Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher: Extrem heiße Sommer, Starkregen und heftige Temperaturschwankungen nehmen auch in Norddeutschland zu, in manchen südlichen Regionen sind Leben, Produktion und Handel sogar direkt gefährdet. Gefordert ist deshalb konsequentes, schnelles Handeln und insbesondere die Dekarbonisierung – oder genauer: Defossilisierung – der Wirtschaft. Denn nur so lässt sich das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 erreichen, das seit Ende August 2021 bundesweit im Klimaschutzgesetz verankert ist.
Auch die Handelskammer nimmt die Verantwortung der Wirtschaft für das Klima ernst – und hat im Rahmen ihrer Strategie „Hamburg 2040“ ein ehrgeiziges Ziel festgelegt: In der Hansestadt soll Klimaneutralität bereits 2040 erreicht sein. Unter der Leitlinie „Innovationen überwinden die Klimakrise – nicht Verbote!“ sind rasch wirksame, wirtschaftlich tragfähige Lösungen gefragt. Die Kammer will so die Klimawende vorantreiben, aber auch Impulse für die nachhaltige Entwicklung des Standortes geben: Nötig sind Ideen für die Transformation von Produktionsprozessen, neue Geschäftsmodelle und Technologien.
Drei Stoßrichtungen werden die Klimaaktivitäten der Handelskammer in den nächsten 18 Jahren bestimmen
I Klimaneutralität der Handelskammer
Im Rahmen dieses im Herbst 2021 gestarteten Vorhabens erstellte die Handelskammer zunächst einen Überblick über ihre CO2-Emissionen. Dabei wurden sämtliche Kategorien berücksichtigt: Scope 1 (direkte Emissionen der Kammer), Scope 2 (indirekte Emissionen) und Scope 3 (indirekte Emissionen in vor- und nachgelagerten Lieferketten). Heute ist der CO2-Fußabdruck bekannt: Im Referenzjahr 2019 erzeugte die Handelskammerrund 2000 Tonnen CO2.
Gegenwärtig kompensiert die Handelskammer ihre Emissionen noch mit zertifizierten Projekten. Dies ist jedoch nur als Übergangslösung gedacht: Die Kammer ermittelt derzeit auf Basis eines Maßnahmenplans, welche zukünftigen Einsparpotenziale vorhanden sind – etwa bei Stromverbrauch, Papier- und Druckaufkommen, aber auch bei Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen.
II Unterstützung der Mitgliedsunternehmen
Die Handelskammer berät und unterstützt Betriebe bei Maßnahmen, die zur Defossilisierung beitragen. Mut macht, dass viele von ihnen das Thema schon in den Fokus genommen haben. So sind die CO2-Emissionen in Hamburg im Vergleich zu 1990 um 35 Prozent zurückgegangen. Betriebsprozesse wurden häufig klimafreundlicher gestaltet, und viele Unternehmen wollen die Defossilisierung auch bei Lieferanten und Vorleistungsproduzenten vorantreiben – also bis in den Scope 3 wirken, um die eigenen Emissionen nicht nur zu verschieben. Natürlich kostet klimaschonendes Wirtschaften zunächst Geld, benötigt Know-how und Investitionen für Innovationen. Doch die Kunden erwarten mittlerweile klimafreundliche Produktionsverfahren. So zahlen sich die Aufwände zunehmend aus. Und zwar auch in Branchen, deren CO2-Fussabdruck weniger offensichtlich ist.
Im Dezember 2021 verabschiedete das Plenum der Handelskammer eine Klima-Resolution, die zu wirksamen, schnellen Maßnahmen gegen den Klimawandel aufruft. Zu den Initiativen der Kammer im Kampf gegen den Klimawandel zählt auch das Konzept für die Errichtung eines Energie- und Klimahafens in Moorburg, der insbesondere auf „grünen“ Wasserstoff und die Erforschung alternativer Energiequellen setzt. Sie wollen die CO2-Bilanz Ihres Unternehmens ermitteln? Einen praktischen Überblick über die notwendigen Schritte finden Sie hier.
Was das für sein Geschäft bedeutet, erläutert Christian Wrage, Vorstandssprecher des in Hamburg ansässigen deutschen Zweiges des IT- und Beratungskonzerns SopraSteria SE, der hier 3000 Mitarbeitende beschäftigt: „Der Hebel zur Dekarbonisierung ist für Dienstleistungsunternehmen vermeintlich gering. Das Potenzial wird allerdings unterschätzt. Das Beratungs- und Transformationsgeschäft erfordert Kundennähe und Reaktionsfähigkeit, normalerweise verbunden mit Vor-Ort-Präsenz und Reisen. Zudem sind digitale Prozesse zwar wichtige Helfer für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, bergen allerdings auch Nachhaltigkeitsrisiken. Hierfür klimafreundliche Lösungen zu finden, ist uns bereits gelungen. Bis 2028 streben wir an, konzernweit klimaneutral zu wirtschaften, und unterstützen mittlerweile auch Lieferanten und Kunden.“
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen benötigen Einstiegshilfen auf dem Weg zur Klimaneutralität, etwa bei der Ermittlung des eigenen CO2-Fussabdrucks. Hier hilft die Handelskammer mit ihren Energie- und Umweltberater:innen, bündelt Informationen auf ihrer Internetseite und schafft Austauschmöglichkeiten für erfolgreiche Methoden (Best Practices) und konkrete Prozessideen. Dieses Angebot wird kontinuierlich ausgebaut, mit anderen Services verknüpft und in die Beratung der Politik integriert.
III Impulse geben
Als Standortmanager will die Handelskammer Impulse und fundierte Hinweise geben, wie der Wirtschaftsstandort Hamburg bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden kann. Welche Technologien, Rahmenbedingungen und Anreize sind dafür erforderlich? Um diese Fragen zu beantworten und ein international wettbewerbsfähiges, klimaneutrales Standortprofil Hamburgs zu entwickeln, arbeitet die Kammer mit der OECD („Organisation for Economic Cooperation and Development“) zusammen. Diese beschäftigt sich auch mit den regionalen Zukunftspotenzialen der Klimaneutralität und garantiert Unabhängigkeit.
Rüdiger Ahrend, Leiter des OECD Centre for Entrepreneurship, SMEs, Regions & Cities, ist überzeugt: „Mit der Notwendigkeit zur Dekarbonisierung werden die Karten im internationalen Standortwettbewerb neu gemischt. Neue Technologien, Energiequellen und Geschäftsmodelle eröffnen neue Chancen. Wenn Regionen diese beherzt ergreifen, können sie einzigartige und zukunftsgerichtete Profile bilden und die Grundlagen für nachhaltigen und klimaneutralen Wohlstand legen.“
Tatsächlich bleibt das Erreichen der Klimaneutralität eine gewaltige Herausforderung. Schließlich verzichtet eine CO2-emissionsfreie Welt weitgehend auf jene fossilen Rohstoffe, die die Wohlstandsentwicklung seit Beginn der Industrialisierung vorangetrieben haben. Manche zweifeln deshalb, ob die Defossilisierung überhaupt umsetzbar ist. Demgegenüber sagt Prof. Dr. Klaus Hasselmann, Nobelpreisträger für Physik 2021 und Doyen der deutschen Klimaforschung aus Hamburg: „Ich sehe hier die Wechselwirkung zwischen Politik und Wissenschaft im Vordergrund. Wie also die Politik darauf reagiert, was die Wissenschaft schon seit Jahren sagt. Ich selber bin optimistisch, dass wir auf Erneuerbare Energien umschalten können und auch werden. Und dass wir damit das Problem in den Griff bekommen können.“ Es bleibt also die Hoffnung, mit gemeinsamen Anstrengungen aller Beteiligten den Klimawandel zu bremsen – und gleichzeitig unseren Wohlstand zu sichern.