Die Strahlkraft von Musik und Kultur

Veranstaltungen wie das Reeperbahn Festival platzieren Hamburg als Marke in der Welt, wirken aber auch positiv in das Leben der Metropole hinein.
© Florian Trykowski
Das Reeperbahn Festival beginnt am 20. September – ein kulturelles und wirtschaftliches Highlight für die Stadt.

Von Birgit Reuther, 3. August 2023 (HW 4/2023)

König der Löwen
Deen van Meer
Mehr als 15 Millionen Menschen haben das Musical „Der König der Löwen“ seit dem Start in Hamburg Ende 2001 besucht.

Das viel zitierte Credo von Hamburg als „Tor zur Welt“ – beim Reeperbahn Festival wird es Wirklichkeit. Da präsentiert KOCCA, die Kreativagentur der koreanischen Regierung, neue Bands auf dem Spielbudenplatz, während einige Meter weiter kanadische Musikfirmen im Klubhaus St. Pauli zum Branchentreff laden. Für seine 18. Ausgabe vom 20. bis zum 23. September 2023 bietet das Festival samt der gleichzeitig stattfindenden Konferenz in rund 80 Spielstätten etwa 700 Programmpunkte für Fachpublikum und Konzertfans.

Die internationale wie innovative Strahlkraft der Veranstaltung geht weit über die Grenzen der Metropole hinaus, aber wirkt auch in diese hinein, erläutert Festivalleiter Alexander Schulz: „Heute zählt das Reeperbahn Festival zu den drei wichtigsten jährlichen Marktplätzen für die internationale Musikwirtschaft.“ Denn wenn vier Tage und Nächte lang geballtes Branchen-Know-how zusammenkommt, werden auch Geschäftsideen und Lösungsansätze für Fragen der globalen Musikwirtschaft verhandelt. „Dazu zählen in diesem Jahr sicherlich – wieder – die Themen Künstliche Intelligenz, Vergütungsmodelle, nachhaltige Produktionsformen sowie Gender Equality in Produkten und Unternehmen“, sagt Schulz.

Reeperbahn Festival

Das Reeperbahn Festival startete 2006 als Publikumsevent, 2008 kam die Konferenz hinzu. Die letzte Ausgabe vor der Pandemie verzeichnete 2019 mehr als 50 000 Gäste an vier Tagen, darunter 5700 Fachleute aus 40 Ländern. 2022 sorgten Tagesreisende und Übernachtungsgäste in Hamburgs Hotels und Restaurants für einen Umsatz von knapp 4,7 Millionen Euro. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Land Hamburg unterstützen die veranstaltende RBX GmbH 2023 voraussichtlich mit insgesamt etwa 8,5 Millionen Euro. Auf die Umsetzung des Festivals entfallen dabei etwa 3,5 Millionen Förderanteil für Sachkosten. Zur Bekanntheit der Marke tragen zudem Spin-offs für Musikunternehmen aus Europa bei, die in Afrika und Asien sowie in den USA ausgerichtet werden.

Obwohl die Herausforderungen durch die Pandemie nach wie vor äußerst präsent sind, glaubt Schulz an die langfristige Zugkraft seiner Veranstaltung, die Hamburg auch für den Nachwuchs attraktiv macht: „Bestimmte Marken und Ereignisse stellen einen weichen Pull-Faktor für einen Standort dar.“ Viele potenzielle oder junge Fachkräfte hätten die Veranstaltung schon einmal besucht und würden über das Festival eine positive Verbindung zur Stadt aufbauen. Und die verantwortliche RBX GmbH tritt auch als Arbeitgeber in Erscheinung. Allein der Wert der Aufträge, die an externe Dienstleister vergeben werden, liegt 2023 bei etwa 6,5 Millionen Euro netto.

Musik für eine attraktive Stadt

Das Reeperbahn Festival ist ein herausragendes Beispiel für die äußerst vielschichtige Hamburger Kulturbranche, die die Lebensqualität der Metropole ausmacht – und die Stadt für touristisch Interessierte sowie für Fachkräfte oder Studierende interessant macht. Der Faktor Musik entfaltet dabei offenbar eine besondere Wirkmacht – von den Musicals über die zahlreichen Clubs bis hin zur Elbphilharmonie.

Miniaturwunderland
Mediaserver Hamburg / Jörg Modrow
Das Miniatur Wunderland zieht jährlich knapp 1,4 Millionen Menschen an.

So gehört Hamburg neben Großstädten wie Sydney und Manchester zum öffentlich-privaten Verbund „Music Cities Network“, der die Kooperation zwischen Musikstädten ausbaut. „Als bedeutendes Wirtschaftsthema und touristischer Magnet lassen sich Themen der Musik auch im internationalen Stadtmarketing bestens nutzen“, erläutert Svenja Holst-Runge, Bereichsleiterin der Hamburg Marketing GmbH und Mitglied im Handelskammer-Arbeitskreis „Kultur und Wirtschaft“. „Das Thema Musik liefert immer wieder gute Geschichten.“ Die Hamburg Marketing GmbH nutze daher Anlässe wie die Eröffnung und den fünften Geburtstag der Elbphilharmonie für die internationale Kommunikation, um Hamburgs Bekanntheit in den Zielmärkten zu steigern.

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Stage Entertainment/Morris Mac Matzen
Uschi Neuss, Geschäftsführerin der Stage Entertainment Deutschland, in der Firmenzentrale am Kehrwieder

Dass Hamburg nach New York und London die drittgrößte Musical-Metropole der Welt ist, zahlt ebenfalls stark auf die Marke ein – und stärkt zudem die Wirtschaftskraft der Stadt. Circa 300 Millionen Euro Umsatz jährlich macht allein die in Hamburg ansässige Stage Entertainment deutschlandweit mit ihren Musicals, davon rund 200 Millionen in Hamburg mit Shows wie „Der König der Löwen“, „Die Eiskönigin“ und „Hamilton“.

Dabei ist das Angebot gerade für den Nachwuchs attraktiv. „Es mag überraschen, aber unser Publikum ist tatsächlich erstaunlich jung – 38 Jahre im Durchschnitt“, erklärt Uschi Neuss, Geschäftsführerin der Stage Entertainment Deutschland. Das Unternehmen setzt sich zudem für Gemeinwohl- und Diversitätsprojekte ein. „Ein Aspekt“, so Neuss, „der für viele junge Berufstätige immer selbstverständlicher und auch erwartet wird.“ Wie wichtig ein vielfältiges Kulturprogramm ist, um Fachkräfte anzuziehen und in der Stadt zu halten, betont auch Svenja Holst-Runge von Hamburg Marketing. Allerdings müsse die Kreativität der Kulturszene auf eine passende Infrastruktur aufsetzen können.

Stage Entertainment

Kultur belebt Tourismus und Handel: Die externe Kundenwertschöpfung des Stage-Entertainment-Publikums in Hamburg beträgt nach aktueller Befragung 1,082 Milliarden Euro im Jahr. Dabei handelt es sich um die Ausgaben der Gäste für Übernachtungen, Gastronomie, weitere Eintrittsgelder, An- und Abreise sowie Shopping aus Anlass eines Musicalbesuches. „Dass in Hamburg rund 400 Kreative aus aller Welt in unseren Musicaltheatern arbeiten, bereichert die Kulturszene und das Alltagsleben“, so Uschi Neuss, Geschäftsführerin der Stage Entertainment Deutschland. 2024 feiert mit „Hercules“ zudem erstmals ein großes Disney-Musical Weltpremiere in Hamburg.

Das bestätigt Thore Debor, Geschäftsführer des Clubkombinats Hamburg, in dem 189 Musikklubs, Veranstalter und Festivals organisiert sind: „Ohne ein Nachtleben ist eine Stadt tot und hat keine Anziehungskraft für Menschen. Da Musikklubs und Festivals den Nukleus des Nachtlebens bilden, ist ihre Rolle für eine Attraktivität der lokalen Wirtschaft – Stichwort: Arbeitskräfte – gar nicht hoch genug einzustufen.“ Damit aus der Musikszene weiterhin Impulse kommen können, von nachhaltigem Engagement bis hin zu sozialem Wandel, müsse die Infrastrukturförderung jedoch massiv ausgebaut werden, erklärt Debor. „Hier benötigen wir einen großen Schulterschluss zwischen Politik, Musikindustrie und Grassroots-Klubs, um eine wirksame Pipeline zwischen Basiskulturförderung und gewinnorientierter Ökonomie zu installieren.“

Eine Stadt zum Träumen

Welche Rolle Kultur für die Attraktivität der Metropole spielt, zeigt auch der Blick in andere Teilbranchen. Für Helge Albers, Geschäftsführer der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, befördern Bilder und Erzählungen das Image der Region erheblich: „Filme und Serien machen Städte zu Sehnsuchtsorten. Wenn Hamburg auf dem Bildschirm oder der Kinoleinwand zu sehen ist, ist dies ein enormer Werbeeffekt für die Hansestadt, insbesondere da im Kino Emotionalität und Erleben im Vordergrund stehen und das Publikum ohne jede Ablenkung direkt in Orte und ihre Geschichten eintauchen kann.“

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Marvin Contessi
Alexander Schulz, Leiter des Reeperbahn Festivals

Dabei ist die Filmindustrie auch als Arbeitgeber interessant. Der Zeitpunkt sei nie besser gewesen, um in die Branche einzusteigen, sagt Albers, da dringend Fachkräfte gesucht werden – von der Regieassistenz über die Maske bis hin zu der Verzahnung von Film und virtueller Realität. Unter anderem mit dem Trainee-Programm „GetOnSet“ soll jungen Menschen und Quereinsteigenden der Start erleichtert werden.

Doch Hamburg lockt Einheimische und Gäste nicht nur mit Musik und Film, sondern auch mit Theatern und Museen. So liegt laut Deutscher Zentrale für Tourismus die hierzulande beliebteste Touristenattraktion in Hamburg: das Miniatur Wunderland, das jährlich knapp 1,4 Millionen Menschen besuchen. Und die Betreiber der größten Modelleisenbahn der Welt sind zuversichtlich, 2023 wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit zu erreichen. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass 24 Prozent der Gäste ausschließlich für das Miniatur Wunderland an die Elbe reisen und 80 Prozent von ihnen in Hamburg übernachten. Im Schnitt bleiben sie zwei Nächte. Hieraus ergeben sich hochgerechnet jährlich fast 700 000 Übernachtungen durch das Miniatur Wunderland.

Frederik Braun, der die Ausstellungsfläche seit dem Jahr 2001 mit seinem Bruder Gerrit sowie Kompagnon Stephan Hertz betreibt, möchte jedoch den Erfolg nicht nur in Zahlen messen: „Im Wunderland steht der Mensch im Mittelpunkt. Uns ist wichtig, dass für möglichst alle Menschen ein Besuch der Ausstellung möglich ist.“ Beispiele für diese Philosophie sind exklusive Abende für Personen im Rollstuhl, die Aktion „Ich kann es mir nicht leisten“ oder langjährige Spendenaktionen für soziale Projekte in der Stadt. Denn für die Betreiber gehört zu einer lebenswerten Metropole unbedingt dazu, etwas vom eigenen Erfolg weiterzugeben.

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