

Gespielt wird heute überall: auf PC, Konsole oder Smartphone, im Browser, in Streaming-Apps, beim E-Sport als sportlicher Wettkampf oder in Form von Serious Games – Lernspielen in Unternehmen, Schulen und Trainings. Auch Gamification, also der Einsatz spieltypischer Elemente zur Motivation von Mitarbeitenden, gehört in vielen Branchen inzwischen zum Alltag.
Mit 190 Unternehmen und 2450 Beschäftigten ist die Hansestadt einer der führenden Games-Standorte in Deutschland – und ein international sichtbares Cluster für Kreativität und Unternehmergeist im Tech- und Media-Bereich. Weltweit spielen laut Statista über 2,7 Milliarden Menschen, für 2025 wird ein globaler Umsatz der Branche von rund 448 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
Beschäftigte in diesem Feld sind häufig begehrte Digital Natives, die Technologien selbstverständlich beherrschen – und dieses Know-how auch in andere Bereiche der Wirtschaft einbringen, die sich im Zuge der Digitalisierung neu aufstellen müssen.
Medien und Hardware Hamburgs Games-Ökosystem lebt nicht nur von Entwicklern, sondern auch von Medien- und Hardwarefirmen. Rocket Beans, bekannt durch ihren Livestream-Sender und das Format „Game Two“ auf ZDFneo, hat als Community-getriebene Entertainment-Marke bundesweit Kultstatus erreicht. Die Kommunikationsagentur MSM.Digital – heute Teil von 1SP Agency – zählt zu den erfolgreichsten Spezialisten für Games-Marketing. Mit Razer sitzt einer der bekanntesten Hardware-Hersteller mit seiner Europazentrale an der Elbe. Und nach der Übernahme von Roccat durch Turtle Beach ist Hamburg auch ein wichtiger Standort für High-End-Gaming-Peripherie.
Ein leistungsfähiges Ökosystem
Das gut vernetzte Games-Ökosystem in Hamburg profitiert von der Nähe zu internationalen Medien-, Tech- und Digitalkonzernen. Zwei der bekanntesten japanischen Spielehersteller, Capcom und Square Enix, besitzen hier eine Filiale, ebenso Niantic, der Entwickler von „Pokémon Go“. Hinzu kommen Global Player wie Google, Facebook, Adobe Systems und Twitch, die ihre Deutschlandzentralen an der Elbe aufgebaut haben – ein starkes Signal für die internationale Relevanz des Standortes.
Seit 2022 besitzt die Hansestadt zudem ein eigenes Spielefestival: die POLARIS Convention, ein Gemeinschaftsprojekt der Eventexperten von Super Crowd und der Hamburg Messe mit anfangs 10 000 Besuchenden. „Auch wenn Vergleiche nie ganz stimmig sind, kann ich sagen, dass das Wachstum der POLARIS dem des OMR-Festivals stark ähnelt“, erklärt Messe-Chef Heiko Stutzinger. „Wir sind 2022 in zwei Hallen gestartet, 2025 werden es fünf sein – und bis zu 50 000 Besucher. Das ist ein Riesensprung für die Stadt.“
Ein wichtiger Faktor ist auch die „Gamecity Hamburg“, 2003 als erste öffentlich finanzierte Standortinitiative ihrer Art gegründet. Heute ist sie Teil der Hamburg Kreativ Gesellschaft und koordiniert Förderprogramme wie die Prototypenförderung (jährlich 400 000 Euro) und den „Games Lift Inkubator“ (120 000 Euro).
Zusammen stehen pro Jahr 520 000 Euro bereit. Kultursenator Carsten Brosda brachte die Bedeutung der Institution bei einem Festakt zu ihrem 20-jährigen Bestehen auf den Punkt: „Hamburg ist einer der Top-Standorte der Games-Branche. Mit der Gamecity schaffen wir seit mehr als 20 Jahren ein passendes Umfeld und haben ein echtes Alleinstellungsmerkmal im Standortwettbewerb.“

Free-to-Play-Riesen und Indie-Pioniere
Das wirtschaftliche Rückgrat der Branche bilden große Free-to-Play-Anbieter – also Entwickler von kostenlosen Spielen, die über Zusatzinhalte Geld abwerfen. InnoGames (gegründet 2007) beschäftigt als Hamburgs größte Spielefirma 350 Mitarbeitende. Mit „Forge of Empires“ und „Elvenar“ hat das Unternehmen in Hammerbrook zwei internationale Bestseller geschaffen und kürzlich stolz einen Lifetime-Umsatz von zwei Milliarden Euro verkündet. Goodgame Studios, bekannt für „Empire: Four Kingdoms“, zählt nach Umsatz und Mitarbeitenden zu den größten deutschen Games-Firmen und erhielt mehrfach den Deutschen Entwicklerpreis.

Doch die Games-Stadt Hamburg lebt auch von ihrer Indie-Szene, also unabhängigen Entwicklerteams. Diese haben häufig stark zu kämpfen – und sind oft auf ein „Zugpferd“ angewiesen. Einen Indie-Hit landeten etwa die mooneye studios mit „Lost Ember“. Gründer Tobias Graff betont: „Als kleines Studio ist Sichtbarkeit immer das größte Problem. Allein auf Steam, der weltweit größten Shop- und Community-Plattform für PC-Spiele, erscheinen jeden Monat mehr als 1000 neue Spiele. Dass wir trotzdem überleben konnten, liegt an ,Lost Ember‘, einer klaren Strategie und der Förderung durch Stadt und Bund.“
Das Studio Tiny Roar (2015 gegründet, 25 Mitarbeitende) profitiert davon, dass die schwedische Aonic-Gruppe 2023 die Mehrheit übernahm. Gründer Maurice Hagelstein sagt: „Aonic gibt uns Freiheit. Wir können strategisch planen, statt ständig Geld hinterherzulaufen.“ Allerdings benennt er auch die Probleme: „Die hohen Arbeitskosten am Standort belasten unsere Firma nachhaltig, und die teuren Lebenshaltungskosten unsere Mitarbeiter. Talente aus dem Ausland gehen lieber in andere Länder, statt nach Hamburg zu ziehen.“
Wie wichtig einzelne Projekte für Indie-Studios sind, zeigt Daedalic Entertainment, einst Synonym für Adventurespiele: Nach dem Flop des „Gollum“-Spiels 2023 musste die Firma ihre Entwicklungsabteilung schließen. Gründer Carsten Fichtelmann erklärt: „Großprojekte dieser Art lassen sich in Deutschland nur sehr schwer verwirklichen. Wir mussten bei der internen Entwicklung den Stecker ziehen.“ Immerhin sei das Geschäft als Game Publisher, also im Spielevertrieb, profitabel – „wir haben alle Krisen überlebt und erwarten 2026 ein Wachstum“.
Ausbildung Hamburg hat ein dichtes Ausbildungsnetz im Games-Sektor. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften bietet einen der wenigen Games-Masterstudiengänge in Deutschland. Daraus gingen erfolgreiche Studios wie mooneye hervor, und Absolvententeams wurden mehrfach beim Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet. Private Einrichtungen wie School4Games, das SAE Institute, die Macromedia Hochschule oder die Kunstschule Wandsbek ergänzen das Spektrum – vom Programmieren bis zum Gamedesign. Nachwuchstalente vernetzen sich zudem beim Indie-Treff oder probieren sich an eigenen Projekten.
Viele Herausforderungen
Trotz etlicher Erfolge: Rund 260 Arbeitsplätze in der Hamburger Games-Branche – etwa zehn Prozent der Beschäftigten – sind in den vergangenen drei Jahren weggefallen. Selbst erfolgreiche Firmen wie InnoGames, Fish Labs und Whow Games mussten restrukturieren; Studios wie Threaks und Crazy Bunch gaben komplett auf.
Die Gründe sind vielschichtig: Während der Corona-Jahre investierten viele Konzerne in neue Projekte, die nun gleichzeitig auf den Markt drängen – ein Überangebot, das nicht refinanziert werden kann. Dazu kommen gestiegene Kosten für Personal, Energie und Marketing. In den USA und Asien sichern Steuererleichterungen, milliardenschwere Fördertöpfe sowie finanzstarke Investoren die Produktion, während deutsche Entwickler ohne solche Unterstützung Großprojekte überhaupt nicht stemmen können. Zudem wandern Talente ins Ausland ab, um an international relevanten Projekten mitzuwirken.
Daedalic-CEO Carsten Fichtelmann warnt: „Der Markt wird noch komplizierter und der Wettbewerb härter. In den USA, Kanada, Frankreich, Polen, Japan und China sind Projekte mit deutlich höheren Budgets an der Tagesordnung. In Deutschland ist es nach wie vor ein Kampf gegen Windmühlen.“
Kommentar von HW-Autor Oliver Redelfs Hamburg hat gezeigt, dass Vernetzung, Vielfalt und ein langer Atem wichtige Erfolgsfaktoren sind. Aber im internationalen Wettbewerb sind sie keine Garantie, um dauerhaft mitzuspielen. Die Branche braucht faire Rahmenbedingungen – weniger Bürokratie, bessere Finanzierungsmöglichkeiten und Kooperationen auch außerhalb der Games-Szene.
Und sie sollte groß denken. Der Kampf um die besten Köpfe findet weltweit zwischen den Games-Standorten statt. Hamburg benötigt daher eine nachhaltige Zukunftsvision für die Gamecity 2.0. Die Branche kann mit einem Dreiklang aus Kultur, Bildung und Technik zum wirtschaftlichen Motor von Standort und digitaler Wissensgesellschaft werden. Stadt, Games- und Bildungsbranche sollten sich starke Partner aus Schleswig-Holstein, Dänemark und Schweden ins Boot holen.
Ein internationaler Games-Campus wie „Futuregames Boden“ in Schweden könnte Vorbild sein. Dort leben Nachwuchs und Profis, Lehre und Firmen Seite an Seite, lernen, forschen, arbeiten, entwickeln gemeinsam und gründen direkt neue Projekte. Dass die meisten Hamburger Spielefirmen längst ausländischen Investoren gehören, vorrangig aus Schweden, wird hierbei sicher kein Nachteil sein. Damit die Gamecity nicht in einen dauerhaften Abwärtstrend gerät, muss Hamburg zeigen, dass hier zukünftig nicht nur gespielt, sondern auch die Games von morgen gestaltet werden.
