E-Scooter haben ihre Berechtigung.
Katja Diehl (48)
Eines vorweg: Dass E-Scooter immer wieder behindernd für andere auf Gehwegen abgestellt werden, stimmt. Das liegt jedoch nicht an den Anbieter:innen dieser Leihservices, sondern an den Nutzer:innen und dem Mangel an eigenen Abstellflächen. Andreas Scheuer hat in seiner Amtszeit als Bundesverkehrsminister entschieden, diese Form der Mikromobilität zuzulassen, ohne den Stadtraum neu aufzuteilen. Aber genau diesen Mut hätte es bedurft, um die heutigen Probleme von Beginn an zu vermeiden.
Denn im Mobilitätssystem haben die Scooter ihre Berechtigung. Für Menschen mit Einschränkungen schaffen sie zum Beispiel völlig neue Möglichkeiten. Scooter allein werden keine Autos abschaffen, das kann nur ein koordiniertes System von Mobilitätsangeboten. Das hat auch der Hamburger Verkehrsverbund erkannt und mit switchh eine Plattform geschaffen, auf dem neben dem ÖPNV auch Carsharing, Fahrräder und Scooter buchbar sind.
Die Vorwürfe gegenüber E-Scootern, dass sie den Gang zu Fuß oder das Fahrrad ersetzen, im Weg herumstehen und Menschen behindern, dass sie überflüssig seien und eine schlechte Ressourcenbilanz aufweisen, treffen allesamt auch auf Pkw zu. An diese haben wir uns jedoch gewöhnt. Weil wir „das Neue“ immer schneller ablehnen als das Gewohnte, das gegebenenfalls sogar schädlicher ist.
Selbst im ländlichen Raum sind die Wege im Auto zur Hälfte unter fünf Kilometer und damit für Gesunde in Fahrraddistanz. Auf einen Pkw-Parkplatz passen ein Dutzend Scooter. Die Statistik besagt, dass ein deutscher Pkw mehr als 23 Stunden am Tag herumsteht, und wenn er gefahren wird, sitzt darin oft nur eine Person. Scooter-Anbieter wie TIER sind von Beginn an mit einem hohen Anspruch an Nachhaltigkeit angetreten, und im Gegensatz zu Autoherstellern erfüllen sie diesen auch. Ihr Produkt ist vollelektrisch, modular recycelfähig und mehrere Jahre haltbar. Die Attraktivität einer Stadt wie Hamburg liegt hinter den Privilegien der Pkw. Lassen Sie uns diese fair und zugunsten der Lebensqualität unserer Perle aufteilen.
Der E-Scooter verursacht viele Probleme.
Murat Bayram (46)
„Jeder will zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß“ – diese Aussage des Politikers Alois Glück ist aus Sicht der Kreislaufwirtschaft heute relevanter denn je. Wir bringen in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte auf den Markt. Und das, ohne uns Gedanken darüber zu machen, inwieweit diese immer komplexer werdenden Artikel nach ihrem Lebenszyklus recycelt werden können. Der E-Scooter etwa ist ein Produkt, das in den letzten Jahren viele Probleme auf Recyclinghöfen verursacht hat, unter anderem Brände. Mir persönlich ist klar, dass wir uns im Bereich Innovation immer weiterentwickeln müssen. Aber wie definieren wir „gute“, nachhaltig gedachte Innovation? Und wie grenzen wir sie ab gegen ein reines Fluten unseres Konsummarktes mit vermeintlich grünen Produkten wie dem E-Scooter?
Fakt ist: Wir importieren inflationär Produkte aus aller Welt, ohne zu wissen, was mit ihnen geschieht, nachdem wir sie nach dem zeitweisen Gebrauch entsorgen. Und das in einem Kontext, der jeden aufhorchen lassen muss: Wir verbrauchen heute doppelt so viele Ressourcen wie die Welt uns Menschen zur Verfügung stellt. Wir bräuchten nicht eine, sondern gleich zwei Welten, um den aktuellen Rohstoffhunger zu stillen. Die Utopie, dass die Elektrifizierung der Mobilität grün sei, ist ungefähr so valide wie die Quadratur des Kreises. Kobalt etwa kommt hauptsächlich aus der Demokratischen Republik Kongo. Um also in Summe weniger konfliktreiche Rohstoffe zu verbrauchen, sollten wir diese nur dort einsetzen, wo die Mobilität sie unbedingt erfordert.
Das Eingangszitat „Jeder will zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß“ ist relevant nicht nur mit Blick auf Rohstoff-Überkonsum und Müllproduktion, sondern auch mit Blick auf die Gesundheit. Die körperliche Fitness von Kindern etwa ist heute bedeutend schlechter als vor 30 Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder und Jugendliche täglich mindestens 60 Minuten körperliche Aktivität. Auf dem E-Scooter aber bewegen sie sich ungefähr so viel wie ein Faultier in den Regenwäldern Südamerikas. Früher war nicht alles besser, manches aber sehr viel besser.
Nur E-Scooter mit Betriebserlaubnis sind legal. Helm und Führerschein sind nicht vorgeschrieben, allerdings unterliegen die Scooter der Versicherungspflicht. Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) regelt die Verwendung dieser Fahrzeuge – unter anderem auch, wo sie fahren dürfen. Das ist auf Radwegen, Radfahrstreifen und in Fahrradstraßen erlaubt. Nur wenn diese fehlen, darf auf die Fahrbahn ausgewichen werden. Auf Gehwegen, in Fußgängerzonen und in Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung sind Scooter verboten. Bei Verbot der Einfahrt bei Einbahnstraßen gilt das Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ auch für Scooter. Die Nutzung auf anderen Verkehrsflächen kann durch das Zusatzzeichen „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ (§ 10 Absatz 3 eKFV) erlaubt werden.