Seit dem 24. April sind Hamburg und Kyiv, so die offizielle ukrainische Umschrift des Namens der Dreimillionenstadt am Dnjepr, deutlich zusammengerückt. An jenem Sonntag verkündeten die Bürgermeister der beiden Handelsmetropolen, Dr. Peter Tschentscher und der per Video zugeschaltete Dr. Vitali Klitschko, einen „Pakt für Solidarität und Zukunft“. Der Inhalt: Zuerst soll humanitäre Hilfe für die Hauptstadtregion geleistet werden, in Phase zwei eine strategische Partnerschaft der Städte zum Aufbau enger wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen folgen. Die Handelskammer nimmt dabei eine Schlüsselstellung ein.
Philip Koch leitet bei der Handelskammer den Stabsbereich „Strategie und Internationale Beziehungen“. Hier laufen die Ukrainehilfe und die Beratung der Mitglieder zu Sanktions- und Kriegsauswirkungen zusammen. „Wir haben von den Hamburger Firmen berichtet bekommen“, erzählt Koch, „dass die Spendenbereitschaft ihrer Kunden zu Kriegsbeginn sehr hoch war. Sie haben eine solche Solidarität selten erlebt. Aber nach der vierten oder fünften Woche Krieg ließ es nach. Weitere Hilfeleistungen zu organisieren und zu strukturieren, ist eine der Hauptideen hinter diesem Städtepakt.“
Tatsächlich müssen Helfende kreativ werden, wenn Menschen zwar grundsätzlich hilfsbereit sind, die Ukraine aber aufgrund der Länge des Krieges ein wenig aus dem Fokus verlieren. Deshalb lenkt der Städtepakt in Kooperation mit #WeAreAllUkrainians und dem Verein Hanseatic Help e. V. die Aufmerksamkeit erneut auf die humanitäre Katastrophe mitten in Europa. Durch den direkten Draht nach Kyiv über die langjährigen Wahlhamburger Vitali und Wladimir Klitschko können hiesige Unternehmen nun noch gezielter spenden und unterstützen.
Erste Partner verkündete Handelskammer-Präses Prof. Norbert Aust bei der Pressekonferenz am 24. April „Ich freue mich sehr, dass ich heute schon Unternehmen vorstellen kann, die sofort zugestimmt haben, sich für den Städtepakt zu engagieren. Budnikowsky, die Hamburger Sparkasse, fritz-kola oder die Fruitwork Handelsgesellschaft sind dabei, wie auch die REWE Region Nord und die PSD Bank Nord.“ Mittlerweile ist die otto group als weiteres großes Hamburger Unternehmen hinzugekommen.
Wir merken jetzt erst, wie wichtig die Ukraine für viele Dinge unseres täglichen Bedarfs ist.
Philip Koch
Dabei ist die Hilfe der Unternehmen durchaus unterschiedlich. Fruitwork spendet zehn Paletten (12 960 Beutel) Studentenfutter. Limonadenhersteller fritz-kola liefert 23 000 Liter Wasser in die Krisenregion. Auch Geldspenden, darauf weisen Hilfsorganisationen immer wieder hin, sind sehr willkommen. In diesem Sinne sammelt Budnikowsky mit einer „Aufrunden“-Aktion Spenden, die zunächst UNICEF und seit Mitte März für die Versorgung und Unterstützung von Geflüchteten hier vor Ort eingesetzt werden.
Bereits Anfang April, etwa sechs Wochen nach Kriegsbeginn, waren rund 16 000 Geflüchtete aus der Ukraine in Hamburg registriert. Hilfe ist deshalb auch in der Hansestadt vonnöten. Für Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach Hamburg geflüchtet sind, stellen engagierte Unternehmen und Privatleute Unterkünfte, Geld- und Sachspenden, Büroräume, „Shared Desks“ oder auch Jobs bereit. Einen Überblick über Möglichkeiten der Unterstützung finden Sie auf der Handelskammer-Seite #WirtschaftHilft der Ukraine
Zum Plan gehört auch, dass der Städtepakt langfristig zu einem engeren Zusammenrücken Hamburgs und Kyivs führt. Trotz vielfältiger Beziehungen wurde dem europäischen Nachbarland in der Vergangenheit tatsächlich nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, wie Philip Koch es auf den Punkt bringt: „Wir merken jetzt erst, wie wichtig die Ukraine für viele Dinge unseres täglichen Bedarfs ist – auch in der Industrie. Ich glaube, dass die Bedeutung der Ukraine noch weiter wachsen wird, wenn wieder Frieden da ist. Das ist ein großes europäisches Land, im IT-Bereich gut aufgestellt, für die Ernährungswirtschaft und auch den Maschinenbau sehr wichtig. Unter anderem in Sachen resilientere Lieferketten.“
Unter kyiv.hamburg.de finden Sie Informationen, wie Sie sich an der Hilfsaktion beteiligen können – und können den „Pakt für Solidarität und Zukunft“ im Wortlaut lesen. Die Internetseite wird fortlaufend aktualisiert und steht auch in ukrainischer und englischer Sprache zur Verfügung. In sozialen Netzwerken verwenden die Projektbeteiligten den Hashtag #HamburgKyiv.
Viele Wirtschaftende, so Koch, würden im Angesicht zuletzt geballt auftretender Krisen das „just in time“-Gebot infrage stellen und zu einer sichereren „just in case“-Denkweise zurückkehren. Es ist nicht mehr normal, dass alles, was wir benötigen, auf dem Weltmarkt schnell verfügbar ist: Das ist eine der großen Lehren aus den letzten globalen Krisenjahren. Doch gerade angesichts dieser Erkenntnis ist es wichtig, gute Partner und Freunde zu haben.