Sich zur Vielfalt bekennen

Die Hamburger Initiative „Welcoming Out“ möchte mit Unterstützung der Handelskammer ein Arbeitsumfeld befördern, das jede sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität willkommen heißt.
Angela Pfeiffer
Vanessa Lamm und Markus Hoppe haben „Welcoming Out“ gemeinsam als gemeinnütziges Start-up gegründet.

Von Birgit Reuther, 7. Oktober 2022 (HW 5/2022)

Angestellte sollen sich in ihrer Firma als Mensch und Persönlichkeit rundum respektiert fühlen: Das ist ein elementarer Aspekt zeitgemäßer Unternehmenskultur. Dabei spielen auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle, beispielsweise das Verringern von Krankenständen. „Ein faires und diskriminierungsfreies Miteinander sowie gegenseitige Wertschätzung wirken sich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeitenden aus“, erklärt etwa Mona Tehrani-Siegers von der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Meike Pürling arbeitet sie im Bereich HR-Management an übergreifenden Personalstrategien – und nimmt dabei besonders das Thema Diversität in den Fokus.

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Techniker Krankenkasse
Mona Tehrani-Siegers von der TK achtet in ihrem Unternehmen stets auf das Thema Diversität.

Denn das Bekenntnis zu Vielfalt und Akzeptanz ist zentral für ein positives Arbeitsklima. Das ist auch die Überzeugung der neuen Hamburger Initiative „Welcoming Out“: ein Bündnis, dem sich schon zum Auftakt im Juni 2022 mehr als 20 namhafte Organisationen als „Patrons“ angeschlossen haben, darunter Handelskammer, Haspa, Hapag-Lloyd, Beiersdorf, HSV, OTTO, Meta, HVV, Hamburg Pride und Techniker Krankenkasse. Schirmherrin ist die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank.

Ein Willkommensklima schaffen

Zu den Grundideen der Initiative gehört es, Menschen dabei zu unterstützen, sich öffentlich am Arbeitsplatz als lesbisch, schwul, bisexuell, trans, inter oder queer – also kurz als LGBTIQ+ – zu definieren. Das Konzept: Um ein solches „Coming-out“ zu erleichtern, sollen die Kolleginnen und Kollegen in einem ersten Schritt signalisieren, dass sie dem offenen Umgang mit sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität positiv gegenüberstehen, also das Coming-out willkommen heißen. Das kann ganz unkompliziert geschehen, etwa mit einer E-Mail-Signatur oder über eine Anstecknadel, die das Logo der Initiative trägt.

„Studien zeigen, dass zahlreiche LGBTIQ+-Personen Angst vor einem Coming-out am Arbeitsplatz haben, weil sie nicht genau wissen, wie das Gegenüber reagiert“, erklärt Markus Hoppe, der „Welcoming Out“ gemeinsam mit Vanessa Lamm als gemeinnütziges Start-up gegründet hat. Im Rahmen ihrer Arbeit für die Fachstelle „Queere Vernetzung Hamburg“ haben Hoppe und Lamm bereits reichlich Erfahrung damit gesammelt, wie sich die Diversitätskompetenz von Firmen, Sportvereinen und Bildungseinrichtungen stärken lässt.

Meike Pürling_c_Techniker Krankenkasse
Techniker Krankenkasse
Meike Pürling setzt sich bei der TK für mehr Offenheit und Toleranz ein.

„Häufig gibt es die Fehlannahme, dass im eigenen Haus gar keine LGBTIQ+-Personen arbeiten“, sagt Hoppe. Oder es bestünde die Auffassung, das Unternehmen sei bereits so offen ausgerichtet, dass keine besondere Aufmerksamkeit für das Thema erforderlich sei. Doch Menschen aus der LGBTIQ+-Gemeinschaft helfe ein klares Zeichen, dass sich jemand als „straight ally“, also als heterosexueller Verbündeter versteht, erklärt Hoppe.

Akzeptanz ist auch Führungssache

„Sich mit der eigenen Identität zu verstecken, ist enorm ressourcenraubend. Eine diversitätsfreundliche Arbeitsatmosphäre hat daher enorme positive Effekte auf die Produktivität und steigert zudem die Bindung an das Unternehmen. Das ist gerade beim aktuellen Fachkräftemangel Gold wert“, erläutert Hoppe. Zudem würden Kaufentscheidungen zunehmend davon beeinflusst, welche Werte eine Firma und ihr Personal vertreten.  

Dabei betont er, dass ein „Welcoming Out“ zwar ein individueller Akt sei. Um Mitarbeitende zu ermutigen, ihre offene Haltung zu bekunden, sei es aber wichtig, die Führungsebene einzubinden. Wie bei der Techniker Krankenkasse, für die Karen Walkenhorst als Mitglied des Vorstandes die „Hamburger Erklärung der Patrons of ‚Welcoming Out‘“ unterzeichnet hat.

„Wir verstehen ‚Welcoming Out‘ als Teil eines unternehmerischen Kulturwandels – hin zu noch mehr Offenheit und Toleranz“, sagt HR Project Manager Meike Pürling von der TK. „Die Kampagne ist für uns als Körperschaft öffentlichen Rechts auch eine gute Gelegenheit, nach außen aktiv Stellung zu beziehen.“ Und obwohl „Welcoming Out“ zunächst als Hamburger Leuchtturmprojekt angelegt ist, das sich erst allmählich überregional entwickeln soll, ist die TK bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und spielt die Kampagne bundesweit in ihrer internen Kommunikation aus. So können sich TK-Mitarbeitende etwa Buttons und Aufkleber im Intranet bestellen. Und in der Woche des internationalen „Coming Out Day“ am 11. Oktober lädt die TK alle Beschäftigten zum digitalen Talk, um das Prinzip „straight allyship“ zu erläutern.

Patron Handelskammer

Auch die Handelskammer gehört zu den Patrons der Initiative „Welcoming Out“. Dazu Vizepräses Niels-Helge Pirck: „Mir ist es wichtig, dass die Gesellschaft und die Wirtschaft LGBTIQ+-Personen nicht nur respektiert, sondern auch aktiv willkommen heißt. Ich unterstütze ‚Welcoming Out‘, um die Akzeptanz in der Gesellschaft noch weiter zu steigern und eine Grundlage zu schaffen, auf der wir alle gemeinsam die Zukunft Hamburgs gestalten können – ohne Diskriminierung einzelner Personengruppen.“

Aktivitäten wie diese zeigen, dass es den an „Welcoming Out“ beteiligten Firmen nicht einfach um ein gutes Image im Zeichen der Regenbogenflagge geht,  sondern um ernsthaftes Engagement. Und dazu gehört auch ein finanzieller Einsatz: Je nach Umsatz bringen sich die Unternehmen zunächst mit kleineren vierstelligen bis höheren fünfstelligen Beträgen ein. „Um die Kampagne anzuschieben, erhalten wir zudem von der Stadt über zwei Jahre hinweg eine niedrige sechsstellige Summe“, erklärt Markus Hoppe.

Aktuell laufen bereits Netzwerktreffen unter den Patrons und ihren Mitarbeitenden. Geplant sind eine E-Learning-Plattform sowie Live-Workshops, unter anderem für Führungskräfte. Und je mehr Betriebe im Laufe der kommenden Jahre mitmachen, auf desto mehr Schultern verteilen sich die Kosten: eine gute Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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