Sparringspartnerinnen? Und wäre es nicht für einen Arbeitgeber ideal, statt einer gleich zwei Ansprechpartnerinnen zu haben, die sich bei Urlaub oder Krankheit gegenseitig vertreten können?“, erinnern sich Beck und Heidenreich. „Unser Credo ist: Eins plus eins gleich drei.“

HilkeKrause-Anne Wortmann© Unilever_2
Unilever
Hilke Krause (li.) und Anne Wortmann teilen sich die Stelle des „Country Business Lead“ für die Marke „Ben & Jerry’s“ bei Unilever.

Das überzeugte. Als erstes Führungstandem in der Handelskammer arbeiten seither beide auf 25-Stunden-Basis, tageweise einzeln, tageweise parallel, und sorgen mithilfe von digitalen Tools und viel informeller Kommunikation dafür, dass sie stets auf demselben Informationsstand sind. Meinungsverschiedenheiten? Kein Thema, sagen beide: „Wir betrachten es als sportliche Challenge, einander immer wieder zu überzeugen. Das ständige gegenseitige Coaching treibt uns an.“

Auf der Handelskammer-Infoseite über Arbeitszeitmodelle finden Sie weitere Details zum Thema Jobsharing. Am Mittwoch, dem 5. Oktober, lädt die Handelskammer von 8:30 bis 10:30 Uhr zum zweiten Mal zu einem Tandem-Roundtable ein. Interessierte Führungspaare können sich beim „Team Heideck“ anmelden. „Team Heideck“ ist auch im Podcast „Führungsfragenkarussell“ mit Susanne Ringen zu hören: „Führung im Tandem? Das geht!

Führungstandems setzen sich in der Hamburger Wirtschaft zunehmend durch, etwa bei der Beratungsfirma Accenture, beim Beiersdorf-Konzern und bei Unilever. Und alle Seiten profitieren davon. Geteilte Jobverantwortung macht Mitarbeitende zufriedener und bindet sie so längerfristig loyal an das Unternehmen. Ein handfester, geldwerter Vorteil in einer Stadt, in der bis zum Jahr 2035 geschätzt 133 000 Fachkräfte fehlen werden und das Ringen um Bewerberinnen und Bewerber härter wird. Dabei sind Karrieremöglichkeiten in Teilzeit nicht nur aus Vereinbarkeitsgründen interessant, für Mütter wie für Väter, auch andere Gründe machen das Konstrukt für Männer wie Frauen attraktiv: bessere Work-Life-Balance, Zeit für ehrenamtliches oder politisches Engagement, die Möglichkeit, mehrere Karrierepfade gleichzeitig voranzutreiben.

Letzteres motiviert Hilke Krause, die bei der Unilever-Marke „Ben & Jerry’s“ gemeinsam mit Anne Wortmann als „Country Business Lead“ für die DACH-Region fungiert. Teamname: „Blondie & Brownie“ – nach den Haarfarben, aber auch nach den Lieblings-Eissorten. „Blondie“ Hilke Krause bündelt als Teilzeit-Führungskraft mehrere berufliche Interessen: Die Betriebswirtin und Marketing-Expertin hat eine Weiterbildung zum Agilen Coach absolviert und verbringt einen festgelegten Teil ihrer Arbeitszeit damit, bei Unilever interne Transformationen zu begleiten. Ihre Festanstellung in Sachen „Ben & Jerry’s“ plus Coachings beläuft sich auf insgesamt 90 Prozent. Einen Tag pro Woche hat sie frei, an dem sie nebenbei ein selbstständiges Business aufbaut oder auch einfach ihre Freizeit genießt.

Wenn Mitarbeitende mehrere Karrierepfade parallel entwickeln, sind sie damit für ihren Arbeitgeber auch universeller einsetzbar.

Hilke Krause

Ein Jonglieren mit vielen Bällen, aber auch Krause empfindet es als Win-win-Situation für alle Seiten: „Wenn Mitarbeitende mehrere Karrierepfade parallel entwickeln, sind sie damit für ihren Arbeitgeber auch universeller einsetzbar. Anne und ich decken ein Spektrum an Kenntnissen und Erfahrung ab, wie es eine einzelne Person nie leisten könnte. Und mit etwa zehn Jahren Altersabstand und unterschiedlichen Lebenssituationen ergänzen wir uns nicht nur fachlich und thematisch, sondern auch mit unterschiedlichen Blickwinkeln.“ Entscheidend für die Akzeptanz eines Führungsduos seien nicht nur Absprache untereinander und gemeinsame Reflexionsfähigkeit, sondern auch die offene, wertschätzende Kommunikation gegenüber Team, Geschäftspartnerinnen und -partnern sowie Vorgesetzten.

Bei Unilever sind Top-Tandems schon lang etabliert, allein der engste Führungszirkel im Eiscreme-Geschäft für den deutschsprachigen Markt besteht aus sieben Personen auf vier Stellen. Auch die Vorbilder für Hilke Krause und Anne Wortmann saßen im eigenen Konzern. Die Senior Vice Presidents für das Eiscreme-Geschäft in der DACH- und BENELUX-Region Angela Nelissen und Christiane Haasis haben bereits vor zwölf Jahren Pionierarbeit in Sachen Führung in Teilzeit geleistet. Von ihnen, sagt Krause, habe sie die wichtigste Lektion gelernt. „Große Egos haben in dieser Konstruktion keinen Platz. Dafür viel Vertrauen, Offenheit und die Fähigkeit zur Kommunikation. Unser wichtigster Job ist es, die jeweils andere gut aussehen zu lassen, sie bestmöglich zu unterstützen.“ Klingt nach einer Haltung mit Zukunft – nicht nur für Hamburg.

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