3 Fragen an: KI-Enthusiastin Michelle Gutting

Mit dem Launch von ChatGPT hat generative KI einen großen Boom erlebt und das Thema Künstliche Intelligenz aus dem Hintergrund geholt. KI ist damit für jeden nutzbar.  Wir haben Michelle Gutting im Rahmen des KI-Summits gefragt, welche Tipps sie für die Nutzung von KI im Arbeitsalltag hat. 
Michelle Gutting, Head of Marketing bei LUIS Technology

1. Im Marketing-Bereich wird generative KI beispielsweise eingesetzt, um Social-Media-Postings zu verfassen. Welche Anwendungsbereiche gibt es noch?

Bei generativer KI liegt der Fokus darauf, aus historischen Daten beziehungsweise aus etwas bereits Bestehendem neue Inhalte zu erzeugen – seien es Texte, Bilder, Musik oder Videos. Deshalb hat generative KI einen sehr großen Einfluss im Marketing, und es gibt eine breite Palette von Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen. 

Drei Bereiche, in denen generative KI das Marketing revolutioniert

1. Sprache

Der Bereich „Sprache“ ist meiner Meinung nach der, der bisher am stärksten von generativer KI geprägt wurde und bei dem die größten Fortschritte gemacht wurden.

Content-Erstellung: Von Social-Media-Postings über Blogbeiträge bis hin zu Whitepapers: generative KI revolutioniert, wie wir im Marketing Content generieren. 

Übersetzungen: Tools wie ChatGPT erleichtern außerdem den Übersetzungsprozess und ermöglichen es uns, in Sekundenschnelle maßgeschneiderte Personalisierung von Inhalten für spezifische Zielgruppen vorzunehmen. 

Kundenservice: Durch die Integration in Chatbots ermöglicht generative KI realistischere Konversationen mit Kunden.

E-Mail-Marketing: Hier kann generative KI helfen, personalisierte E-Mail-Kampagnen zu entwickeln, die speziell darauf ausgerichtet sind, die Engagement-Rate zu maximieren.

Ideengenerierung und Brainstorming: Generative KI kann beim Brainstorming unterstützen, indem sie basierend auf wenigen Stichpunkten eine Vielzahl von Ideen generiert. Dies kann besonders hilfreich sein, um aus dem üblichen Denkmuster auszubrechen und frische Perspektiven in Kampagnen einzubringen.

2. Audio

Generative KI kann zur Erstellung von Hintergrundmusik für Werbematerial und Videos oder zur Entwicklung einprägsamer Jingles genutzt werden. Dies bietet eine Lösung für Marketer, insbesondere für solche mit begrenztem Budget, die qualitativ hochwertige, aber GEMA-freie Musik suchen.

Aktuell ist hierbei jedoch noch nicht final die Frage des Urheberrechts geklärt. Das Potenzial ist zwar extrem groß, aber die rechtlichen Rahmenbedingungen sind noch nicht abschließend geklärt.

3. Visuelle Darstellung

Vom Entwurf von Marketingmaterialien, wie Logos und Bannern, bis hin zur Videoerstellung und -bearbeitung kann generative KI den Prozess optimieren und beschleunigen. 

Besonders bemerkenswert sind die Fortschritte bei der automatischen Generierung von Untertiteln und Übersetzungen für Videos, wodurch zeitaufwändige manuelle Arbeit reduziert wird.

Die Vielseitigkeit und das Potenzial von generativer KI im Marketing sind immens, und es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Branche weiterentwickelt, um diese Technologie optimal zu nutzen.

2. Wie kreativ ist ChatGPT?

Das ist keine einfache Frage. Ich muss sagen, dass ich immer noch von der Qualität, mit der ChatGPT Texte generiert, beeindruckt bin. Es liefert Texte, die sowohl inhaltlich stimmig als auch grammatikalisch korrekt sind und häufig mit einer überraschenden Nuance daherkommen. Nicht selten ähneln die Antworten von ChatGPT dem, was auch ein Mensch sagen könnte. 

ChatGPT ist in der Lage, Szenarien, Geschichten und Ideen zu kreieren, die auf den ersten Blick als „kreativ“ angesehen werden könnten. Es kann Informationen in neue Kontexte übertragen und flexibel auf eine Vielzahl von Fragestellungen reagieren – das erinnert schon an eine Art „kreative Adaption“.

Aber ich denke nicht, dass man es mit der menschlichen Kreativität gleichsetzen kann. ChatGPTs „Kreativität“ entspringt nicht einer inneren Inspiration oder einem bewussten Denkprozess. Es antwortet basierend auf den Mustern, die es während seiner Trainingsphase verinnerlicht hat. Ohne Emotionen, persönliche Erfahrungen oder Intuitionen.

Deshalb glänzt ChatGPT für mich vor allem in einer unterstützenden Rolle für menschliche Kreativität. Es kann Ideen anbieten, Texte verfeinern oder Informationen liefern, die als Ausgangspunkt für echte menschliche Innovation dienen können. ChatGPT zeigt eine beeindruckende „kreative“ Fähigkeit im Sinne von Textgenerierung und -variation, aber es sollte nicht mit der tiefgreifenden, emotionalen und intuitiven Kreativität verwechselt werden, die uns Menschen auszeichnet. ChatGPT kann menschliche Kreativität sicherlich erweitern und bereichern, sie jedoch nicht ersetzen. Zumindest bis jetzt.

3. Was sagen Sie Unternehmerinnen und Unternehmern, die Berührungsängste mit dem Thema KI haben?

Ich sage ihnen, dass ich volles Verständnis dafür habe.

Ich verstehe jeden Einzelnen von ihnen, der beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) zögert. Es ist eine faszinierende, aber ebenso komplexe Materie, die sich rasant entwickelt. Sie hat das Potenzial, viele Geschäftsbereiche radikal zu transformieren.

Bei all meiner Begeisterung und Neugier für KI kann ich jeden verstehen, der dem Thema noch kritisch oder besorgt gegenübersteht. Ich habe selbst noch viele Fragen und je tiefer ich in die Materie eintauche, desto mehr Fragen tauchen auf und umso weniger Antworten scheint es bisher zu geben.

Die Ungewissheit, die viele von uns spüren, ist real und verständlich. Dennoch – wir wissen, dass KI in den kommenden Jahren eine tragende Rolle in der Wirtschaft einnehmen wird. Sie repräsentiert die nächste große Wende, die unsere Arbeitswelt transformieren wird. Deshalb dürfen wir uns nicht von Ängsten lähmen lassen oder gar versuchen, die Augen vor dieser Entwicklung zu verschließen.

Daher sollten wir uns nicht fragen, ob wir für oder gegen KI sind. Vielmehr geht es darum, folgende Fragen zu stellen: “Wie muss ich mich weiterentwickeln? Welche Fähigkeiten muss ich mir aneignen? Welche meiner Aufgaben lassen sich gut mithilfe oder von KI erledigt und welche nicht? Wie integriere ich KI in meinen Arbeitsprozess?“

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Cornelia Theis
Paneldiskussion zum Thema „Building Trust in Generative AI – Verantwortungsvoller Umgang in der kreativen Ära“ auf dem KI-Summit mit Benedikt Gietl (Head of AI@Public Sector DE), Michelle Gutting und Pia Cuk (CSO AdaLab UG) (v.l.n.r.)

Drei Ratschläge für alle, die noch zögern:

1. Beginnt mit Verständnis 

Ihr müsst nicht jeden technischen Aspekt der KI durchdringen, sondern die grundlegenden Konzepte und Möglichkeiten begreifen. Dabei ist vor allem wichtig zu verstehen, welche Anwendungsfälle sich für KI eignen und welche nicht.

2. Startet klein 

Eine umfassende Integration von KI ist nicht über Nacht erforderlich. Startet mit überschaubaren Pilotprojekten, bei denen ihr denkt: „Das könnte KI effizienter machen.“  Wenn möglich, wählt hierbei Anwendungsfälle aus, die einen großen Nutzen versprechen und für die es gleichzeitig bereits bezahlbare Tools auf dem Markt gibt. So könnt ihr praktische Erfahrungen sammeln und ein Gefühl für die Technologie entwickeln.

3. Tauscht Euch aus

Tretet in den Dialog mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern. Teilt Eure Erfahrungen, Erkenntnisse und Herausforderungen. Oft sind bereits Lösungen und Best Practices vorhanden, von denen ihr profitieren könnt. Wir alle sitzen im selben Boot, und es ist nicht notwendig, das Rad immer wieder neu zu erfinden: Baut Brücken. Vernetzt Euch. Lernt voneinander.

Letztendlich müssen wir alle eine Entscheidung treffen: Entweder wir stehen dabei und schauen zu, wie andere die KI-Revolution vorantreiben, oder wir eignen uns das nötige Wissen und die Fähigkeiten an, um die Revolution selbst anzuführen. Ich bin für Letzteres!

Über Michelle Gutting

Michelle Gutting (36) ist eine erfahrene Marketingmanagerin mit 10 Jahren Erfahrung im B2B-Marketing und einer Passion für Technologie- und Innovationsthemen. Als Head of Marketing bei LUIS Technology bringt sie ihr Know-how in die Vermarktung von Embedded Vision-, KI- und Fahrassistenzsystemen, insbesondere für Nutzfahrzeuge, ein. Mit einem Studienhintergrund in Wirtschaftswissenschaften und fundierten Statistikkenntnissen fokussiert sie sich seit 2021 verstärkt auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Marketing.

In ihrer täglichen Arbeit beobachtet Gutting oft, dass Marketing- und Kommunikationsexperten von den technischen und mathematischen Aspekten der KI abgeschreckt sind, befürchten, dass sie durch KI ersetzt werden oder KI-Tools ineffizient verwenden. Um diese Herausforderung zu bewältigen, hat sie sich vorgenommen, KI für ihre Kollegen zugänglicher und verständlicher zu machen.

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