Prüfen aus Leidenschaft

Die Fachleute, die Prüfungen in der Handelskammer vorbereiten und abnehmen, engagieren sich begeistert für ihre Sache. Sie sorgen mit dafür, dass der berufliche Nachwuchs eine hohe Qualität behält.
Karin Gerdes
Ewald Salomon, der seit 1996 als Prüfer für die Handelskammer tätig ist, möchte, dass die Auszubildenden über den Tellerrand schauen, um für zukünftige Anforderungen gerüstet zu sein.

Text: Clemens Gerlach, Fotos: Karin Gerdes, 10. Februar 2023 (HW 1/2023)

Sie stammen aus den unterschiedlichsten Branchen. Doch eines habe sie alle gemeinsam: Sie nehmen ehrenamtlich Prüfungen im Auftrag der Handelskammer ab. Rund 3500 dieser engagierten Expertinnen und Experten kümmern sich um Zwischen-, Abschluss- und Fortbildungsprüfungen.

Sie handeln nach dem Motto: „Die Ausbildung von heute ist die Investition von morgen.“ Denn ohne fach- und sachkundigen Nachwuchs geht es nicht. Viele von ihnen, die selbst von individueller Förderung profitiert haben, wollen etwas zurückgeben und so dazu beizutragen, dass junge Menschen sich beruflich und charakterlich entwickeln können.

In den paritätisch besetzten Prüfungsausschüssen sind die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie die Lehrerschaft vertreten; die Berufung erfolgt jeweils für fünf Jahre. Das Engagement ist auch deshalb möglich, weil Vorgesetzte Freistellungen oder Sonderurlaube erteilen.

Interessierte können sich gern bei der Handelskammer melden und jederzeit ins Prüfungsgeschäft einsteigen. Bedarf besteht insbesondere für die Fortbildungen „Industriemeister Elektrotechnik“ und „Industriemeister Printmedien“.


Andreas Kalliner

Ich möchte jungen Menschen eine bessere Berufsqualität geben.

 

Gelernt hat Andreas Kalliner Speditionskaufmann. Später machte er einen Abstecher in den Tourismus, arbeitete als Reiseleiter – und als stellvertretender Stationschef der Airline KLM. Er hat viel gesehen, unter anderem in der damaligen Sowjetunion, und noch mehr erlebt. Auch deshalb ist der Referent für Compliance und Ermittlung bei der OTTO-Tochter Hermes Fulfilment ein so engagierter Prüfer: „Ich möchte jungen Menschen eine bessere Berufsqualität geben.“ Der frühere Ausbilder und Gruppenleiter der Abteilung Warenvorbereitung im mittlerweile geschlossenen Retourenzentrum Bramfeld kümmert sich um Planung und Umsetzung praktischer Prüfungen der Fachkräfte für Lagerlogistik und den Fachlagerist/-innen, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Prüfungsausschuss 1. „Einige Prüfungen hatten wir in der JVA Hahnöfersand.“ Für Kalliner eine Selbstverständlichkeit: „Mir bedeutet die Tätigkeit einfach sehr viel.“


Kathrin Thoben

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Karin Gerdes
  

Aus ihrem Antrieb, Prüferin zu sein, macht Kathrin Thoben keinen Hehl: „Wir haben die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, in meinem Fall der Bereich Medien mit Schwerpunkt Print.“ Ihre Kenntnisse und Erfahrungen will sie gewissenhaft weitergeben. „Die Teilnehmer, die ich prüfe, sollen gut vorbereitet sowie gut aus- und weitergebildet mit dem Titel ‚Bachelor Professional‘ ihre Karrieren verfolgen.“ Die Verlagsfachwirtin, die seit 2000 bei Gruner + Jahr (heute RTL) ist und dort für den Vermarkter Ad Alliance arbeitet, weiß aus eigener Anschauung, dass das Magazin- und Print-Geschäft sehr hart ist und allen Beteiligten einiges abverlangt. „Es wird viel Flexibilität und Beweglichkeit verlangt“, sagt Thoben. Doch das schreckt sie nicht. Im Gegenteil. Sie will ihr Fachwissen mit denjenigen teilen, die neugierig auf das Thema Medien sind. „Ich mache es, solange mich die Handelskammer Hamburg als Prüferin wünscht.“


Stefan Wallraven

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Karin Gerdes
 

Früher beschäftigte sich Stefan Wallraven in einer eigenen Firma mit CMS-Programmierung und der Gestaltung von Websites, heute ist er beim Hamburger IT-Unternehmen Actum im Bereich Aufgabenmanagement aktiv. „Wir wollen für und mit Kunden Anforderungen und Lösungen entwickeln.“ Denn technisch lassen sich Projekte vergleichsweise leicht umsetzen, schwieriger ist es, das Verständnis dafür zu vermitteln. Was hat sich der Anbieter bei der Anwendung gedacht? Wurden die Erwartungen erfüllt? Als Senior UX-Manager kümmert sich der studierte Medienbetriebstechniker seit Oktober 2018 intensiv um die „User Experience“, wie die Benutzererfahrung im Fachjargon heißt. „Das reine Faktenwissen ist heute nicht mehr so relevant, das ist eine Google-Suche entfernt. Kreatives Wissen zählt.“ Von den Prüfungen profitiert Wallraven selbst: „Ich schätze den Input junger Menschen und langjähriger Fachleute. Das ist jedes Mal aufs Neue spannend und treibt mich an, dabei zu bleiben.“


Przemyslaw Kobus

Ich muss immer up to date sein, die Berufe entwickeln sich weiter.

 

Als Bereichsleiter bei der WISAG Sicherheit & Service Nord hat Przemyslaw Kobus viel zu tun – und darüber hinaus ist er für die Ausbildung verantwortlich. „Ich muss immer up to date sein, die Berufe entwickeln sich weiter. Unserer wird immer technischer, so sind etwa Kenntnisse zu Brand- und Einbruchmeldeanlagen wichtig. Wenn der Azubi etwas fragt, will ich mir keine Blöße geben.“ Um auf dem aktuellen Stand zu bleiben, hilft dem ehemaligen Zeitsoldaten auch seine Tätigkeit als Prüfer. Schutz und Sicherheit sind sein Metier. „Die Leute werden aggressiver, da müssen wir besonnen handeln.“ Sein Fazit, das gleichzeitig ein Rat ist: „Du musst eine gefestigte Persönlichkeit haben, sonst belastet dich das zu sehr.“


Rainer Schumann

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Karin Gerdes
 

Insgesamt rund 1000 Azubis hatte Rainer Schumann in seinen 41 Jahren bei HEW, Vattenfall und Stromnetz Hamburg betreut. Der Energieanlagenelektroniker und Elektromeister war als Ausbilder tätig, er kennt sich also aus. Und doch hat auch er immer wieder dazulernen müssen. „Die Berufe haben sich zweimal geändert und damit auch die Prüfungsordnung“, sagt Schumann. So müssen die von ihm geprüften Elektroniker/-innen Betriebstechnik und Industriemeister/-innen Elektrotechnik heute über fundierte IT-Kenntnisse verfügen. Rechner, Datensysteme, programmierte Schalter und Leittechnik – via Smartphone oder Laptop werden heutzutage Gebäude überwacht und optimal gesteuert. „Das sind keine Spielkonsolen, sondern ein Werkzeug“, betont Schumann. Dass er Prüfungen aktiv mitgestaltet, hat seinen Grund: „Die Praxisnähe ist entscheidend. Ich will wissen, wo es hingeht, und möchte mit dafür sorgen, dass wir vernünftige Fachkräfte bekommen.“


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Karin Gerdes
 

Johanna Reidt

Für Johanna Reidt sind bei der Ausbildung zwei Dinge entscheidend: „Es geht darum, Empathie zu haben und dennoch Grenzen aufzuzeigen.“ In ihrer beruflichen Laufbahn ist dieser Spagat geglückt. Die ehemalige Krankenschwester und Bürokauffrau schulte und führte lange Jahre erfolgreich Nachwuchskräfte der Sicherheitsbranche. „Wir möchten, dass sie sich situationsgerecht verhalten und versuchen, ihnen beizubringen, Dinge nie persönlich zu nehmen, sondern darüberzustehen.“ Dass dies in der heutigen Zeit gar nicht so einfach ist, weiß auch Reidt. Sie setzt auf Geduld, will überzeugen. „Die jungen Leute haben noch keine Lebenserfahrung und müssen Menschenkenntnis erst erlangen.“ Als versierte Prüferin sieht sie ihre Aufgabe auch darin, Vorbild zu sein und andere für diese Tätigkeit zu begeistern. Warum sie das alles macht? „Es muss aus dem Inneren kommen“, sagt die erste Ombudsfrau der Exzellenzinitiative Hamburg.


Jörg Kügler

Die Prüflinge müssen das große Ganze verstehen, es ist viel mehr gefragt als lediglich Fachlichkeit.

 

Manchmal sind es die mutigen Ideen, die den ganz großen Erfolg bringen – zumindest war das bei Jörg Kügler so. „Warum machen wir die Ausbildung nicht im eigenen Betrieb, das schafft doch eine viel stärkere Bindung ans Unternehmen?“, fragte der innovationsfreudige Elektromeister einst seinen Vorgesetzten. Der ließ sich zum Glück überzeugen. Und so kam es, dass der Containerumschlagsbetrieb EUROGATE eine eigene Ausbildungswerkstatt einrichtete. Kügler ist Ausbildungsleiter für die technischen Berufe, für die Handelskammer prüft er Elektroniker/-innen und Industriemeister/-innen Elektrotechnik. „Die Prüflinge müssen das große Ganze verstehen, es ist viel mehr gefragt als lediglich Fachlichkeit.“ Mit Erfolg hat er auch schon etliche Migranten ausgebildet. „Das bedeutet mehr Aufwand, und man muss sich auf deren besondere Situation einlassen. Doch am Ende lohnt es sich.“


Ewald Salomon

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Karin Gerdes
 

Daimler ist seine Welt. Für das Unternehmen arbeitet Ewald Salomon seit August 1988; in dieser Zeit hat er sich vom Kfz-Mechatroniker zum Leiter technische Berufsausbildung hochgearbeitet. „Ich habe den Job von der Pike auf gelernt“, sagt er – und betont, dass seine Tätigkeit viele pädagogische Kenntnisse verlangt. „Als Ausbilder habe ich inzwischen verstärkt die Rolle des Zuhörers, Kümmerers und Problemlösers.“ Eines ist ihm besonders wichtig: „Ich möchte, dass die Auszubildenden über den Tellerrand schauen, um für zukünftige Anforderungen gerüstet zu sein.“ Denn auch in der Automobilbranche wird die Digitalisierung immer wichtiger, angesichts von Multimedia oder Assistenzsystemen im Fahrzeug wären klassische „Schrauber“ schnell am Limit. Von der Elektromobilität ganz zu schweigen. „Ich begleite Auszubildende vom Recruiting bis zum Abschluss. Mir macht es große Freude, jungen Menschen Erfahrungen zu vermitteln“, sagt Salomon, der 1996 als Prüfer angefangen hat.


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