Ein mächtiger Fluss, auf dem seit jeher Waren in alle Welt verschifft werden, ein prächtiger, touristisch attraktiver See, historische Kanäle wie das Nikolaifleet, in dem ab 1188 die erste Hafenanlage entstand, eine Talaue – das Flottbektal –, die dem Rhythmus der Tide folgt: Hamburg lebt am und vom Wasser, wird davon wie von Venen durchzogen und hat seine Stadtlandschaft über Jahrhunderte durch Umbauten von Wasserwegen geformt. Je nach Definition verfügt die Stadt über 20 Flüsse und doppelt so viele Seen. Sie besitzt das älteste Abwassersystem Kontinentaleuropas und mit 2500 Brücken (ein Weltrekord!) 800 mehr als Wien auf Platz zwei. Der Hafen ist bundesweit einmalig, auch ein Zentralgewässer in Alstergröße sucht man andernorts vergebens.
Hamburg hat nicht nur Wasser, Hamburg ist Wasser – oder wie Marcus Troeder meint: „Wasser ist Wirtschaft, Wasser ist Freizeit, Wasser ist Urlaub, es verbessert das Mikroklima, sorgt für Lebensqualität.“ So viel Wasser wie in Hamburg gibt es in kaum einer anderen Metropole, und es „fließt nicht nur Elbwasser durch unsere Adern, sondern das von Alster, Wandse, Tarpenbek, Kollau“, so der Leiter der Handelskammer-Abteilung „Tourismus, Handel, Kultur“. Und in der prosperierenden Hafen- und Handelsmetropole, in der es selbst bei Sonnenschein gern mal nass wird, trägt Wasser enorm zur Wertschöpfung bei. Im Kleinen wie im Großen. Schon wenige Beispiele zeigen, was das Lebenselixier hier bewirkt.
Wasser als Wirtschaftsfaktor
Was Wasser exakt zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, lässt sich kaum beziffern. Doch auch ohne Statistik ist Hamburgs Wohlstand unmöglich davon zu trennen, seit ein paar rastlose Sachsen im dritten Jahrhundert die Alstermündung besiedelt haben. Das fängt an mit der Trinkwasserversorgung: HAMBURG WASSER hat im vergangenen Jahr 2,2 Millionen Menschen mit 114,5 Millionen Kubikmeter Frischwasser versorgt und weitere 40 Millionen aufbereitet – und die rund 2400 Mitarbeitenden des stadteigenen Unternehmens haben damit fast 625 Millionen Euro Umsatz sowie einen Jahresüberschuss von 28,8 Millionen Euro erlöst, obwohl der Verbrauch insgesamt zurückgegangen ist.
Der Hafen, gerade offiziell 834 Jahre alt geworden, schlug 2022 mit gut 119 Millionen Tonnen Seegütern, vorwiegend verteilt auf 8,3 Millionen Standardcontainer, zwar weniger um als 2021. Dennoch verzeichnete etwa die HHLA mit 1,6 Milliarden Euro zuletzt ein Umsatzplus. Und nicht nur Konzerne mit Elbzugang und vierstelligen Mitarbeiterzahlen profitieren direkt vom Wasser, sondern auch jene Betriebe, die Hamburg den Weg zum beliebtesten Reiseziel Deutschlands wasserseitig ebnen. Flotten citynaher Fahrgastbetriebe wie Kapitän Prüsse und Barkassen-Meyer schippern Hunderttausende durch Fleete und Kanäle, Speicherstadt oder HafenCity.
Auch Unternehmen in weniger zentralen Bezirken stehen für den Nutz- und Erholungswert lokaler Nassbereiche. Heiko Buhrs Bergedorfer Schifffahrtslinie etwa hat zwar nur zwei Schiffe. Auf denen aber befördert der Betrieb fast 20 000 Menschen pro Jahr über Bille und Elbe. Für den Geschäftsführer könnten es durchaus mehr sein, doch „Hamburg Tourismus behandelt Außenbezirke eher stiefmütterlich“, meint Buhr. Das gelte auch für die Dove oder Gose Elbe, die von Stand-up-Paddeln über Radwegnetze bis hin zum Angeln so erholsame wie rentable Freizeitangebote böten. Wasser, so Buhr, sei ein „hohes, aber unterschätztes, weil selbstverständliches Gut“. Es steckt über, unter, um uns herum in Standortfaktoren, die man sich demnach nur selten bewusst macht.
Kanustationen und Hausbootflotten, Elbperlen und Fleetcafés, Triathlon-Weltcup und Hafengeburtstag, Alsterfontäne oder Fischmarkt – Wasser trägt selbst zu Beschäftigung und Umsätzen bei, wenn es als Sturmflut den Publikumsmagneten von Jens Stacklies umzingelt: die Fischauktionshalle, deren Chef „gegenüber Blohm + Voss, wo die Kreuzfahrt- und Containerschiffe zum Greifen nah vorbeiziehen“, jährlich 350 000 Gäste bei rund 100 Events bewirtet.
Von Bier, Tourismus und Fisch
Die Stadt am, im, über und unter dem Wasser bewegt, auch in den städtischen Schwimmbädern. So zogen die 27 Bäderland-Standorte 2022 trotz Corona 3,4 Millionen Gäste an – und tragen maßgeblich zu mehr Lebensqualität bei. Bewegung zeichnet auch die flüssige Produktpalette der Stadt aus, die zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert als europäisches Zentrum der Bierherstellung aufblühte. Hamburg galt als „Brauhaus der Hanse“. Noch heute gibt es hier zahlreiche Brauereien, von Astra, Holsten und der Landgang Brauerei bis hin zu kleineren Manufakturen. Im 20. Jahrhundert kamen mit Bismarck und Magnus Mineralbrunnen hinzu, bevor die Stadt im 21. zum Hotspot hipper Softdrinks wurde. Seit 2003 zwei Studenten im Wohnheim die fritz-kola erfanden, tragen Marken wie Premium, Anjola, Cucumis, LemonAid oder ChariTea den Ruf der Stadt als flüssige Trendsetterin durch die Republik.
Die ideale Lage zwischen Alster und Elbe ist auch ein maßgeblicher Grund dafür, dass die Zahl der Übernachtungen 2022 mit 14,7 Millionen fast Vor-Covid-Niveau erreichte; ein Fünftel der 6,8 Millionen Reisenden, die im Schnitt rund 2,4 Nächte blieben, kam aus dem Ausland. Und anziehend ist auch, was im Wasser lebt, meint Johannes Albrecht als Niederlassungsleiter Deutsche See. Ob Sterneköche oder Foodtrucks: Der Grossist beliefert Einzelhandel und Gastronomie einer Stadt, „deren Kraft und Vielfalt immer auch Fisch“ sei. Und der fühlt sich wo am wohlsten? Eben!
Historie
Wasser hat Hamburg groß gemacht – in der Zeit der Hanse von Mitte des 12. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, aber auch in den folgenden Jahrhunderten, als der transatlantische Handel dominierte. Auch bei der Wasserversorgung war Hamburg führend. Bereits 1531 wurden die ersten Wasserwerke an der Binnenalster eingerichtet. Nach dem Großen Brand 1842 organisierte der englische Ingenieur William Lindley (1808–1900) das erste Kanalisationsnetz auf dem europäischen Festland sowie eine Versorgung mit Trinkwasser über Wasserwerke wie die „Stadtwasserkunst“ in Rothenburgsort. Wasserträger wie Hans Hummel (1787–1854), der als kulturelles Original in zahlreichen Statuen verewigt ist, wurden damit nicht mehr gebraucht. Der Altonaer Fischmarkt wurde übrigens 1703 gegründet, und 1927 wurde in Ohlsdorf reichsweit erstmals erlaubt, dass Männer und Frauen dieselbe Badehalle benutzen.