Einem über 40-jährigen Azubi war Sascha Nedwed, Ausbildungsleiter bei „HS – Hamburger Software“, noch nie begegnet – bis ein Postangestellter mit abgebrochenem Informatikstudium bei dem Hersteller betriebswirtschaftlicher Software anklopfte. Das 1979 gegründete Unternehmen mit 175 Mitarbeitenden wählt Auszubildende sorgfältig aus, der 44-jährige Lars Warnholtz punktete mit einem Mathe-Bachelor im Fernstudium sowie beim Vorabtest.
Im November wurde er dann bei der „Hamburger Bestenehrung“ als bester „Fachinformatiker, Fachrichtung: Anwendungsentwicklung“ bei den Abschlussprüfungen 2022 im Börsensaal der Handelskammer ausgezeichnet – zusammen mit 60 anderen besten Hamburger Auszubildenden des Jahres in jedem Beruf.
Bei HS betreuen vier von der Handelskammer zertifizierte Ausbilder derzeit 22 Auszubildende. 2022 sieht Nedwed als besonders erfolgreichen Jahrgang: „Wir haben zwar zwei Prozent der Anwendungsentwicklung-Auszubildenden in Hamburg gestellt, davon aber 22 Prozent aller Einser-Kandidaten.“ Doch für das Unternehmen wird der Bewerberpool kleiner, seitdem die Digitalisierung branchenübergreifend an Bedeutung gewinnt. „Wir haben den Nachteil, dass junge Leute uns nicht kennen“, sagt Nedwed.
Beliebt bei Azubis: die HHLA
Das Handicap, nicht sehr bekannt zu sein, hat die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) nicht. „Im Ausbildungsbereich haben wir als sehr innovatives, erfolgreiches Unternehmen überregionale Strahlkraft“, sagt Ausbildungsleiter André Konopatzki. Jedes Jahr bildet der Konzern 12 bis 15 Azubis aus, darunter ist regelmäßig eine „beste Eins“ in den Abschlussprüfungen. 2022 wurde Fatih Taskan als Fachkraft für Hafenlogistik ausgezeichnet. Verrät der Ausbilder sein Erfolgsgeheimnis?
Wir stellen regelmäßig Ausbilder für Prüfungsausschüsse bei der Handelskammer frei.
André Konopatzki
„Enge Feedback-Schleifen“ seien wichtig, um nachkorrigieren zu können oder neue Anreize zu geben, erklärt Konopatzki. Besondere Talente dürfen nach zweieinhalb Lehrjahren schon mal 120 reguläre Mitarbeitende für neue Eingabefenster im IT-Bereich schulen. Der Ausbilder öffnet seinen Azubis gerne solche Türen, aber sagt ihnen: „Ihr müsst selbst durchgehen.“ Als wichtige Faktoren für Erfolg und Qualitätssicherung nennt er enge Lernortkooperationen mit den Berufsschulen oder dem HAZ Hamburger Ausbildungszentrum als überbetrieblicher Ausbildungsstätte (siehe Kasten). „Wir stellen regelmäßig ohne bürokratischen Aufwand Ausbilder für Prüfungsausschüsse bei der Handelskammer frei“, ergänzt er.
Erfolgsrezepte für die Ausbildung
Auch weibliche Nachwuchskräfte sind in Hamburger Top-Ausbildungsbetrieben gefragt – und bringen Spitzenleistungen. Bei der HHLA erreicht der Frauenanteil in allen Ausbildungsberufen 30 bis 40 Prozent. Und dank einer jungen Frau und ihrer guten Ausbildung rangiert Policke Herrenkleidung erstmals im Kreis der besten Ausbildungsbetriebe: Nach ihrer Lehre bei dem inhabergeführten mittelständischen Traditionsgeschäft, in dessen Haus in St. Georg seit 90 Jahren auf mehreren Ebenen Anzüge dicht an dicht übereinander hängen, wurde Lilian Maul im Jahr 2022 als Hamburgs beste Absolventin des Ausbildungsfaches „Kauffrau im Einzelhandel“ ausgezeichnet.
Für diesen Beruf herausragende Auszubildende zu finden, sei „sehr schwierig“, räumt Oliver Haenel ein – zumal einige Unternehmen der Branche Azubis als Vollzeitkräfte ausnutzten, so der Filial- und Hausleiter bei Policke, was abschreckend wirken könne. Im Traditionskaufhaus mit seiner historischen Einrichtung geht es hingegen familiär zu. „Wenn wir qualifizierte Fachkräfte haben möchten, müssen wir selbst unseren Beitrag dazu leisten“, findet Haenel. Die zwei Azubis, die das Haus derzeit beschäftigt, sprechen täglich mit ihren Ausbildern und haben jede Woche innerbetriebliche Schulungen. „Wir passen uns den Bedürfnissen des Azubis an“, sagt Ausbilder Stefan Brandes.
Ausbildungsbetrieb werden
Um ausbilden zu dürfen, müssen Betriebe unter anderem über geprüftes Ausbildungspersonal verfügen, das persönliche, fachliche und arbeitspädagogische Anforderungen erfüllt, sowie eine Betreuung von etwa zwei Fachkräften pro Azubi gewährleisten. Die Handelskammer bietet regelmäßige Ausbildereignungsprüfungen (AEVO) sowie vorbereitende AEVO-Lehrgänge an. Weitere Informationen erhalten Sie hier.
Mit diesem Erfolgsrezept hat auch Nina Krüger, Ausbildungs- und Bühnenmeisterin am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg, eine Top-Fachkraft für Veranstaltungstechnik ausgebildet. Nach einem sehr guten Abitur begann Velten Kreiterling Anfang September 2019 hochmotiviert seine Ausbildung, als im März 2020 der Corona-Lockdown kam und Hamburgs Theater bis zum Spielzeitende geschlossen blieben.
Wie gelingt es, junge Menschen zum Weitermachen zu ermuntern, wenn ausbildungsrelevante Fachkollegen für Beleuchtung, Ton, Video und Bühnentechnik in Kurzarbeit sind? Krüger initiierte „eine Art Home-Learning“ mit Zoom-Meetings, praktische Inhalte wurden über YouTube-Videos vermittelt. Nach dem Lockdown hatte der Ausbildungsbetrieb großes Glück, weil das Junge SchauSpielHaus am Wiesendamm eine neue Spielstätte erhielt. „Zum Startschuss musste die ganze Technik im Team eingebracht werden, dadurch konnten wir Praxislücken bei unseren angehenden Fachkräften schließen“, sagt Krüger. Die Azubis konnten praxisnah „von null auf hundert“ Scheinwerferkunde und Installationswege lernen, im Lichtpult ansteuern und programmieren: eine gute Basis für den Erfolg in der Prüfung.
Ausbildung im Gefängnis
Nicht jeder Berufseinstieg verläuft geradlinig, doch auch Gefangene in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel erreichen immer wieder höchste Punktzahlen bei den Handelskammer-Prüfungen. In den vergangenen Jahren war zum Beispiel eine Fachkraft im Gastgewerbe dabei, die in der Gefängnisküche übernommen wurde. „Das ist ein gutes Sprungbrett für eine weiterführende Ausbildung zum Koch oder im Hotelfach“, sagt Sabine Kermani, Koordinatorin für Ausbildung und Qualifizierung in der JVA Fuhlsbüttel.
Bei einer Berufsbiografie ohne Schulabschluss und mit häufig wechselnden Jobs ist ein sehr guter Ausbildungserfolg alles andere als selbstverständlich. Deshalb beinhaltet der individuelle Berufswegeplan, der im Gefängnis erstellt wird, eine „sehr intensive Kompetenzfeststellung“ und berücksichtigt die Wünsche der Insassen. Inhaftierte Azubis können sich zudem häufig ohne Ablenkung auf die Ausbildung konzentrieren, und in den kleinen Berufsschulklassen gehen Lehrende auf Defizite ein, inklusive Mathe-Nachhilfe.
Außer der Küche sind die Schlosserei und die Elektrowerkstatt von „Santa Fu“ anerkannte Ausbildungsbetriebe der Handelskammer, mehrere Industrieelektriker der Fachrichtung Betriebstechnik waren schon Jahrgangsbeste. Sie haben später im offenen Vollzug oder nach der Entlassung besonders gute Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Fachkräfte im Gastgewerbe werden laut Kermani dank der Unterstützung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) „prioritär übernommen und in renommierte Betriebe vermittelt“. Azubis hinter Gittern sind übrigens häufig schon älteren Jahrgangs – wie Lars Warnholtz bei HS. Der exzellente Fachinformatiker wurde inzwischen als Softwareentwickler von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen.
Kooperationen
Um junge Menschen schon früh für Ausbildungsberufe zu interessieren, kooperieren Betriebe mit verschiedenen Einrichtungen. HS oder OTTO sind etwa Partner der Hacker School, die Jugendlichen Algorithmen näherbringen will. HS, Aurubis, Hamburger Hochbahn, Techniker Krankenkasse und viele andere Betriebe engagieren sich bei Mint Pink, das Mädchen in der Mittelstufe für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistern will. Manche Betriebe delegieren auch einen Teil der Ausbildung an die überbetriebliche Ausbildungsstätte HAZ, die über eigene technische Werkstätten verfügt. Zu den Mitgliedsfirmen zählen Gasnetz Hamburg, die HHLA oder Flughafen Hamburg.