Fachkräfte für die Gesundheit

Schon heute fehlen im Gesundheitswesen Tausende Fachkräfte, in Hamburg bleiben viele Plätze in Heimen unbelegt. Die Integration und Ausbildung ausländischer Fachkräfte könnte Abhilfe schaffen.
Mike Schaefer
Die Asklepios Klinik St. Georg stellte in den vergangenen Jahren 75 ausländische Fachkräfte ein. Rund die Hälfte wurde direkt im Herkunftsland rekrutiert.

Von Jonas Braun, 7. Juni 2024 (HW 3/2024)

Studie Die im Auftrag der Sozialbehörde erstellte, im Dezember 2021 erschienene Studie „Der Arbeitsmarkt der Gesundheitswirtschaft in Hamburg“ des WifOR Institute gibt unter anderem einen Überblick über den prognostizierten Arbeitskräftebedarf der Branche bis 2030.

Wochenlange Wartezeiten auf Facharzttermine, extreme Personalknappheit in Pflegeheimen: Kaum ein Sektor ist vom Fachkräftemangel so stark betroffen wie das Gesundheitswesen. Besonders dramatisch macht sich das im Pflegebereich bemerkbar, in dem das „Hamburger Abendblatt“ bereits von einem „Notstand“ spricht: So können derzeit 1300 der rund 15 000 Pflegeplätze in der Hansestadt aufgrund fehlenden Personals nicht belegt werden – knapp 8,7 Prozent.

Eine Ende 2021 veröffentlichte Studie des WifOR Institute warnte, dass 2030 „jede sechste nachgefragte Stelle in der Gesundheitswirtschaft Hamburgs nicht besetzt werden“ könnte (16,6 Prozent oder 37 700 Personen). In der stationären Pflege fehlten 2021 bereits 6400 Arbeitskräfte, für 2030 rechnet die Studie mit einem Manko von fast 10 000 Personen. Ähnlich dramatisch sieht es im nicht-stationären Bereich aus, wo dann voraussichtlich jede siebte Stelle nicht besetzt werden kann. Aufgrund steigender Nachfrage wird zudem der Arbeitskräftebedarf in der Human- und Zahnmedizin um 23,3 Prozent steigen, so die Studie.

Dabei verschlechtert sich die haus- und kinderärztliche Versorgung in Hamburg bereits heute deutlich. Rund ein Drittel der Hamburger Praxisärztinnen und -ärzte ist inzwischen älter als 60 Jahre, und 2023 konnten allein 20 Hausarztstellen nicht besetzt werden, so eine Senatsanfrage der Linksfraktion.

Strategie Die im November 2022 verabschiedete „Fachkräftestrategie Hamburg 2040“ der Handelskammer fordert unter anderem, die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zu vereinfachen und in den Entsendungsländern Strukturen aufzubauen, die eine professionelle Ausbildung und Vermittlung von Arbeits- und Fachkräften im größeren Stile möglich macht.

Dies betrifft mehr als 30 000 Patientinnen und Patienten. Von 2021 bis 2024 ging die Anzahl der Hausärztinnen und -ärzte etwa in Altona von 188 auf 176 zurück – und in Eimsbüttel von 148 auf 139.

Insbesondere in ärmeren Vierteln oder Neubaugebieten wie Fischbek stehen inzwischen kaum mehr Hausarztpraxen zur Verfügung, bemängelte 2023 auch die Hamburger CDU-Fraktion. Bundesweit ist bis 2040 mit einem Mangel an 30 000 bis 50 000 Ärztinnen und Ärzten zu rechnen, schätzte im Februar 2024 das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI).

Sicher ist: Die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen wird aufgrund des Alterns der Gesellschaft massiv steigen – und ohne ausländische Fachkräfte stünde das Gesundheitssystem bereits heute vor dem Kollaps. Der Anteil von Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund in der Altenpflege liegt heute bereits bei 30 Prozent. Und bundesweit hat sich die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte ohne deutsche Staatsangehörigkeit zwischen 2013 und Ende 2023 laut Bundesärztekammer mehr als verdoppelt – von 30 000 auf 64 000.

Es gilt also, die Zuwanderung gezielt zu fördern und zu gestalten: eine Forderung, die die Handelskammer bereits 2022 in ihre „Fachkräftestrategie Hamburg 2040“ aufgestellt hat. „Ein Krankenhaus ohne ausländische Fachkräfte kann ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen“, sagt Jelena Jennert, Integrationsbeauftragte der Asklepios Klinik St. Georg. Aufgrund des akuten Mangels an qualifiziertem Personal stellte das Krankenhaus in den letzten Jahren 75 ausländische Fachkräfte ein. Manche wurden direkt im Herkunftsland rekrutiert, andere kamen über Initiativbewerbungen. „Beides hält sich ungefähr die Waage“, sagt Jennert.

Ausbildung Die Internetseite „Berufsziel Gesundheit“ informiert über die unterschiedlichen Hamburger Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten im Gesundheitswesen.

Werden qualifizierte Fachkräfte über Jobcenter oder Rekrutierungsfirmen im Ausland angeworben, beginnt der Onboarding-Prozess bereits dort. Bevor sie mit einem Visum nach Deutschland einreisen können, durchlaufen die Fachkräfte ein Anerkennungsverfahren und müssen Grundsprachkenntnisse vorweisen. Im Fall der Asklepios Klinik St. Georg absolvieren sie nach ihrer Ankunft einen achtmonatigen Anpassungslehrgang mit anschließendem Abschlussgespräch.

Die Anerkennung der beruflichen Qualifizierung sei so kein großes Problem, sagt Jennert. „Vor allem wegen Bestrebungen der Politik, ausländischen Kräften und Auszubildenden einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.“

Die große Herausforderung bei der Integration ausländischer Fachkräfte ist und bleibt die Sprachbarriere. Das Sprachlevel B2, das vor der Ausbildung oder der Einreise nach Deutschland erreicht werden muss, genügt oft nicht. Gerade im Gesundheitswesen ist die erfolgreiche Kommunikation aber Grundvoraussetzung.

Gesetz Am 1. Mai ist die zweite Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Kraft getreten. Die Neuerungen erleichtern es Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten („Drittstaaten“), nach Deutschland einzuwandern und hier zu arbeiten. So wird zum Beispiel qualifizierten Pflegehilfskräften aus Drittstaaten der Arbeitsmarktzugang erleichtert, wenn die Ausbildung in Deutschland erworben oder anerkannt ist.

Eine Möglichkeit, dieses Problem zumindest in Teilen zu lösen, ist es, gleich selbst auszubilden. „Der große Vorteil bei unserer Ausbildung ist das breite Spektrum, das wir den Auszubildenden bieten können“, sagt Melanie Hartmann, Pflegedienstleitung des ambulanten Pflegedienstes der Hartwig-Hesse-Stiftung.

Das nötige Handwerk – von ambulanter bis stationärer Pflege – lernen die acht bis zehn Auszubildenden in den Häusern und dem Pflegedienst der Stiftung, für die sie nach der Ausbildung meistens auch weiterarbeiten. Viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund, leben aber bereits in zweiter Generation in Deutschland. „In der Pflege ist Kommunikation entscheidend“, bestätigt Hartmann. Da die Auszubildenden meist in Deutschland aufgewachsen sind, seien sie in der Regel aber bereits gut integriert.

Und der Fachkräftemangel? „Dieses Jahr sind wir davon weniger betroffen als vergangenes Jahr“, sagt Melanie Hartmann und nennt als Grund für den positiven Wandel attraktivere und familienfreundlichere Stellenangebote. Denn zur Lösung des Fachkräfteproblems ist auch ein grundsätzliches Umdenken in der Gesellschaft erforderlich: Bessere Bezahlung, flexiblere Arbeitszeiten und mehr Verantwortung für alle Beteiligten würden die Arbeit im Gesundheitssektor insgesamt attraktiver machen. „Ich wünsche mir eine höhere Anerkennung und Wertschätzung des Pflegeberufes durch die Gesellschaft“, erklärt Jelena Jennert von der Asklepios Klinik St. Georg.


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