Mit Highspeed in die Zukunft

Quantencomputer sind der neue Hype in Sachen Zukunftstechnologie. Sie sind schnell und können Berechnungen anstellen, die mit herkömmlichen Großrechnern Jahre dauern würden. Hamburger Firmen entwickeln jetzt einen Superrechner für die Zukunft.
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Quantencomputer nutzen die Gesetze der Quantenmechanik zur Beschleunigung der Rechenoperationen.

Von Achim Schneider, 9. Dezember 2022 (HW 6/2022)

„Quantentechnologie ist die Schlüsseltechnologie unserer Zeit“, sagt Katharina Fegebank. „Hamburg hat eine sehr gute Ausgangssituation, um beim Quantencomputing ganz vorn mitzuspielen.“ Und die Wissenschaftssenatorin fügt hinzu: „Wir stellen jetzt die Weichen, damit niemand mehr an Hamburg vorbeikommt.“ Dabei profitiert die Stadt auch von einem umfangreichen Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das Deutschland zum führenden Innovationstreiber der neuen Computertechnologie machen soll.

Was ist Quantenphysik?

Quantenphysik ist der Bereich der Physik, der sich mit dem Verhalten und der Wechselwirkung kleinster Teilchen befasst. In der Größenordnung von Molekülen und darunter liefern experimentelle Messungen Ergebnisse, die der klassischen Mechanik widersprechen. In der Quantenphysik besagt die sogenannte „Unschärferelation“ das Gegenteil. Hier entziehen sich die Teilchen scheinbar mutwillig einer Beobachtung. Auf den Alltag übertragen heißt das: Wäre beispielsweise ein Auto ein Elektron, wäre es nicht mehr möglich, eine Strafe wegen Geschwindigkeitsüberschreitung auszusprechen.

Das Ministerium stellt dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) insgesamt 740 Millionen Euro zur Verfügung, von denen die Quantencomputing-Initiative des DLR allein in Hamburg fünf Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 208 Millionen Euro für Entwicklungen im Bereich „Ionenfallen-basiertes Quantencomputing“ vergeben hat. Hauptziel ist es, in der Hansestadt einen leistungsfähigen deutschen Quantencomputer sowie entsprechende Software und Anwendungsmöglichkeiten zu entwickeln. Zusätzlich zur Initiative des Bundes stellt die Stadt Hamburg eine Summe von 34 Millionen Euro zur „Stärkung des Quantencomputing-Ökosystems“ zur Verfügung.

Quantencomputer nutzen die Gesetze der Quantenmechanik zur Beschleunigung von Rechenoperationen. Im Gegensatz zu heutigen Rechnern arbeitet der Quanteneffekt nicht nur mit Einsen und Nullen, sondern mit erheblich mehr „Zuständen“. Durch dieses physikalische Phänomen potenziert sich die Arbeitsgeschwindigkeit der Rechenmaschinen exponentiell. Quantencomputer können auf unterschiedliche Art und Weise realisiert werden. Eine technische Variante bieten die sogenannten „Ionen-Fallen“. Hier werden elektrisch geladene Teilchen (Ionen) als Informationsträger genutzt, die mithilfe von Lasern oder Mikrowellen manipuliert werden. Mehrere solcher Ionen-Fallen-Computer will das DLR in Hamburg bauen lassen.

Wir müssen uns im Vergleich mit den Hubs in München und Ulm nicht verstecken.

Lars Reger

Um das anspruchsvolle Vorhaben zu realisieren, hat sich das DLR auch an den Hamburger Halbleiterhersteller NXP Semiconductors gewandt. „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das die Quantencomputer-Initiative gestartet hat, machte zur Bedingung, dass bei dem Projekt neben Start-ups mit ihrem technologischen Nischenwissen auch große Industrieplayer und ihre Expertise mit einbezogen werden“, sagt Lars Reger, CTO NXP Semiconductors und Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des Konzerns.

Bislang wurde das Thema vor allem an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Fraunhofer-Institut erforscht. „Ziel ist es, einen industriell skalierbaren Quantencomputer zu entwickeln“, beschreibt Reger die Aufgabe. „Wir mussten erst einmal verstehen, wie die Architektur eines Quantencomputers aussieht, und haben mit Firmen und Experten gesprochen, um herauszufinden, welche Technologie dafür benötigt wird.“

Zuvor hatten die NXP-Fachleute festgestellt, dass ihre ausgefeilten Chip-Technologien für Steuerungs- und Regelungselektronik sowie für Photonensensorik, die bereits seit Jahren erfolgreich am Markt vertreten sind und ständig weiterentwickelt und verbessert wurden, auch in der Quantentechnik eingesetzt werden können. Anwendungsbereiche für die Zukunftsrechner können zum Beispiel Routenplanung im Straßenverkehr oder für die Luftfahrt sein oder die Erforschung von Wirkstoffen in der pharmazeutischen Industrie.

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Natalie Rotermund ist zufrieden mit der Entwicklung der Quantentechnologie in der Metropolregion.

Um Kräfte zu bündeln und einen zentralen Anlaufpunkt zu haben, hat das DLR auf auf dem Gelände von NXP in Hamburg-Lokstedt Räumlichkeiten und Labore für das DLR-Quanteninnovationszentrum eingerichtet. „Alle Firmen, die bei unserem Projekt mitforschen und mitarbeiten, kommen hierher“, berichtet Lars Reger. So ist durch die Initiative zu der ohnehin reichlich vorhandenen Expertise an der Universität Hamburg und der Technischen Universität Hamburg (TUHH) ein lebendiger Entwicklungshub entstanden, in dem sich die in dem Bereich führenden Technologieunternehmen der Welt treffen und die Plattform weiterentwickeln. „Wir müssen uns im Vergleich mit den Hubs in München und Ulm nicht verstecken“, so Reger. „Im Gegenteil, wir sind vorn dabei.“

Sehr zufrieden mit der Entwicklung der Quantentechnologie in der Metropolregion ist auch Natalie Rotermund von „Hamburg Quantum Innovation Capital“ (hqic). Sie ist Projektmanagerin der Initiative, die von der Stadt Hamburg zur Bündelung der Quantenaktivitäten gegründet und dem „Artificial Intelligence Center Hamburg“ (ARIC) angegliedert wurde. „Es herrscht echte Aufbruchstimmung“, sagt Rotermund. „Die Stadt ist sehr daran interessiert, den Schwerpunkt Quantentechnologie weiter auszubauen, und unterstützt die Entwicklung von Quantentechnologien auf verschiedenen Ebenen, von der Grundlagenforschung über die Ausbildung bis hin zur Anwendung. Ein starker politischer Wille macht viel aus.“

Neben der Aufgabe, „Awareness für das Thema zu schaffen, unter anderem auch bei mittelständischen Firmen, die die Quantentechnologie noch nicht im Fokus haben“, arbeitet hqic gezielt daran, ein funktionierendes Netzwerk für Wirtschaft und Wissenschaft aufzubauen. Die Themen Qualifizierung und Weiterbildung innerhalb von Industrieunternehmen sind ebenfalls wichtig und werden zukünftig einen Arbeitsbereich innerhalb von „Hamburg Quantum Innovation Capital“ bilden. Natalie Rotermund ist überzeugt, „dass es für einen Spitzenstandort im Quantencomputing nicht nur wichtig ist, Know-how aufzubauen, sondern es auch zu halten und in die Umsetzung zu bringen“.

Quantencomputing für die Schifffahrt

Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) will komplexe Probleme aus der Schifffahrt erforschen und für das Quantencomputing anwendbar machen. So sollen Probleme in der maritimen Wirtschaft und Logistik im Hamburger Hafen gelöst und Optimierungen gefunden werden. Komplexe Fragestellungen der maritimen Logistik wie etwa Routen- oder Personalplanung sind ein wesentlicher Bestandteil der maritimen Wirtschaft. Effiziente Lösungen sind in diesem Bereich von hoher wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung für die Unternehmen.

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