Der Konsumgüterkonzern Beiersdorf gehört fest zu Hamburg. Hier hat der Konzern seine unternehmerischen Wurzeln, eröffnete jüngst den Beiersdorf Campus und bietet zahlreichen Mitarbeitenden sichere Arbeitsplätze, spannende Berufsprofile und Aufstiegschancen. Doch dass vor allem junge Bewerberinnen und Bewerber der Beiersdorf AG die Tür einrennen? Das war einmal: „Noch schaffen wir es, unsere Ausbildungsplätze gut zu besetzen. Aber die Bewerberzahl sinkt seit Jahren“, erzählt Jens Hinnrichs, Ausbilder bei Beiersdorf für die Metallbearbeitung. „Alle machen Abitur – und uns fehlt der Nachwuchs“, ergänzt Daniela Schomaker, die für die Ausbildung im Bereich Elektrotechnik verantwortlich ist.
Fachkräftestrategie Hamburg 2040
Mit der „Fachkräftestrategie Hamburg 2040“ hat die Handelskammer bereits im November 2022 das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit der Fachkräftesituation am Standort Hamburg samt Lösungsansätzen vorgelegt. Weitere Informationen erhalten Sie hier.
Um Nachwuchskräfte zu gewinnen, ist das Unternehmen heute deshalb aktiver denn je – über Social Media, Jobbörsen im Internet und mit viel Eigenwerbung. So wurde auch Marian Wagner auf eine Ausbildungsstelle als Mechatroniker aufmerksam. „Eigentlich war Elektroniker meine erste Wahl, vielleicht auch als Studium“, erzählt er. Doch schon die ersten Online-Suchtreffer führten ihn direkt zu Beiersdorf und zum Mechatroniker – einem Beruf, der neben Elektronik auch Mechanik und Metallverarbeitung beinhaltet. Im November dann wurde Marian Wagner bei der „Hamburger Bestenehrung“ im Großen Börsensaal der Handelskammer als Bester seines Ausbildungsberufes bei den Abschlussprüfungen 2023 ausgezeichnet. Zusammen mit 73 anderen besten Auszubildenden des Jahres in jedem Beruf.
Vorteile der eigenen Lehrwerkstatt
Rund 30 Auszubildende stellt Beiersdorf jedes Jahr ein. Sie werden von sechs von der Handelskammer zertifizierten Ausbildern und Ausbilderinnen betreut. Im ersten Jahr sind die Mechatronik-Lehrlinge in der Lehrwerkstatt im Einsatz, um fachliche Grundqualifikationen zu erlernen. „Hier können wir unsere Azubis sehr gut betreuen und unterstützen – für große Unternehmen ist das ein enormer Vorteil“, beschreibt Daniela Schomaker das Erfolgsrezept für die oft sehr guten Abschlüsse, die die Beiersdorf-Azubis regelmäßig erzielten. Zwar hätten alle Azubis am Ende der Ausbildung „das gleiche Rüstzeug und gleiche Kenntnisse“, betont Jens Hinnrichs. „Aber jeder ist unterschiedlich motiviert, und gerade die Zeit in der Lehrwerkstatt oder im Lehrlabor empfinden unsere Azubis als besonders intensiv und hilfreich, um Theorie und Praxis zu verbinden. Gerade das gibt oft den besonderen Push!“
Fast alle Azubis bleiben Beiersdorf nach ihrem Abschluss treu. Die Übernahmequote liegt jedes Jahr bei rund 100 Prozent. Einen zusätzlichen Kick erhalten einige von ihnen vielleicht noch auf der internen Abschlussfeier für alle Absolventen des Jahrganges – bei bester Stimmung, mit Grußworten vom Vorstand und anderen sowie vielen Tipps für den weiteren Berufsweg auch innerhalb des Unternehmens.
Marian Wagner ist heute als Facharbeiter im Technical Service in der Forschung und Entwicklung angestellt. Ein Glückstreffer – auch für Beiersdorf. „Für mich ist der Bereich absolut spannend“, schwärmt Marian. Denn während die meisten Mechatroniker in die Produktion wechselten, arbeitet er hier als Betriebselektriker in den Laboren. Parallel beginnt er eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker im Bereich Energietechnik und Prozessautomatisierung.
Begeistert von der Ausbildung
Eigeninitiative und eine Portion Zufall: So fand auch der frisch ausgelernte Koch Mario Flieder seinen Ausbildungsplatz. „Nach der Schule wollte ich nur Koch lernen und in eine Großstadt“, erzählt der gebürtige Südschwarzwälder. Auch er stöberte sich zunächst durchs Netz auf der Suche nach guten Restaurants mit offenen Stellen – und landete dann an der Elbe im Restaurant Rive Fish & Faible. Für beide Seiten war es die richtige Wahl: Als der Beste von Hamburgs Besten erreichte Mario beeindruckende 100 von 100 Punkten in seiner Prüfung und legte damit eine hervorragende Basis für seinen weiteren beruflichen Erfolg.
Ausbildungsbetrieb werden
Um ausbilden zu dürfen, müssen Betriebe unter anderem über geprüftes Ausbildungspersonal verfügen, das persönliche, fachliche und arbeitspädagogische Anforderungen erfüllt, sowie eine Betreuung von etwa zwei Fachkräften pro Azubi gewährleisten. Die Handelskammer bietet regelmäßige Ausbildereignungsprüfungen (AEVO) sowie vorbereitende AEVO-Lehrgänge an. Hier gelangen Sie zu weiteren Informationen.
Das Rive, das seine Gäste mit bestem Hafenblick erfreut, beschäftigt etwa sechs bis zehn Azubis pro Jahr. Um Azubis wie Mario mit Potenzial zur Spitzenküche hervorzubringen, seien vor allem zwei Zutaten entscheidend, betont Ausbilder und Küchenchef Felix Dietz: Glück bei der Auswahl und der starke Wille des Nachwuchses, bei der Zubereitung der Speisen das Maximum zu erreichen.
„Fachliches Wissen kann ich jedem beibringen. Aber ebenso wichtig ist, mehr zu wollen. Wenn sich jemand dazu passioniert mit seinem Beruf beschäftigt, ist das eine ideale Kombination“, so Dietz. Er selbst bilde in seinem Betrieb sehr gerne aus – nicht nur für den eigenen Fachkräftenachwuchs, sondern auch als Lösung für die Behebung des Fachkräftemangels in der Branche. „Wir dürfen nicht nur jammern, wir müssen ausbilden, ausbilden, ausbilden!“
Keine klassische Auszubildende
Dass auch kleine Betriebe trotz wenig Eigen- und Außenwerbung bei der Ausbildung punkten, zeigt Clara Pulver, die ihre Ausbildung als Hafenschifferin 2023 als beste ihres Faches in Hamburg und bundesweit abschloss. Im Frühjahr 2022 hatte sie bei PAN Pontonanlage Norderelbe angeheuert – einem Spezialbetrieb mit eigenen Schleppern, Kränen und Anlegern. „Das Schlepperfahren ist ein anspruchsvoller Job“, erzählt sie. „Ein gutes Selbstbewusstsein gehört unbedingt dazu, besonders als Frau.“
Aufgewachsen ist sie im und am Hafen, selbst Segeltrainerin, mit Erfahrung im Bootsbau und einem Vater als Schiffsbauingenieur. So war ein maritimer Beruf fast vorgezeichnet. Als Pulver zufällig mit dem Chef der PAN in Kontakt kam, der ihr eine Ausbildung anbot, absolvierte sie zunächst ein Praktikum und unterschrieb dann den Vertrag. Entscheidend war auch, dass sie mit ihrem sehr guten Abitur, einem Alter von über 21 Jahren und reichlich Praxiserfahrung in der Branche die Ausbildung auf 1,5 Jahre verkürzen konnte.
PAN bildet regelmäßig ein bis zwei Azubis pro Jahr aus. Der Fachkräftemangel im Hafen sei täglich spürbar, bestätigt Geschäftsführer Andreas Bätjer. Trotzdem habe er noch nie eine Anzeige geschaltet. „Wir sind im Hafen bekannt“, sagt er. Um Nachwuchs für die Hafenschifferei zu interessieren, bietet er außerdem Schülerpraktika an. „Das ist manchmal anstrengend, viele Betriebe wollen das ja gar nicht mehr. Aber für Schüler ist das eine wertvolle Erfahrung.“ Zumal die Arbeit hart ist. Angehende Hafenschifferinnen und Hafenschiffer verbringen Ladung bei Wind und Wetter, auch im strömenden Regen. „Das ist oft richtige Drecksarbeit“, so Bätjer.
Wie es beruflich für die prämierte Hafenschifferin weitergeht? Das ist noch offen. Aktuell steuert sie die Fähren der HADAG-Flotte – auch weil ihr starre Grenzen gesetzt sind: Fahren darf sie nur innerhalb des Hamburger Hafengebietes. „Wer in die Seefahrt will, kann damit nichts anfangen“, sagt sie. Bis vor Kurzem konnte ein größeres Binnenschifferpatent unkompliziert auf die Ausbildung aufgesattelt werden. „Das ist heute deutlich schwerer.“
Dabei bietet die Ausbildung in kleinen Betrieben deutliche Vorteile. „Ich konnte früh Eigenverantwortung in der Schiffsführung übernehmen und hatte viele Möglichkeiten, mich zu entfalten“, sagt Pulver. Herausforderungen wie das Balancieren von großen Scheiben mit einem Schlepper unter einer knappen Brücke hindurch schrecken sie nicht, im Gegenteil. „Da muss man gut Bescheid wissen“, betont sie. Und immer auch einkalkulieren, wie sich die bis zu 30 Meter langen Schlepper und ihre Ladung verhalten. Viel Verantwortung für die eher schmale Vergütung, die während der Ausbildung und im Anschluss in der Branche gezahlt wird: Würde sich daran etwas ändern, so Pulver, wäre auch der Fachkräftemangel weniger dramatisch.