Wie sehen die Orte aus, an denen wir künftig zusammen arbeiten wollen? Befeuert durch die Pandemie hat das Thema „New Work“ noch einmal einen gewaltigen Schub erlebt. Und gerade Strukturen und Nutzungen von Büros erfahren einen immensen Wandel.
„Durch die nun etablierte Möglichkeit der Remote-Arbeit verfügt das Büro über räumlich anders nutzbare Flächen, die sich nach den Prinzipien des New-Work-Ansatzes gestalten lassen“, erklärt Anni Rosenberg, Innenarchitektin bei brandherm + krumrey in Hamburg. „Die Mitarbeitenden kommen nicht mehr ausschließlich wegen der Arbeit ins Büro, sondern wegen der Menschen, besonders bei digital tätigen Branchen.“
Dieser Paradigmenwechsel lässt sich zum Beispiel am Projekt TechMinds erkennen. Für die Personalberatung entwickelten Rosenberg und ihr Team 2022 im Citterio Haus am Neuen Wall ein gut 200 Quadratmeter großes Office-Areal, das zu 50 Prozent gemeinschaftlich genutzt wird. Das heißt: Neben einem Mix aus Einzelarbeitsplätzen und Rückzugsräumen liegt der Fokus vor allem auf einem Community-Space. Mit Küche, Essbereich, Lounges und einem Snooker-Tisch.
Es gehe darum, verschiedene Angebote zu machen. Je nachdem, ob Mitarbeitende allein ruhig arbeiten oder sich im Team austauschen wollen, ob sie im Stehen oder Sitzen arbeiten möchten. In Bezug auf Wohlbefinden und Gesundheit sind Licht und Luft, Ergonomie und Atmosphäre die maßgeblichen Kriterien, konstatiert Rosenberg. „Es ist essenziell, sich als Arbeitgeber räumlich so vielseitig aufzustellen, wie es unserer Gesellschaft entspricht.“ Gerade im Hinblick auf die nachrückende Generation, die noch wesentlich flexibler arbeiten will. Ein attraktives Büro sieht die Expertin als klaren Wettbewerbsvorteil. „Wenn die Fachkräfte gern ins Büro gehen, bleiben sie auch länger bei einem Arbeitgeber.“
Dass ein Büro heutzutage permanent „Work in Progress“ ist, lässt sich an der Unilever-Deutschland-Zentrale in der Neuen Burg in der City erkennen, die das Unternehmen im Juli 2020 bezogen hat. Die Planungsphase hatte Ende 2018 begonnen, realisiert durch Arbeitsgruppen aus der Belegschaft unter dem Motto „von uns für uns“ und mit starkem Fokus auf agiles Arbeiten.
„Damals konnten wir allerdings nicht wissen, dass die Pandemie die Arbeitswelt so sehr verändern wird. Wir hatten Glück, dass wir vor der Welle aktiv geworden sind“, sagt Carolin Weber, Leiterin Kommunikation bei Unilever für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Das Büro sei in einem permanenten Beta-Stadium. „Wir haben es am Ende der Pandemie bezogen. Die veränderten Homeoffice-Gewohnheiten der Mitarbeitenden haben wir sofort berücksichtigt und Konzept sowie Mobiliar angepasst.“
Es geht um Vertrauen und Teilhabe. Dass die Entscheidungsbefugnis über die 6500 Quadratmeter Bürofläche nicht in der Chefetage liegt, ist bei Unilever Teil der Unternehmenskultur geworden. Mit vielen Details, von der Eistruhe bis hin zu Mooswänden, die Raumklima und Akustik verbessern. Und auch die Idee von Diversität und Inklusion wird konsequent mitgedacht, etwa mit genderneutralen Toiletten samt Hygieneartikeln.
Auch die New Work SE hat ihren Umzug vom Gänsemarkt in die HafenCity ganz bewusst für einen interaktiven und integrativen Change-Prozess genutzt. Im Herbst 2021 zog die Muttergesellschaft von Plattformen wie XING und Kununu in das ehemalige Unilever-Haus. „Wir haben Change-Champions ausgewählt, also 40 Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Hierarchieebenen, die im Unternehmen gut vernetzt sind und uns immer wieder Feedback aus den Abteilungen gegeben haben“, sagt Claudia Peters, Teamlead Brand Portfolio Experience bei New Work SE.
Ergebnis: Die Mitarbeitenden werden mit ihren Leidenschaften stärker eingebunden. Eine Kollegin etwa ist gelernte Bibliothekarin und leitet nun die Library im sechsten Stock. Andere haben mit eigenem Budget einen Fitnessbereich ausgestattet. Sogar eine Kiezkneipe und ein Meditationsraum finden sich in der Zentrale.
Für Peters ist dieser „New Work Harbour“ ein Kulturgebäude, das Innovation durch Begegnung ermöglicht. Das sei immens wichtig, um im Wettbewerb um Talente die eigene Marke zu profilieren. Allerdings: „Ein Büro soll auch kein bloßes Bällebad sein. Es geht um maximale Motivation und Effektivität.“ Und diese lasse sich durch Wahlfreiheit erhöhen. Etwa durch Vertrauensarbeitszeit zwischen Homeoffice und Büro. Und in der Option zwischen festen und offenen Arbeitsplätzen. Denn manche bräuchten eben doch „ihren“ Tisch, auf dem sie Fotos aufstellen können. Rund 450 klassische Arbeitsplätze vor Ort kommen auf 900 Mitarbeitende. Das zeigt, wie sich der Wechsel aus Präsenz und Remote verstetigt.
Der Büro-Immobilienmarkt ist stark in Bewegung. New Work SE muss bereits Ende 2025 erneut umziehen, da die Hamburg Port Authority (HPA) das Gebäude gekauft hat. Der Hamburger Projektentwickler DC Developments wiederum erschafft derzeit mit dem „Elbbrückenquartier 101“ rund 18 000 Quadratmeter Bürofläche, die von Energieeffizienz bis Upcycling unter Nachhaltigkeitskriterien konzipiert ist.
Doch viele Unternehmen bevorzugen statt eines Neubaus die Revitalisierung eines bereits vorhandenen Gebäudes. „Der Trend zum Bestand ist deutlich spürbar“, so Stefanie Möhring, Niederlassungsleiterin Hamburg und Prokuristin bei apoprojekt. „In Anbetracht der aktuellen Entwicklung von Zinsen und Baukosten lohnt sich ein Neubau kaum noch, allein schon im Hinblick auf die ESG-Regularien.“
ESG steht für „Environmental, Social und Governance“ und bezeichnet ein umfassendes Regelwerk zur Bewertung der nachhaltigen und ethischen Praxis von Unternehmen. Die mit sechs Niederlassungen deutschlandweit tätige Firma apoprojekt mit Hauptsitz in Hamburg ist auf die Transformation von Gewerbeimmobilien spezialisiert. Je nach Projekt liege das Einsparpotenzial im Vergleich zum Neubau bei einem Drittel oder mehr, da oftmals auch Förderungen in Anspruch genommen werden könnten, erläutert Möhring. „Die Hülle steht bereits, das ist nachhaltiger und kostensparend.“ Zudem mache es „großen Spaß“, Gebäude mit Historie in die Zukunft zu überführen.
So hat apoprojekt etwa für die Hapag-Lloyd AG ein in den 1990er-Jahren errichtetes Haus in der Rosenstraße in ein Smart-Building mit New-Work-Konzept umgewandelt. Eine Fläche von 4500 Quadratmetern wurde umfassend revitalisiert und mit einer nachhaltigen technischen Gebäudeausstattung (TGA) versehen.
Insgesamt sieht Stefanie Möhring, dass Großvermietungen stark zurückgehen. Die Branche werde kleinteiliger. Ihre Firma berät Unternehmen unter anderem dabei, wie sie mit einem Büro passgenau in die Bedürfnisse ihrer Teams investieren können. „Pauschal einen Obstkorb und einen Kicker anzubieten, damit ist es längst nicht mehr getan.“
Laut einer Umfrage des ifo-Institutes aus dem vergangenen Sommer bieten 61 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitenden an, im Homeoffice zu arbeiten. Kleinere Firmen sind dabei zurückhaltender als Konzerne. Das Thema „Büro der Zukunft“ ist auch Teil der „Fachkräftestrategie Hamburg 2040“ der Handelskammer. So sollen Möglichkeiten für mobiles Arbeiten geprüft werden – hinsichtlich negativer Effekte wie Einsamkeit, aber auch in Bezug auf Vorteile wie eingesparte Fahrzeiten. Zudem plädiert die Strategie für ganzheitliche Bürokonzepte, die eher aufgaben- als personenorientiert sind. Dazu zählt das Clean-Desk-Prinzip, bei dem persönliches Material nach der Arbeit in einem Schließfach deponiert wird. Mehr Informationen erhalten Sie hier.