Renaissance eines Klassikers

Der Markt ist fragmentiert wie nie zuvor. Und doch feiert ausgerechnet die Außenwerbung als älteste aller Werbeformen neue Rekorde. Warum?
Wachstumstreiber in der Außenwerbung sind derzeit digitale Screens.
David Goltz/ Hamburger Hochbahn AG
Wachstumstreiber in der Außenwerbung sind derzeit digitale Screens.
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Von Eric Leimann, 26. September 2025 (HW 5/2025)

Im vergangenen Juni überstieg der Anteil von Außenwerbung erstmals die Zehn-Prozent-Marke des deutschen Werbemarktes. Die Branche feierte. Warum sind Plakate, City-Light-Poster und digitale Screens im Stadtbild derzeit so erfolgreich? „Außenwerbung entwickelt sich in einer immer fragmentierteren Medienwelt zum letzten Massenmedium“, sagt Stephan von Naguschewski, Leiter des Verkaufsbüros Hamburg von Flächenvermarkter WallDecaux. „Ins Stadtbild integriert, begleiten wir Menschen tagtäglich durchs öffentliche Leben, wodurch sich Werbebotschaften einprägen.“

Der Außenwerber und Stadtmöblierer Wall – rund 700 Mitarbeitende in Deutschland – ist zusammen mit seiner Vertriebsmarke WallDecaux Teil des Weltmarktführers JCDecaux. In rund 80 Ländern ist man auf allen Kontinenten vertreten und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 3,6 Milliarden Euro mit rund 12 000 Mitarbeitenden. Deutsche Zentrale ist Berlin. In Hamburg am Neuen Wall existiert ein Außenbüro, das Aktivitäten in fünf nördlichen Bundesländern steuert. Deutscher Marktführer in Sachen Außenwerbung ist allerdings Ströer in Köln. Das Unternehmen erwirtschaftete 2024 einen Umsatz in Höhe von 2,05 Milliarden Euro.

In Zeiten zielgruppengenauer Digitalwerbung und Social Media scheinen Marken und Institutionen also wieder auf den Kanal „Out of Home“ zu setzen. „Der komplette Rückzug von Werbung in den digitalen privaten Raum ist in mancherlei Hinsicht ein Fehler“, glaubt Ralf Heuel, Geschäftsführer Kreation der Hamburger Werbeagentur Grabarz & Partner. „Er führt dazu, dass sich eine Marke der Publikumswirkung komplett entzieht. Nicht nur ich muss wissen, dass die Marke ein bestimmtes Image und eine bestimmte Haltung hat.“ Es funktioniere nur dann, wenn alle dies wissen.

Wachstumstreiber der Branche sind derzeit digitale Screens. In sechs bis sieben Sekunden lassen sich darauf ganze Geschichten erzählen. Dass Außenwerbung sogar Leben retten kann, zeigten Grabarz & Partner in Zusammenarbeit mit WallDecaux im vergangenen Jahr mit der vielfach ausgezeichneten Kampagne „Auf den zweiten Blick“ für die Deutsche Depressionshilfe. Mit ungewöhnlichen Motiven traurig, fröhlich und mehrdeutig zu lesender Gesichter sorgten die Plakate und Infoscreen-Spots für viel Diskussionen und Nachdenken über Depression – vor allem in der Social-Media-Welt. Die Botschaft der Kampagne: „Depression ist nicht immer leicht zu erkennen. Schau genau hin und informier dich!“

Digitale Screens im öffentlichen Raum schaffen zudem neue Möglichkeiten der Kontextualisierung von Botschaften. „Wir können den Ort, das Wetter oder die Tageszeit in die Kommunikation einbeziehen“, sagt Ralf Heuel. „Ein nächster Schritt wäre die direkte, individuelle Kommunikation mit den Menschen, die an einer digitalen Out-of-Home-Werbefläche vorbeigehen.“ Das bedeute: Keine generische Botschaft mehr für alle, sondern eine individuelle Botschaft pro Person. So könnten Werbeflächen beispielsweise Brillenträger identifizieren und ihnen eine Optikerkette als nahe gelegenes Einkaufsziel vorschlagen.

Der komplette Rückzug von Werbung in den digitalen privaten Raum ist ein Fehler.

Ralf Heuel

Doch nicht nur Marken freuen sich über die von den Städten vergebenen und kontrollierten Werbeflächen. Kommunen wie Hamburg haben direkten Zugriff auf die Infoscreens, um – ganz klassisch – Nachrichten unters Volk zu bringen. „In den vergangenen zehn Jahren haben sich dank Digitalisierung flexiblere Buchungsmöglichkeiten und Mehrwerte für die kommunale Kommunikation ergeben“, berichtet Stephan von Naguschewski. „Das Modulare Warnsystem (MoWaS) des Bundes kann dort integriert werden und informiert schnell und unkompliziert zu Sturmwarnungen, Hochwasser oder anderen Notsituationen. Denn im Fall der Fälle zählt jede Minute.“

Im Mai dieses Jahres scheiterte in Hamburg die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren „Hamburg Werbefrei“, weil nur gut 50 000 statt der erforderlichen fünf Prozent der Wahlberechtigten (65 652 Unterschriften) für eine Abstimmung gegen Werbung im öffentliche Raum votierten. Offenbar ist der gegenwärtige Trend ein anderer.


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