Open Innovation lohnt sich

Um Innovationen voranzubringen, gehen Industrieunternehmen inzwischen ganz neue Wege. Erfolgreich ist beispielsweise das „Cross Innovation Lab“, in dem Kreativschaffende mit Betrieben kooperieren.
Selim Sudheimer/Hamburg Kreativ Gesellschaft
Die Zusammenarbeit von Unternehmen, Kreativen und Wissenschaft ermöglicht einen „Blick über den Tellerrand“ und birgt Potenzial für Innovationen.

Von Katharina Keienburg, 7. Oktober 2022 (HW 5/2022)

Fanden Produktentwicklung und Innovation früher in erster Linie im engen Zirkel der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen statt, öffnen sich Unternehmen heute zunehmend für Kooperationen. Nach dem Konzept der „Open Innovation“ nutzen sie nicht mehr nur interne abteilungsübergreifende Projektarbeit, sondern sie öffnen sich auch nach außen, um mit dem Wissen ihrer Kundschaft bestehende Produkte zu optimieren oder neue zu generieren. Sie arbeiten mit Fachleuten aus der Wissenschaft zusammen und nutzen deren Expertise – oder sie engagieren sich in Netzwerken, um Anregungen zu erhalten oder Kooperationen einzugehen.

Profilbild Raffaela Seitz_Fotograf Oliver Reetz-Projektleitung_
Oliver Reetz
Raffaela Seitz, Projektleiterin des „Cross Innovation Hub“

Der vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderte „Cross Innovation Hub“ der Hamburg Kreativ Gesellschaft geht seit 2016 neue Wege und setzt auf die branchenübergreifende Innovationstätigkeit von Firmen mit Kreativschaffenden. „Durch die interdisziplinäre Arbeit an innovativen Produkten, Services und Geschäftsmodellen mit Kreativen können Industrieunternehmen über den eigenen Tellerrand schauen und von den Kompetenzen der Kreativen profitieren“, erklärt Raffaela Seitz, Projektleiterin des „Cross Innovation Hub“. „Deren Stärken sind insbesondere Ideenreichtum und Professionalität, gerade in der frühen Phase von Innovationsprozessen.“

Auch in der im Mai 2021 veröffentlichten „Regionalen Innovationsstrategie der Freien und Hansestadt Hamburg“ werden ausdrücklich wichtige Kompetenzen wie Netzwerken, Experimentieren und Flexibilität hervorgehoben, die Kreativschaffende in den Innovationsprozess einbringen, sobald sie mit Unternehmen kooperieren. Um dieses Potenzial zu heben, organisiert die Hamburg Kreativ Gesellschaft unter anderem seit 2018 das „Cross Innovation Lab“, in dessen Rahmen bislang mehr als 20 interdisziplinäre Cross-Innovation-Projekte durchgeführt wurden. Unter anderem ging es um die Frage, wie die Schiffe von TUI Cruises ihr Verpackungsmaterial reduzieren können.

Das „Cross Innovation Lab“ bietet für Industrieunternehmen viel Experimentierraum, wie das Beispiel Jungheinrich zeigt: Viele Mitarbeitende des Intralogistikers arbeiten bei der Entwicklung neuer Produkte mit computergestützten Systemen. Im Lab probierten sie neue kreative Methoden der Entwicklung von Prototypen aus – unter anderem mit haptischen Materialien wie Knete und Lego – und lernten von Kreativschaffenden, wie auf diese „anfassbare“ Weise Innovationsprozesse befeuert werden können.

Cross Innovation Day

Sie möchten neue Formate des Innovationsmanagements kennenlernen und erfahren, welches Format speziell zu welcher Herausforderung passt? Sie wollen wissen, wie Sie Kreativschaffende in Ihre Prozesse einbeziehen können? Antworten auf diese und weitere Fragen bietet der „Cross Innovation Day“ am 11. November ab 9 Uhr im Design Zentrum Hamburg, Hongkongstraße 8, 20457 Hamburg. Tickets gibt es ab 45 Euro.

Vergangenes Jahr wurde das Wissen von 27 Kreativen erstmals durch neun Köpfe aus der Wissenschaft ergänzt, um weitere Expertise von außen in den Design-Thinking-Prozess zu integrieren. Gemeinsam mit 22 Unternehmen wurden vier Monate lang sieben Innovationsprojekte zum dringenden Thema „Klimawandel“ bearbeitet. Neben der Hamburg Kreativ Gesellschaft waren beispielsweise die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) und die Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg beteiligt.

Wie erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen, Kreativschaffenden und Wissenschaft sein kann, zeigt das Projekt „FAIRcraft“. Im Lab wurde ein Konzept für eine kreislauffähige und leichte Flugzeugkabine entwickelt. Damit möchten die Beteiligten nichts weniger, als einen Paradigmenwechsel in der Luftfahrt zu schaffen: Die Entwicklung und Nutzung leichter Materialien steht in der Luftfahrtbranche an vorderster Stelle, um das Gewicht von Flugzeugen und damit den Treibstoffverbrauch zu reduzieren. „Zusätzlich wollen wir die Recyclierbarkeit der Materialien und damit die Kreislaufwirtschaft der Bauteile in den Fokus rücken“, sagt Dr. Christian-André Keun, Geschäftsführer der CompriseTec GmbH.

ag0q1856_45144261975___
Selim Sudheimer/Hamburg Kreativ Gesellschaft
Seit 2018 organisiert die Hamburg Kreativ Gesellschaft das „Cross Innovation Lab“.

Keun wurde durch „Hamburg Aviation“, dem Cluster für die Luftfahrtbranche in der Metropolregion Hamburg, auf das „Cross Innovation Lab“ aufmerksam und arbeitete dort gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern anderen Firmen sowie mit Kreativschaffenden. „Sowohl der Austausch mit den Kreativen als auch mit den Wissenschaftlern war sehr gewinnbringend“, berichtet er. „Prof. Kerstin Kuchta von der TU Hamburg hat uns weiter inspiriert. Durch ihren Input wurden wir darin bestätigt, dass im Bereich der Recyclierbarkeit technisch viel mehr möglich ist, als heute umgesetzt wird.“ Eine Herausforderung bestehe beispielsweise darin, in einer reinen Kreislaufwirtschaft keine große Farbvielfalt zu produzieren, obgleich die Kundschaft genau diese Farbvielfalt wünsche. „Prof. Kuchta sagte an einer Stelle: Wären alle Shampooflaschen grau, wäre es einfacher, die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe voranzubringen.“

Innovations Kontakt Stelle

Seit mehr als zehn Jahren unterstützt die Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg vor allem kleine und mittlere Unternehmen dabei, Kooperationsprojekte mit wissenschaftlichen Einrichtungen anzubahnen. Die IKS wird von der Handelskammer und der Stadt Hamburg finanziert und ist unter anderem per E-Mail zu erreichen.

Dieser Denkanstoß hatte Folgen: Im Projekt wurde Grau zur neuen Modefarbe ausgerufen. „Für solch einen disruptiven Ansatz war es sehr spannend, mit Kreativen zusammenzuarbeiten“, so Keun. „Wir Ingenieure hatten viel mehr und auch technische Bedenken. Die Kreativen hingegen konnten den Input wesentlich einfacher aufnehmen und schnell in die Entwicklung neuer umsetzungsorientierter Ideen gehen.“

Die Ergebnisse der Kooperation bildeten die Grundlage für einen erfolgreichen Antrag bei der IFB. Durch den Zuschuss des Förderprogramms „Green Aviation Technologies“ wird jetzt ein lebensgroßer Designdemonstrator umgesetzt. „Hier können wir in die technische Tiefe abtauchen und auch das ‚Look and Feel‘ der textilen Sitze mit hohem Leichtbaupotenzial darstellen“, erläutert Keun. „Das ist ein großer Meilenstein im Projekt. Ohne das ‚Cross Innovation Lab‘ wären wir jetzt noch nicht an diesem Punkt!“

Beteiligen Sie sich an der Diskussion:
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
Ihr Name wird mit ihrem Kommentar veröffentlicht.
Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.
Das Kommentarformular speichert Ihren Namen, Ihre E-Mail-Adresse und den Inhalt, damit wir die auf der Website abgegebenen Kommentare verfolgen können. Bitte lesen und akzeptieren Sie unsere Website-Bedingungen und Datenschutzerklärungen, um einen Kommentar abzugeben.
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments