Die Zahlen sind beeindruckend: Mit mehr als 1500 Stiftungen ist Hamburg nach wie vor Stiftungshauptstadt in Deutschland. Rund zwölf Milliarden Euro Stiftungskapital werden zwischen Alster und Elbe verwaltet. Besonders bemerkenswert zeigt sich das Engagement in der Hansestadt bei den Hamburger Stiftungstagen im September. Unter dem Motto „Vielfalt vereint!“ ist bei mehr als 200 Veranstaltungen zu erleben, wie Stiftungen in alle gesellschaftlichen Bereiche hineinwirken.
Doch woher kommt dieser große Einsatz? „Das liegt in der Tradition der Freien und Hansestadt begründet“, meint Dr. Dagmar Entholt-Laudien. „Die Kaufleute haben ohne Landesherren immer schon für sich selbst gesorgt und somit auch für das Gemeinwohl.“ Die Juristin ist Vorstandsvorsitzende der BürgerStiftung Hamburg, die seit 1999 von einer Gemeinschaft an Stiftenden und Spendenden getragen wird.
Entholt-Laudien berät Unternehmen und Einzelpersonen, die ihr Vermögen langfristig einem guten Zweck zur Verfügung stellen möchten. Denn 95 Prozent der rund 25 000 rechtsfähigen Stiftungen in Deutschland arbeiten gemeinnützig. Bei den restlichen fünf Prozent handelt es sich um sogenannte privatnützige Stiftungen, mit denen sich zum Beispiel der Nachlass ordnen lässt, um nachfolgende Generationen einer Familie gesichert finanziell zu unterstützen.
Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher ist Schirmherr der Hamburger Stiftungstage, an denen sich 120 Stiftungen beteiligen. Das kostenlose Programm umfasst Ausstellungen, Workshops, Spaziergänge, Theater, Konzerte, Pflanzaktionen, Vorträge und Debatten. Am Eröffnungstag, dem 6. September, ist Bundespräsident a. D. Christian Wulff zu Gast in der JazzHall. Den Abschluss bildet am 14. September ein Fest auf dem Rathausmarkt. Dort wird unter anderem Hamburgs längste Tafel für Demokratie errichtet. Gemäß dem Motto der Stiftungstage: „Vielfalt vereint!“. Weitere Infos finden Sie hier.
Steuerliche Begünstigungen wie die Befreiung von der Körperschaftsteuer greifen allerdings erst, wenn das Finanzamt eine Gemeinnützigkeit feststellt. Dem Narrativ, gemeinnützige Stiftungen seien Steuersparmodelle, tritt Entholt-Laudien entschieden entgegen. „Der Prozess beginnt damit, dauerhaft etwas Gutes tun zu wollen.“ Und es muss klar sein: Mit der Gründung ist das Geld weg, und die Stiftung muss zudem auf Ewigkeit verwaltet werden.
Selbstständige Stiftungen seien daher erst ab einem Stiftungskapital von rund fünf Millionen Euro wirklich effektiv. Denn erst dann decken die Zinserträge nicht nur den strukturellen Aufwand, sondern der altruistische Wille der stiftenden Person oder Organisation lasse sich auch nennenswert und nachhaltig umsetzen. Bei geringerem Vermögen empfiehlt Entholt-Laudien andere Modelle wie etwa eine Zustiftung zum Grundstock einer bestehenden Stiftung oder eine Treuhandstiftung, bei der das Vermögen einem gemeinnützigen Träger übergeben und von diesem verwaltet wird.
Eine Stiftung zu gründen, kann dennoch klare ökonomische Vorteile bieten, etwa bei der Akquise und Bindung von Mitarbeitenden. „Eine gemeinnützige Stiftung zu betreiben, steigert die Attraktivität eines Unternehmens und ist ein starker ‚Selling Point‘ am Arbeitsmarkt“, erklärt Dagmar Entholt-Laudien. Die Stiftungsarbeit fördere Demokratie und verbessere die Lebenssituation der Menschen, was letztlich auch den Wirtschaftsstandort stärke.
Dieser Ansicht ist auch Dorit Otto, Vorstandsvorsitzende der Dorit & Alexander Otto Stiftung, die zu den Partnern der Hamburger Stiftungstage gehört. „Soziales Engagement ist auch für Unternehmen von zentraler Bedeutung, um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und die Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrer Firma zu stärken“, erklärt Otto. Um dieses Ziel zu erreichen, sei es wichtig, passende Förderschwerpunkte festzulegen. Abhängig von den verfügbaren Mitteln sollten die Unternehmen dann entscheiden, ob die Gründung einer eigenen Stiftung oder die Förderung einer bereits bestehenden Hamburger Stiftung sinnvoller sei.
Kirsten Wagner, Geschäftsführerin der NORDMETALL-Stiftung mit Sitz in Hamburg, sieht die große Stärke von Stiftungen in deren Krisensicherheit. Wagners Organisation wurde 2004 vom Arbeitgeberverband NORDMETALL e. V. gegründet, dem gut 280 Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und im nordwestlichen Niedersachsen angehören.
In enger Abstimmung mit dem Stifter werden Projekte in den Bereichen Bildung und Wissenschaft, Gesellschaft und Kultur geplant und unterstützt. „Wir wurden in wirtschaftlich sehr guten Zeiten gegründet, als die Zinsen noch deutlich höhere Erträge erbracht haben“, sagt Wagner. In der aktuellen Situation mit multiplen Krisenlagen könne die Stiftung nun dennoch weiter an ihren Themen arbeiten. Gerade während der Pandemie sei der Stiftungssektor bundesweit noch enger zusammengerückt. „Da die Stiftungen nicht im Wettbewerb zueinander stehen, wird Wissen sehr bereitwillig untereinander geteilt.“
Die NORDMETALL-Stiftung hat ein Vermögen von 80 Millionen Euro. Mit einem kleinen Team verwaltet Wagner die Erträge daraus und fördert mit einem jährlichen Volumen von mehr als einer Million Euro: „Unser Ziel ist es, den Norden Deutschlands zu stärken. Besonders am Herzen liegt uns die Förderung praxisorientierter MINT-Bildung, die jungen Menschen wichtige Zukunftskompetenzen und Einblicke über berufliche Arbeitsfelder bietet. Außerdem stärken wir kulturelle und demokratische Teilhabe.“
Im Detail lassen sich die Stiftungen dieser Stadt vom 6. bis zum 14. September kennenlernen. „Die Hamburger Stiftungstage bieten die Möglichkeit, sich im Gespräch ein persönliches Bild über die Vielfalt des Engagements zu machen und Stiftungen als Förderer für sich zu gewinnen“, konstatiert Dorit Otto. „Stiftungen leisten einen wesentlichen und immer noch stetig wachsenden Beitrag für das Funktionieren und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft – in der Bildung, in Medizin und Wissenschaft, in Kunst und Kultur, im Umwelt- und Klimaschutz sowie im Sozialen und im Sport.“