Stadt der Zukunft

Roman Fritsches-Baguhl arbeitet seit 2016 als Geschäftsführer bei Averdung Ingenieure & Berater. Sein Tätigkeitsschwerpunkt: die Umsetzung einer dezentralen Energie- und Bauwende in Norddeutschland.
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Photovoltaik auf dem Dach: Das Hamburger Klimaschutzgesetz schreibt sie ab 2023 für alle Neubauten vor.

Von Anna Molchanova, 5. August 2022 (HW 4/2022)

Was ist Ihre Vision für eine nachhaltige und klimaneutrale Stadt der Zukunft?

Roman Fritsches-Baguhl: Ein ganz wichtiger Punkt ist die Energieversorgung. Diese muss nachhaltig und klimaneutral sein. Wir bei Averdung Ingenieure & Berater sind seit 13 Jahren in Hamburg dabei, vor allem die Photovoltaik (PV) auszubauen. Das sehe ich als sinnvolle Energieversorgung, weil diese verbrauchernah ist. Der Hamburger Solaratlas hat gezeigt, dass es hier noch zahlreiche ungenutzte Solarpotenziale gibt. Photovoltaik ist eine gute Lösung, Strom günstiger zu bekommen als über das Netz und damit gleichzeitig die Energiewende wesentlich voranzubringen.

Eine Übersichtsseite zu Informations- und Beratungsangeboten der Handelskammer rund um das Thema Klimaneutralität finden Sie hier. Die Umweltberater:innen der Handelskammer beraten Unternehmen vor Ort zu Energie- und Ressourceneffizienz, CO2-Fußabdruck und Förderangeboten.

Deshalb freue ich mich sehr, dass 2023 das Hamburger Klimaschutzgesetz das Installieren von PV-Anlagen für Sanierungen und Neubauten verpflichtend machen wird. Das ist ein wichtiger Baustein bei der Energieversorgung. Zusätzlich würde ich das Thema Wärmewende in den Fokus rücken. Da passiert auch schon einiges, gerade was den zentralen Wärmeversorger angeht. Für die Stadt der Zukunft, wenn man Hamburg als Beispiel nimmt, wäre ein Fernwärmenetz auf Basis von Erneuerbaren Energien die richtige Wahl.

Wo hat Hamburg noch Nachholbedarf?

Bei der Energiewende sind wir bereits auf einem guten Weg. Wo ich Nachholbedarf sehe, ist beim Thema Neubauten. Wir haben verstanden, dass der Gebäudesektor insgesamt bis zu 50 Prozent der Treibhausgasemissionen ausmacht. Damit ist er der größte Verursacher. Ziel muss es deshalb sein, weniger abzureißen und neu zu bauen, sondern bestehende Gebäude zu modernisieren. Man muss in Bestandsgebäude mit viel Engineering-Kapazitäten reingehen und schauen, wo man punktuell die Energieeffizienz und den Komfort erhöhen kann und gleichzeitig die Ästhetik des Gebäudes beibehält. Die Sanierungsquote muss steigen.

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Vincent Reiner
Roman Fritsches-Baguhl ist Geschäftsführer von Averdung Ingenieure & Berater.

Welche Herausforderungen hat Hamburg als Metropole mit einer Bevölkerungszahl von mehr als 1,8 Millionen?

Die Stadt ist in einigen Bereichen stark verdichtet. Es geht darum, die Wünsche nach mehr Wohnraum zu erfüllen, ohne ihr Angesicht zu ruinieren. Die Herausforderung liegt darin, sie weiter auszubauen und das nicht auf Kosten der Wohn- und Lebensqualität. Wir haben sehr viele schöne Gebäude aus den vergangenen 150 Jahren Bautätigkeit in Hamburg. Diese zu erhalten, vielleicht aufzustocken und effizienter zu machen, ist die Herausforderung.

Welche Innovationen im Gebäudesektor könnten mögliche Lösungen sein?

Der eine Bereich ist Digitalisierung, Building Information Modeling (BIM, Bauwerksdatenmodellierung). Die Vernetzung des Energiesektors mit dem Gebäudesektor – das muss alles in ein Modell kommen. Ziel muss es sein, Gebäude, die wir schon sehen, digital abzubilden und mit Informationen anzureichern und mit diesen Informationen die Energieeffizienz sowie den Komfort zu erhöhen.

Die digitale Stadt bietet ganz neue Möglichkeiten. Stellen Sie sich vor, wir hätten ein Gesamtmodell des Quartiers Mitte Altona. Dann könnten wir tatsächlich schauen: Wo fällt Wärme an, wo wird Wärme gebraucht, wo fällt Kälte an, wo wird Kälte gebraucht. Man könnte dann den Bedarf unter den Gebäuden austauschen. Das geht nur mit intelligenten Modellen.

Der zweite Bereich sind Produktinnovationen. Zum Beispiel gibt es in Hamburg ein sehr interessantes Projekt: „loopsai“. Es versucht, Kreislaufprozesse der Natur abzubilden. Unter anderem wird Kaffeesatz genutzt, der bei Tchibo anfällt, um daraus Pilzkulturen zu züchten, die wieder in eine sinnvolle Anwendung gebracht werden. Im Gebäudesektor besteht die Möglichkeit der Dämmung und Isolierung mithilfe von Pilzen. Zum Beispiel bei fertigen Trockenbauwänden, die durch Pilzkulturen im Inneren bereits gedämmt sind – und das auf Basis von natürlichen Rohstoffen.

Welche Rahmenbedingungen und Anreize wünschen Sie sich von der städtischen und welche von der Bundespolitik?

Das Gebäudeenergiegesetz wurde auf Bundesebene novelliert. Was passieren müsste, ist, dass das Thema Ressourceneffizienz mit hineinkommt. Da passiert in Berlin schon einiges. Ich hätte die Hoffnung, dass Hamburg es schafft, noch eine Schippe draufzulegen. Wenn ich mir das Hamburger Klimaschutzgesetz anschaue, das verpflichtend sagt, wir müssen Photovoltaik auf die Dächer setzen, ist das eine konkrete Ausgestaltung, die ich sehr wichtig finde.

Der nächste „Stammtisch für Energie- und Umwelt“ findet am 6. September von 8 bis 10:30 Uhr statt. Er richtet sich an Tätige in den Bereichen Planung, Beratung, Architektur, Dienstleistungen und ausführende Gewerke.

Aus Berlin kommen die Rahmenbedingungen, und Hamburg müsste diese weiter konkretisieren. Wie das auch schon passiert. Wir sind da auf einem guten Weg. Das ist nicht nur Hamburg der Fall. Kiel zum Beispiel hat den Klimanotstand ausgerufen und dadurch das Tempo für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erhöht. Damit wurden die Vorgaben des Bundes verschärft, und es wurde aufgezeigt, dass wirksamer Klimaschutz Vorgaben braucht.

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