Herr Pilling, wie sind Sie aus der Ukraine herausgekommen, als der Krieg begann?
André Pilling: Wir wurden wie auch die Mitarbeiter der Botschaft im Februar angewiesen, das Land zu verlassen. Am 26. Februar trafen bei mir die ersten Anfragen aus der Ukraine ein, man würde dringend Lebensmittel benötigen. Der Appell war sehr dramatisch. Viele meiner Freunde und Geschäftspartner sagten: „André, wir werden hier in eine humanitäre Katastrophe laufen.“ Danach habe ich alte Kollegen bei Edeka angerufen, und wir haben bereits am 2. März die ersten neun Lkw über polnische Hubs in die Ukraine gebracht.
Ihre Spenden kommen nicht aus privaten Haushalten, sondern direkt vom Handel. Salopp formuliert: Bekommen Sie das, was bei denen liegen geblieben ist?
Es wird das gespendet, was der Handel zur Verfügung stellen kann. Dafür sind wir sehr dankbar, das ist sicher keine Resteverwertung. Ich würde eher sagen, wir bekommen das, was keine Probleme in der Warenversorgung des Inlands verursacht. Der Handel steht momentan im Fokus, weil bestimmte Produkte wie Sonnenblumenöl oder Mehl nicht immer verfügbar sind. Solche Produkte erhalten wir nicht. Spenden des Handels sind also nicht dafür verantwortlich, wenn etwas im Supermarktregal fehlt. Das können wir auch über unsere Frachtpapiere belegen.
Wie komplex ist die Logistik hinter der Hilfsgüter-Verteilung?
Für uns ist es nicht allzu komplex, denn wir gehen ja über Hubs in Polen. Das sind moderne Logistikzentren, die schon vor dem Krieg in diesem Geschäft tätig waren und es sehr gut verstehen. Wir melden dort täglich unsere Lkw-Touren an, dann wissen die schon mal, was in der Anlieferung vorgesehen ist. Die Ukrainer stehen dort meistens schon bereit und laden die Ware direkt in Eisenbahncontainer um. Das sind ganz kurze Zeitfenster von maximal drei oder vier Stunden, die die Waren in den Hubs verbleiben. Die Ukrainer verteilen die Waren dann je nach Bedarf im Land. 75 Prozent unserer Lieferungen laufen über diesen staatlichen Kanal, die restlichen 25 Prozent geben wir an Non-Governmental Organisations (NGOs), also Nichtregierungsorganisationen ab.
Es wird gespendet, was der Handel zur Verfügung stellen kann.
André Pilling
Der Krieg hat sich nach Kämpfen im ganzen Land in den Osten und Süden verlagert. Heißt das, an manchen Orten entspannt sich die Versorgung, an anderen wird sie hingegen sehr schwierig?
Ja, nach Mariupol kommen wir derzeit nicht mehr rein. Aber wir liefern zum Beispiel Brot nach Charkiw im Osten. Während dort NGOs unser Brot verteilten, war gerade Fliegeralarm. Das Ganze geht einem schon nahe. Aber Saporischschja, Cherson, Nikolajew, Städte, die in diesem Gürtel Richtung Donbass liegen, sie haben natürlich die größten Versorgungsprobleme. In Kiew ist dagegen wieder eine gewisse Normalität eingekehrt. Es gibt Waren, und die Bevölkerung hat auch noch die Mittel, diese zu erwerben. Das kann aber in den Randgebieten schon wieder anders aussehen.
Aber wie bekommt man Lebensmittel in Regionen, in denen gerade gekämpft wird?
Das läuft über die NGOs. Die holen unsere Waren am Hub in Polen ab, fahren mit unauffälligen Kleintransportern in die Region und versuchen, dort auszuliefern. In Charkiw gibt es dann zum Beispiel fünf Verteilzentren, wo Ware ausgegeben wird. Dass dies nicht ohne Risiko ist, versteht sich von selbst. Es werden ja selbst Flüchtende angegriffen.
Große Beteiligung
Bis zum 4. Mai hat das Team von André Pilling insgesamt 272 Lkw mit 8066 Paletten Spenden für die Ukraine zugesagt bekommen. Sie stammen von insgesamt 50 unterschiedlichen Organisationen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft informiert tagesaktuell über den Stand der Hilfsleistungen.