Resilienz in Kriegszeiten

Angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen und sich häufender Krisenszenarien informierte die Handelskammer am Mittwoch darüber, wie sich die Hamburger Wirtschaft auf potenzielle Bedrohungslagen vorbereiten kann.
Kati Jurischka
Kapitän zur See Kurt Leonards (li.), Kommandeur des Hamburger Landeskommandos, und  Konteradmiral Ralf Kuchler, Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, beim Dialogforum „Sicherheit und Resilienz“.

Von Undine Gerullis, 7. Mai 2025

Eine Woche lang soll das Notstromaggregat den Betrieb vom Krankenhaus Jerusalem in Eimsbüttel am Laufen halten, sollte der Strom länger ausfallen. Doch tut es das wirklich? Eine Frage, die Geschäftsführer Hans-Martin Kuhlmann nach seinem Besuch des Dialogforums „Sicherheit und Resilienz“ am Mittwoch in der Handelskammer nun unbedingt klären will. „Ausgetestet haben wir die lange Laufzeit noch nie“, sagt Kuhlmann.

„Jedes Unternehmen sollte verschiedene Katastrophenszenarien angesichts der aktuellen geopolitischen Bedrohungslage unbedingt durchspielen“, ist eine Forderung, die Holger Berens, Vorstandsvorsitzender vom Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastruktur (BSKI), an die rund 250 Forum-Teilnehmer richtete. Das große Interesse aus der Hamburger Wirtschaft zeigt, wie hoch der Informationsbedarf in den Unternehmen ist.

„Nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht im Krieg. Wir sind gut beraten, uns auf den Worstcase vorzubereiten“, beschreibt Konteradmiral Ralf Kuchler, Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, die aktuelle Krisenlage.

„Cyberattacken, Drohnenüberflüge, Desinformation – die Bedrohung ist hybrid, und die Stadt Hamburg mit ihrem Hafen und als Drehscheibe für Logistik bekommt diese besonders zu spüren“, so Kapitän zur See Kurt Leonards, Kommandeur des Hamburger Landeskommandos. Eine Lage, die verunsichert und auf die die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft Antworten suchen. „Was wir jetzt brauchen, ist ein Mindset-Change und den Willen, etwas zu tun“, so Kuchler. Im Falle von Unternehmen heiße das zu überlegen, in welchen Zeiten sie Mitarbeiter für die Reserve der Bundeswehr bereitstellen könnten.“

Ein Thema, mit dem sich Firmen erst jetzt zu beschäftigen beginnen. „Ich habe erst vor kurzem erfahren, dass die Bundeswehr für Reservistinnen und Reservisten im Einsatzfall den Lohn fortzahlt“, bestätigt Incken Wentrop, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Zech Group.

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Philip Koch, Geschäftsführer und Leiter Stabsbereich International der Handelskammer Hamburg

Die Rekrutierung von Reservisten ist das eine, die Risikobewertung und die Erstellung von Notfallplänen für jedes einzelne Unternehmen das andere. Zwischen 1600 und 1800 Unternehmen zählen laut Berens in Deutschland zur kritischen Infrastruktur, da sie wesentliche Leistungen zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger gesellschaftlicher Funktionen, der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit, der Umwelt und der wirtschaftlichen Abläufe erbringen. „Dazu zählen teils auch Zulieferer für Unternehmen mit kritischer Infrastruktur. Das sollte jeder für sich herausfinden“, rät Berens.

Zudem empfiehlt er, Mitarbeitenden zu überprüfen – auch die in der Kantine oder in der Reinigung –, denn die Gefahr, dass sich darunter „Schläfer“ befinden, die für gezielte Sabotageakte von innen heraus gegen das Unternehmen angeheuert wurden, ist gegeben.

Die Überprüfung der Belegschaft allerdings sei in Deutschland angesichts strikter Datenschutzgesetzte kaum möglich, wirft der Sicherheitsmanager eines weltweit agierenden Energieunternehmens ein. Umso wichtiger sei es, „wachsam zu sein und Augen und Ohren offen zu halten“, gibt er den Anwesenden als Tipp mit auf den Weg.

Doch am Ende ist das Risiko Mensch die wohl größte Gefahr. Das kann Freya Oehle, Geschäftsführerin des Softwareentwicklungsunternehmens Dreitausendsassa GmbH, bestätigen: „Der sorglose Mitarbeiter ist meist das Einfallstor für Cyberattacken.“ In mittelständischen Unternehmen spüre sie aktuell eine große Angst davor und eine grundsätzliche Bereitschaft, in die IT-Sicherheit zu investieren, was aber angesichts der momentanen Wirtschaftskrise für viele eine Herausforderung ist.

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Dr. Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, Ralf Kuchler und Kurt Leonards (v. li. n. re.)

Unternehmen, die Opfer einer Cyberattacke oder eines Spionageaktes wurden, sollten unbedingt die Behörden informieren. Keine leichte Aufgabe: 57 verschiedene Landes- und Bundesbehörden sind bei den Themen involviert, hat Holger Berens gezählt. „Das ist ein Dschungel, durch den man durchfinden muss“, erklärt er und fordert „eine Zentralisierung der Zuständigkeiten und eine Verschlankung der Gesetze“.

Das versteht Philip Koch, Geschäftsführer und Leiter Stabsbereich Internationales bei der Handelskammer, als Arbeitsauftrag, sich weiter für Bürokratieabbau einzusetzen und kündigt zugleich als erste Handelskammer in Deutschland einen Krisen-Vorsorgeplan für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) an, der in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entstanden ist. „Es geht darum resilient zu sein und unter Krisenbedingungen handlungsfähig zu bleiben“, sagt Dr. Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer.

Weiterführende Angebote

Die Reaktion auf Krisen wie Stromausfall oder IT-Angriff kann geübt werden. Die Abteilung für Krisenbewältigung und Bevölkerungsschutz der Hamburger Innenbehörde, Referat 34, unterstützt Unternehmen dabei der Organisation von Testläufen. Kontakt per Mail: abteilunga3@bis.hamburg.de

Denn Unternehmen, die im Vorfeld ihre Schwachstellen kennen und möglichst beseitigt haben, erhöhen ihre Fähigkeit, auch in turbulenten Zeiten wettbewerbsfähig zu bleiben. Was ein effektives Krisenmanagement ausmacht, lernen Teilnehmer beim IHK-Zertifikatslehrgang Notfall- und Krisenmanagement, der am 16. September im Campus 75, Willy-Brandt-Straße, beginnt. Weitere Informationen unter: hkbis.de/kurs/notfall-und-krisenmanagement-ihk

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