Auszubildende sind die Fachkräfte von morgen, doch geeignete Personen zu finden, fällt vielen Unternehmen immer schwerer. So wurden von Oktober 2021 bis Ende September 2022 zwar 11 193 neue betriebliche Ausbildungsverträge in Hamburg abgeschlossen, 1032 gemeldete Lehrstellen blieben jedoch unbesetzt. Einer der Gründe sind unzureichende Kenntnisse: So verließen 2021 fast sechs Prozent der Jugendlichen die Schule in Hamburg ohne Abschluss.
Wir bekommen nicht mehr genügend Fachkräfte.
Michael Forstreuter
Gleichzeitig sind sich viele junge Menschen unsicher, welchen Berufsweg sie einschlagen wollen, oder ziehen ein Studium vor. Unternehmen, denen es schwerfällt, Lehrstellen zu besetzen, müssen deshalb oft kreative Wege gehen – und können dabei auf praktische und finanzielle Unterstützung zählen. So gibt es etwa Hilfen für das Kennenlernen potenzieller Azubis per Praktikum oder für die Weiterbildung gering qualifizierter Mitarbeitender. Auch die Handelskammer unterstützt bei der Suche nach Auszubildenden (siehe Kasten).
Förderung von Einstiegspraktika & Co.
Eine Einstiegsqualifizierung (EQ) ist ein sechs- bis zwölfmonatiges sozialversicherungspflichtiges Praktikum, das Arbeitgebern ermöglicht, potenzielle Auszubildende zu testen und sie erst später auf eine Lehrstelle zu übernehmen. Das verringert das Ausbildungsrisiko und ermöglicht den Teilnehmenden, sich mit dem jeweiligen Beruf zu beschäftigen und ihre Chancen auf dem Berufsmarkt zu verbessern.
Bei der Vermittlung hilft etwa der 2005 von der Handelskammer, der Handwerkskammer und dem UV-Nord gegründete Verein „Ausbildungsförderung der Hamburger Wirtschaft“ im Hamburg Welcome Center (HWC). Das HWC führt Beratungsgespräche mit Interessierten, vermittelt sie gemäß den Anforderungen der Betriebe, berät diese zu Ausbildungsfragen und hilft bei Antragstellung und Vertragsabschluss.
INTAS
Die Lehrstellenvermittlung INTAS (Integrierter Ausbildungsservice) der Handelskammer übernimmt auf Wunsch das Bewerbungsmanagement und stellt Unternehmen gemäß ihren Anforderungen geeignete Bewerberinnen und Bewerber vor. Dafür dienen Qualifikationstests und per Online-Interview erstellte Leistungsprofile. Der Service beinhaltet auch die Betreuung der Auszubildenden. Er kostet eine Basispauschale von 250 Euro für ein Jahr; für jeden abgeschlossenen Ausbildungsvertrag kommt eine Erfolgsprämie von 150 Euro hinzu. Für die Basispauschale wird eine Anzeige in der Online-Lehrstellenbörse geschaltet. Für Jugendliche ist die Vermittlung kostenlos.
Unterstützung bietet auch das Programm „Einstiegsqualifizierung“ der Bundesagentur für Arbeit, die das Praktikum derzeit mit bis zu 262 Euro im Monat fördert. Bei Bedarf steht den jungen Menschen zudem eine Begleitperson zur Seite, die ihnen hilft, sich im Arbeitsalltag zurechtzufinden, und bei Problemen vermittelt. Um Schwächen gezielt zu beheben, wird auch Förderunterricht angeboten. Diese „Assistierte Ausbildung“ lässt sich dann auch während einer regulären Ausbildung in Anspruch nehmen: eine personelle – und damit finanzielle – Entlastung für die Arbeitgeber.
Einen Zuschuss der Jobcenter oder der Agentur für Arbeit können Arbeitgeber auch für die Aus- oder Weiterbildung von Menschen mit Behinderung beantragen. Die Höhe richtet sich nach Art und Schwere der Behinderung und danach, wie sie sich auf die Ausbildung auswirkt. Der Zuschuss beträgt bis zu 80 Prozent der monatlichen Vergütung für die Aus- oder Weiterbildung und wird in der Regel über ihre gesamte Dauer gezahlt. Zusätzlich wird ein pauschalierter Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Das Förderprogramm „Betriebliche Ausbildungsplätze für Benachteiligte“ gewährt einen Zuschuss von 150 Euro je Ausbildungsmonat und bei erfolgreichem Abschluss eine Prämie von 750 Euro.
Förderung von Weiterbildung
Auch für die Weiterbildung gering Qualifizierter stehen Fördermittel zur Verfügung. Davon profitiert etwa die Elektrotechnik-Firma Sitte, die in Hamburg-Rahlstedt eine Niederlassung unterhält. Als Michael Forstreuter 2019 die Leitung des Bewerbermanagements übernahm, ahnte er bereits: „Wir bekommen nicht mehr genügend Fachkräfte.“ Das mittelständische Unternehmen setzt deshalb auch auf die Förderung seiner Beschäftigten. „So entstehen Win-win-Situationen“, sagt Forstreuter. Der Betrieb erhalte Fachkräfte, den Mitarbeitenden eröffneten sich neue Chancen.
Wir beraten und unterstützen Arbeitgeber bei Qualifizierungsmaßnahmen.
Dan Walfeld
Niemand weiß das besser als Wajdi Naser (35), der 2018, ohne ein Wort Deutsch zu können, aus Palästina nach Hamburg kam. Nach fünf Jahren als Elektrohelfer bei Sitte und sechs Monaten Unterricht bei vollem Lohn legte er im Februar 2022 die „Externenprüfung“ an der Handelskammer ab. Sie bietet erfahrenen Berufstätigen ohne klassische Ausbildung die Chance, einen anerkannten Berufsabschluss zu erhalten. Naser hat nun den Facharbeiterbrief und arbeitet bei Sitte mit höherem Gehalt als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik: „Es war anstrengend. Ich bin sehr stolz, dass ich das geschafft habe.“
Möglich war die Schulung dank des Programms WEITER.BILDUNG! der Agentur für Arbeit – und der im Zuge der „Qualifizierungsoffensive“ der Bundesregierung verabschiedeten Gesetze, insbesondere des Qualifizierungschancengesetzes (QCG) von 2019, die eine Finanzierung solcher Maßnahmen vorsehen. „Wir beraten und unterstützen Arbeitgeber bei Qualifizierungsmaßnahmen“, sagt Dan Walfeld, Leiter der Projektgruppe „Task Force Qualifizierung“ der Arbeitsagentur in Hamburg. Diese bietet eine Vielzahl von Leistungen an – von der Analyse der aktuellen Personalstruktur über die Planung der Qualifizierung bis hin zur Hilfe bei der Beantragung von Förderleistungen.
Die Zuschüsse hängen von der Betriebsgröße ab
Die gesetzlichen Zuschüsse hängen von der Betriebsgröße ab. Die Lehrgangskosten werden bei Kleinstbetrieben (bis zu neun Mitarbeitende) bis zu 100 Prozent finanziert, bei KMU (10 bis 249 Beschäftigte) bis zu 50 Prozent. Ab 250 Mitarbeitenden sind es bis zu 25 und ab 2500 bis zu 15 Prozent. Das Arbeitsentgelt während der Weiterbildung wird je nach Betriebsgröße zu 25 bis 75 Prozent übernommen. Dient die Fortbildung einem Berufsabschluss – wie bei Wajdi Naser – werden sogar bis zu 100 Prozent des Lohns bezahlt. Voraussetzung für eine Förderung sind Weiterbildungen bei zertifizierten Bildungsträgern, die mehr als 120 Zeitstunden umfassen und nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. Falls eine größere Anzahl von Beschäftigten qualifiziert werden muss, erhöhen sich die Fördersätze um zehn Prozent.
Ich möchte meinen Meister machen.
Wajdi Naser
Zuschüsse für Weiterbildungen gewährt zudem der von der EU und der Stadt initiierte „Hamburger Weiterbildungsbonus PLUS“, der bis zu 50 Prozent der Fortbildungen von Beschäftigten finanziert (bis zu 750 Euro). Das Programm unterstützt auch Solo-Selbstständige und bezuschusst Coaching-Programme der Hamburg Kreativ Gesellschaft sogar mit bis zu 90 Prozent (siehe auch hier). Es lohnt sich, in Aus- und Weiterbildung zu investieren. Für Unternehmen, die damit neue Fachkräfte erhalten, und für die Menschen selbst. Wajdi Naser will jedenfalls noch höher hinaus: „Ich möchte meinen Meister machen.“