Hamburgs beliebteste Arbeitgeber

Exzellenz, Individualität und Familie: Mit welchen Maßnahmen gelingt es Unternehmen, Mitarbeitende an sich zu binden? Die HW hörte sich unter den Top-Firmen der aktuellen Rangliste von „Stern“ und Statista um.
Frank von Wieding/achtung! GmbH
Kreative Ideen zum Beispiel hinter U-Bahn-Türen entwickeln: Google Germany, Hamburgs beliebtester Arbeitgeber, setzt auf originelle Arbeitsplätze.

Von Jan Freitag, 6. April 2022 (HW 2/2022)

Warum arbeiten Menschen gern dort, wo sie arbeiten? Die Antworten fallen, wenig verwunderlich, ganz unterschiedlich aus. Aus- und Einkommen stehen seit jeher oben auf der Motivationsskala, Ansehen und Selbstverwirklichung liegen ebenfalls weit vorn. Doch in den vergangenen Jahrzehnten kamen als wichtige Momente unter anderem flache Hierarchien, Teamgeist, flexible Strukturen und Arbeitszeiten und damit insbesondere die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit hinzu.

Welche großen Unternehmen als Arbeitgeber Spitzenplätze einnehmen, zeigt eine Umfrage: Das Hamburger Portal Statista und die Zeitschrift „Stern“ baten im Sommer 2021 bundesweit rund 50 000 Beschäftigte von gut 2600 Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden aus 24 Branchen, die Personalfreundlichkeit ihrer Betriebe zu bewerten. An der Spitze des Beliebtheitsrankings steht der hessische Süßwarenhersteller Ferrero, es folgen Global Player wie Adidas und drei Autohersteller. Doch auf den weiteren Rängen finden sich schon bald Firmen mit Sitz an Alster und Elbe. Die deutsche Google-Zentrale liegt zum Beispiel an 13. Stelle, gefolgt von Airbus und – mit einigem Abstand – Beiersdorf, Jungheinrich und der Techniker Krankenkasse. Von Otto und Domino’s über Hoyer und die Berenberg Bank bis hin zu Bijou Brigitte und Bonprix decken Hamburgs Top 30 fast alle Wirtschaftssparten ab.

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Frank von Wieding/achtung! GmbH
Bei Google Germany brainstormt man auch schon mal im Pool.

Die Gründe fürs Wohlgefühl beim Broterwerb variieren, doch im Vergleich zur Vergangenheit hat sich einiges verändert, sagt Sascha Schneider. „Während es früher um Renommee und Geld ging“, weiß der Leiter des Handelskammerausschusses für Bildung und Fachkräfte aus seiner Zeit als Chief People Officer bei Montblanc-Simplo, sind nun „Kommunikation, Transparenz, Feedback oder Empowerment“ zentral für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz – und zunehmend auch die ethische Selbstreflexion: „Für welche gesellschaftlichen Ziele trage ich mit meiner Arbeitskraft bei?“, fragt Schneider stellvertretend für alle. „Was bewirke ich für die Umwelt, den Zusammenhalt, das größere Ganze?“

Für das Wohl der Menschen

Ute Düvelius, beim UKE für Personalgewinnung und -bindung zuständig, hat für die 14 100 Angestellten des Krankenhauses auf Platz 13 der lokalen Beliebtheitsliste eine klare Antwort: Sie bewirken eine Menge! Im UKE stünden schließlich alle für „das Wohl der Menschen“ – oder, wie es der Beschäftigungsexperte Schneider ausdrückt, für „Purpose und Unternehmenszweck“. Ob in Klinik, Forschung, Lehre, Service oder Verwaltung: Für diese Ziele arbeiten die Beschäftigten gern zusammen, so Düvelius. Dafür müsse man ihnen aber auch etwas mehr bieten als gute Anbindung in zentraler Lage in einer lebenswerten Hafenmetropole.

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UKE
Ute Düvelius, Koordinatorin von UKE INside

Tatsächlich sorgt das UKE nicht nur fürs physische und psychische Wohl der Versorgten, sondern auch für das der Versorgenden. Ute Düvelius nennt insbesondere den Erwerb individueller Gesundheitskompetenz und ein breites Angebot „von Yoga und Kreativkursen bis zu flexibler Arbeitszeit, Weiterbildung oder Ferienbetreuung“. Schon 2017 wurde das UKE als familienfreundliches Unternehmen ausgezeichnet – unter anderem auch wegen der eigenen Kindertagesstätte und Angeboten wie der Einrichtung eines Langzeitkontos und einer Auszeit in Form eines Sabbaticals.

Für viele Hamburger Personalverantwortliche ist es das Zusammenspiel aus Achtsamkeit und Vertrauen, Verlässlichkeit und Perspektiven, das positiven Zuspruch bei den Beschäftigten erzeugt. Das gilt zum Beispiel auch in der ABC-Straße, wo 2003 Europas erste Google-Niederlassung Platz fand: Recruiterin Carolin Ochsendorf unterstreicht die „offene Feedback- und Diskussionskultur mit Teilzeitmodellen, Jobsharing, Rotationsprinzip“ – also all das, was bei Start-ups inzwischen Standard ist. Ebenso wie die gruppendynamische Grundversorgung junger Belegschaften, Biokost inklusive. Als die Pandemie viele ins Homeoffice zwang, hielt Google den Zusammenhalt mit digitalen Sport- und Kochangeboten aufrecht. „Das mag wie eine Kleinigkeit klingen“, sagt Carolin Ochsendorf, es habe aber „etwas Bürofeeling nach Hause gebracht“. Und sicher trug es auch dazu bei, dem Unternehmen den ersten Platz im lokalen Arbeitgeberranking zu sichern.

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HHLA
Julia Meining, Personalreferentin der HHLA

Manche Start-up-Klassiker wie „den Kicker im Aufenthaltsraum“ jener Tage, als das Internet noch wirklich Neuland war, betrachtet Montblanc-Simplo-Prokurist und Executive Vice President Schneider allerdings eher als „Pop“ und meint, Mitarbeitende würden doch etwas mehr Tiefgang erwarten. Wichtig sei, in welche Unternehmenskultur Zusatzangebote wie der betriebseigene Barista oder Bowling nach Feierabend eingebunden sind. Je nach Branche, Alter, Personalstruktur kann die Kultur schließlich stark variieren.  Bei Häusern mit 137-jähriger Geschichte wie der HHLA tragen denn auch „Verlässlichkeit, Stabilität und Sicherheit“ – integriert in „selbstorganisierte Entscheidungsfreiräume“ und gepaart mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatem – wesentlich zum betrieblichen Wohlgefühl bei, so Personalreferentin Julia Meining.

Mit Begeisterung und intrinsischer Motivation

Derlei Dreiklänge nennen personell Zuständige der arbeitnehmerfreundlichsten Hamburger Unternehmen häufig. Als Gründe für die gute Bewertung der Techniker Krankenkasse sieht Landeschefin Maren Puttfarcken „Digitalisierung, Technologie, Mensch“ – und beschreibt gleichzeitig, etwas konkreter, Rahmenbedingungen wie „die 35,5-Stundenwoche, eine ausgeprägte Lernkultur und ein hohes Maß an Eigenverantwortung“. Roman Martin, Personalleiter des Binnenlogistikers Jungheinrich, nennt „kollegialen Zusammenhalt, wertegetriebenen Unternehmergeist, nachhaltige Innovationskraft“ als Gründe für die Position des Unternehmens an vierter Stelle des lokalen Beliebtheitsrankings. Und Christian Harringa, kaufmännischer Direktor des Teilchenbeschleunigers DESY, sieht „Exzellenz, Individualität und Familie“ als Zufriedenheitsgaranten der Belegschaft an: „Mit herausragender Grundlagenforschung schaffen wir erkennbar Einzigartiges“, erläutert er, weshalb die Arbeit unter und über Bahrenfeld „in hohem Maße von Begeisterung mit intrinsischer Motivation“ getragen sei.

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Anna Mutter
Christian Harringa, administrativer Direktor des DESY

Mit Angestelltenstolz allein ist Listenplatz 8 allerdings nicht zu erreichen, und Harringa verweist abseits von „großzügiger Vergütung“ auch auf brandneue Büroformen, die gerade auf dem DESY-Campus erprobt werden. Sie heißen „Mock-up-Office“ und sollen die Mobilität am Standort international konkurrenzfähiger Technologie-Cluster durch die Vernetzung von privatem und betrieblichem Arbeitsplatz revolutionieren. Auch bei DESY sind zudem familienfreundliche, flexible Arbeitszeitmodelle selbstverständlich.

Mobilität und Agilität, also geistige und strukturelle Beweglichkeit, sind generell Zauberwörter für zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Software-Hersteller slashwhy etwa betrachtet sie als maßgeblich für positive Bewertungen durchs eigene Personal, zum Beispiel auf dem Bewertungsportal Kununu – das wie Statista in Hamburg ansässig ist. „Menschlichkeit, Begeisterung, Mut, Teamgeist, Verantwortung, Vertrauen und Wertschätzung“: Diese Momente nennt Managing Director Kai Bergmann als Gründe der Zufriedenheit der 48 Angestellten des mittelständischen Unternehmens, die in Hammerbrook arbeiten.

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Jungheinrich AG
Jungheinrich investiert in die Ausbildung – und bietet unter anderem ein duales Studium an.

Ungeachtet der Betriebsgröße und der Chance, kostspielige Abteilungen für Human Ressources zu unterhalten, sind die Ursachen wechselseitiger Wertschätzung im Ladengeschäft schließlich ähnlich wie im DAX-Konzern. Es geht um Struktur. Es geht um Vertrauen. Es geht um Kultur. Es geht um Wertschätzung. Es geht um Kommunikation. Es geht um Flexibilität. Es geht um Feedback. Es geht um Haltung. Es geht um Stolz und manchmal auch um Träume. Es geht also um alles, was Menschen das Gefühl gibt, gebraucht zu werden und Brauchbares zu tun. Die Größe allein ist nicht entscheidend. „Die persönliche Ebene ist in Start-ups leichter umsetzbar als in Konzernen“, sagt Sascha Schneider als Vertreter von Montblanc und Handelskammer. Größere Unternehmen wiederum böten „mehr Austausch, größere Netzwerke, höhere Mittel, um Agilität zu fördern“.

Zufriedenes Personal für zufriedene Kundschaft

Wie wichtig diese Bereitschaft zum stetigen Wandel ist, zeigen auch die Ergebnisse des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität, das seit 2002 die 100 personalfreundlichsten Mittelständler Deutschlands kürt – darunter zuletzt elf aus Hamburg. Vom Personaldienstleister ENITAS über die IT-Beratung Sitegeist bis zum Healthcare-Händler Chiesi: Sämtliche Top-Job-Preisträger betonen ihre agile Unternehmenskultur. Für deren Pflege und Weiterentwicklung investiert Kai Bergmann von slashwhy deshalb ein bisschen mehr, als es der Betriebsgröße entspricht. Vor dem Umzug in zentralere Büros mit mehr Platz für mehr Beschäftigte schuf er den Posten eines „Corporate Culture Coordinators“. Klingt nach AG, ist aber GmbH. Beide haben ja auch das gleiche Ziel: zufriedenes Personal für zufriedene Kundschaft.

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Kai Bergmann, Managing Director von slashwhy

Am schönsten ist es natürlich, wenn die Menschen im Betrieb nicht nur ideale Arbeitsbedingungen vorfinden, sondern sich mit ihrem Job auch die erwähnten Träume erfüllen. Laut Julia Meining gilt das etwa für die Belegschaft der HHLA: „Wenn sie da oben auf der Containerbrücke stehen und Schiffe be- oder entladen“, berichtet die Personalreferentin aus ihrer Abteilung, „erfüllen sich viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kindheitsträume.“

Spitzenreiter

Die 30 besten Arbeitgeber Hamburgs (ohne Medienunternehmen):

1. Google Germany (Internet) 2. Airbus (Luftfahrtindustrie) 3. Beiersdorf (Verbrauchsgüter) 4. Jungheinrich (Maschinenbau) 5. Techniker Krankenkasse (Versicherung) 6. Hamburg Wasser (Versorgung) 7. Hapag-Lloyd (Verkehr und Logistik) 8. DESY (Forschung) 9. Lufthansa Technik (Luftfahrtindustrie) 10. Stromnetz Hamburg (Versorgung) 11. Still (Maschinenbau) 12. HHLA (Verkehr und Logistik) 13. UKE (Gesundheit) 14. Tchibo (Verbrauchsgüter) 15. About You (Internet) 16. Otto Group (Einzelhandel) 17. Domino’s (Gastronomie) 18. Hoyer (Verkehr und Logistik) 19. Peek & Cloppenburg (Bekleidung) 20. Bijou Brigitte (Einzelhandel) 21. Kühne (Lebensmittel) 22. Panasonic (Elektronik) 23. Berenberg (Bank) 24. Signal Iduna (Versicherung) 25. Fielmann (Einzelhandel) 26. Arcelor-Mittal (Werkstoffe) 27. Ev. Stiftung Alsterdorf (Gesundheit und Soziales) 28. British American Tobacco (Verbrauchsgüter) 29. Philips (Elektronik) 30. Bonprix (Bekleidung)

Top im Mediensektor

Laut Kress und Kununu sind diese Publikumsmedien Deutschlands beste Arbeitgeber 2022:

1. Burda Verlag, Publishing Premium News 2. Gruner + Jahr (Hamburg) 3. Hubert Burda Media 4. Spiegel-Verlag (Hamburg) 5. Mediengruppe Klambt

Dialog

Wie sorgen Sieals Unternehmen dafür, dass Ihre Beschäftigten gern bei Ihnen arbeiten? Und was macht für Sie als Arbeitnehmende den idealen Arbeitgeber aus? Diskutieren Sie mit!

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